Haben Sie sich diese Woche schon geoutet? Nein? Sind Sie sicher? "Jedes Gespräch über die Kinder und den Partner, die Partnerin am Kaffeeautomaten ist an sich ein Outing", sagt Conny Felice. Und das kann ausschließen. Denn für viele Menschen ist der Umgang mit ihrer Identität immer noch ein Risiko: 90 Prozent der queeren Beschäftigten in Österreich haben Diskriminierung im Job erlebt. "Sexuelle Orientierung und Identität" ist nach wie vor der am meisten tabuisierte Vielfaltsaspekt, weiß Felice, die sich als Geschäftsführerin der NGO HOSI Salzburg für die Sichtbarkeit dieser Menschen einsetzt. 70 Prozent der queeren Menschen sind im Job nicht geoutet. Zum Schaden des Individuums - und des Unternehmens. Diverse Studien belegen inzwischen, dass gelebte Vielfalt Teams innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher macht. 19 Prozent höher sind die Umsätze, die Unternehmen mit einer diversen, vielfältigen Führungsebene erzielen, ergab etwa eine Erhebung der Boston Consulting Group.
Unternehmen überdenken Diversitätsstrategie zunehmend
"Es kostet unheimlich viel Geld, wenn Menschen aufgrund von Diskriminierung den Arbeitsplatz verlassen", betont Felice. Mit Diversitätsmanagement fördern Unternehmen die Unterschiede in der Belegschaft - bei Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung - bewusst und nutzen sie so für ihren Erfolg. Doch unter dem politischen und gesellschaftlichen Druck - etwa durch Agitatoren wie Donald Trump - rudern immer mehr Konzerne zurück. In Krisenzeiten wird Vielfalt häufig zur Nebensache: zu teuer, zu aufwendig, zu unbequem.
"Es kann doch nicht sein, dass Unternehmen vor einem Despoten einknicken", ärgert sich der Salzburger Unternehmensentwickler Martin Seibt. "Viele dieser Diversitätsprogramme waren offenbar von Anfang an nicht ernst gemeint, sondern dienten allein dem sogenannten Gender- oder Rainbow-Washing." Aus dieser Enttäuschung entwickelte Seibt eine neue Hoffnung: "Vielleicht steckt in dem Ganzen die Chance, dass es gar keine eigenen Programme mehr braucht, weil Diversität ganz einfach in die Alltäglichkeit übergeht."
BarCamp fördert Diversität im Arbeitsleben
Dieser Gedanke steckt nun auch hinter dem diesjährigen WorkVision BarCamp, das Ende November in Kooperation mit der HOSI und der Erzdiözese Salzburg stattfindet. Seibt, der als Gründer hinter dem Format steht, stellt eine zentrale Frage in den Raum: Wie lassen sich Arbeits- und Lebenswelten so gestalten, dass sich niemand verstecken muss und alle Mitarbeitenden ihr Potenzial frei entfalten können? Ganz einfach sei das freilich nicht: Jede Organisation müsse ihren eigenen Weg finden - abgestimmt auf Branche, Unternehmenskultur und -strukturen.