Durchstarten in einer Führungsposition: Eine Expertin empfiehlt, mit der neuen Aufgabe auch eigene Vorstellungen und Glaubenssätze genau zu durchleuchten.
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu zu verhelfen, sich weiterzuentwickeln, ist eine der wichtigsten Aufgaben einer neuen Führungskraft.
Wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen? Wie die eigene Rolle anlegen? Gerade wenn Menschen ihre erste Führungsposition antreten, stellen diese Fragen eine Herausforderung dar. Denn die eigenen Vorstellungen weichen mitunter von der Realität der tatsächlichen Anforderungen ab. Zwangsläufig werden eigene Vorstellungen und Glaubenssätze mit der neuen Aufgabe auf die Probe gestellt.
"Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Führung ein komplexes Feld ist, das laufende Selbstreflexion erfordert", erklärt Nicole Ruckser. "Nur so kann man auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsam Ziele erreichen." Ruckser ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) und hat sich auf Führungskräfte-Coaching und -Entwicklung spezialisiert.
"Es ist gefährlich, von allen gemocht werden zu wollen."
Nicole Ruckser, Vorstandsmitglied ÖVS
Ein verbreitetes Problem ist laut der Expertin, dass Führungskräfte das Gefühl haben, alle Probleme lösen zu müssen, die ihnen seitens der Belegschaft zugetragen werden. Dies führt laut der Expertin zu einer Überlastung der Führungskräfte, die zusätzlich zu ihrem eigenen Verantwortungsbereich auch noch den ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen. Anstatt zu delegieren, nehmen sie diesen damit auch die Chance, aus Erfahrungen zu lernen und selbst zu entscheiden. "Eine Aufgabe von Führung ist, den Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem das Team bzw. die Beschäftigten entscheiden und sich weiterentwickeln können", so Ruckser. Statt alles gleich selbst zu lösen, bewährt sich die Frage: "Was brauchen Sie von mir, um diese Entscheidung treffen zu können?"
Führungskräfte müssen außerdem Prioritäten setzen
Jederzeit erreichbar zu sein, um im Zweifel gleich alles zu lösen, schaffe Abhängigkeiten und gleichzeitig eine Vorbildwirkung, die dasselbe von den Mitarbeitern verlangt. "Es ist vollkommen in Ordnung, einen Anruf nicht sofort anzunehmen oder gar das Telefon in einem Meeting auszuschalten", betont die Expertin. Indem man Gespräche terminiere und Räume dafür schaffe, könne man sicherstellen, dass man die eigenen Prioritäten im Auge behält und trotzdem ein offenes Ohr für die Anliegen der Mitarbeiter hat. Darüber hinaus sollte man die Hoheit über den eigenen Terminkalender behalten und sich von der Vorstellung verabschieden, dass man an allen Meetings teilnehmen muss, zu denen man eingeladen wurde.
Spannungen gehören zum Führungsalltag
Als neue Führungskraft ist es laut Ruckser wichtig, ein Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe aufzubauen, in dem transparent und wertschätzend kommuniziert wird und allen Beteiligten klar ist, auf welche Ziele gemeinsam hingearbeitet wird, statt in eine verbreitete Falle zu tappen: "Es ist ein gefährlicher Ansatz, alles dafür tun zu wollen, von den Beschäftigten gemocht zu werden. Und es ist vor allem nicht die Aufgabe einer Führungskraft. Vielmehr müssen manchmal Entscheidungen getroffen werden, die zwar im Sinne des Unternehmens und der gemeinsamen Zielerreichung sind, jedoch einzelnen Interessen entgegenstehen", erklärt Ruckser. "Führungskräfte befinden sich in einer Sandwichposition zwischen den Interessen der Organisation und den Interessen von Teams und einzelnen Mitarbeitern. Es gehört zum Führungsalltag, mit diesen Spannungen umzugehen." Im Coaching könne an diesem Spannungsverhältnis und möglichen Handlungsoptionen für die Führungskraft gearbeitet werden.
Ein verbreiteter Glaubenssatz sei außerdem, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in alle Entscheidungen einbeziehen zu müssen. Dabei sei es gerade hier wichtig zu differenzieren. "Partizipation heißt nicht immer, dass alle mitentscheiden. Es macht einen Unterschied, ob ich Meinungen einhole und danach selbst entscheide oder mein Team berate und ihm die Entscheidung mitsamt der dazugehörigen Verantwortung überlasse", so Ruckser. Sinnvoll sei es, gemeinsam mit den Teammitgliedern zu überlegen, welcher Grad an Delegation bzw. Partizipation für welche Bereiche nützlich ist, um der gemeinsamen Zielerreichung näher zu kommen. So werde beispielsweise eine schnelle Entscheidung nicht im Konsens getroffen werden können.
Austausch mit Kolleg:innen, Supervision und Coaching stärken Führungskräfte
Zusammenfassend rät Ruckser Führungskräften, ihre Glaubenssätze über Führung zu überdenken und die eigene Rolle von Anfang an regelmäßig zu reflektieren. Eine neue Führungsrolle könne gerade für junge Menschen sehr herausfordernd sein. Der Glaube daran, dass nur man selbst mit den neuen Aufgaben nicht klarkomme, hindere Führungskräfte oft daran, sich Hilfe zu holen oder Schwierigkeiten anzusprechen. "Dabei ist das, wie in allen anderen Positionen auch, wichtig, um dauerhaft gesund und leistungsfähig zu bleiben. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist hier ebenso entscheidend wie eine Perspektive von außen durch Supervision und Coaching. Das stärkt und unterstützt junge oder wenig erfahrene Führungskräfte dabei, mit diesen Herausforderungen umzugehen und die neue Rolle erfolgreich zu meistern", ist die Expertin überzeugt.