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Finanzbildung als Schlüssel zur Selbstbestimmung und Altersvorsorge

Finanzwissen ist mehr, als seinen Kontostand im Blick zu haben. Es ist die Basis für einen Lebensplan in jungen Jahren und eine wichtige Grundlage, um im Alter nicht in die Armut zu kippen.

Für die Lebensreise planen.
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Lena Gugenberger ist Projektleiterin in der Bildungsberatung Geldleben, dort werden Seminare und Workshops zur Finanzbildung veranstaltet. Die Bildungsangebote nehmen Menschen quer durch alle Generationen wahr, die Nachfrage ist groß. Junge Teilnehmer wollen wissen, wie sie ihre finanzielle Zukunft planen sollen, ältere Frauen sind da, weil sie in der Pension noch gut leben wollen. Diese Sorge ist laut Umfragen noch größer als die Furcht vor Krieg und Inflation. Geldnöte machen einsam, das beobachten die Beraterinnen von Geldleben regelmäßig in Workshops: Manche ältere Teilnehmerinnen fürchten sich davor, dass Freundinnen im Café etwas zu essen bestellen oder nach dem Kino noch auf einen Drink gehen wollen, und bleiben lieber zu Hause.

"„Junge Menschen und ältere Frauen wünschen sich dringend mehr Finanzbildung.“"
Lena Gugenberger
Finanzcoach

Wie gut kennen sich Menschen mit ihren Finanzen aus? Lena Gugenberger: Was wir merken, ist eine sehr starke Nachfrage nach unseren Workshops, den für junge Menschen und für Frauen im Kapitalmarkt. Inzwischen ist Finanzbildung ja im Lehrplan als fächerübergreifende Materie integriert. Wir sehen nach wie vor: Es ist definitiv Bedarf für Finanzbildung gegeben - auch wenn Hausverstand und Lebenserfahrung oft schon eine wertvolle Basis bilden.

Bei Frauen ist es vermutlich die Angst vor Altersarmut? Ja, aber dahinter steckt mehr als nur Angst: Viele Frauen wollen sich aus struktureller Abhängigkeit lösen, in der sie wegen traditioneller Rollenverteilungen oder fehlender Absicherung festhängen. Altersarmut ist nach wie vor ein systemisches Problem, das mehr und mehr Frauen dazu bringt, sich mit Finanzen zu beschäftigen. Finanzielle Bildung wird so zu einem Schlüssel für Selbstbestimmung - nicht nur für gut Gebildete.

Ist die junge Generation in puncto Sparen besser als ihr Ruf? Der Grundtenor ist schon oft, dass die Jugend nachlässig mit Geld umgeht. Das finde ich ungerecht, immerhin leben wir in herausfordernden Zeiten: Die jungen Menschen werden auf Social Media mit personalisierter Werbung bombardiert, und das rund um die Uhr, Einkaufen ohne Bargeld ist selbstverständlich, Buy-now-pay-later-Optionen sind einfach zugänglich etc. Wir sehen aber auch, dass Jugendliche sich dieser Herausforderungen bewusst sind und sich mehr Finanzbildung wünschen.

Wo setzen Sie hier bei der Beratung an? Wir arbeiten daran, dass junge Menschen eigene Wünsche, Ziele und Prioritäten setzen - ganz ohne Wertung. Ein neues Auto, eine Weltreise, die neuesten Sneakers, das bleibt jedem selbst überlassen. Der Tenor lautet: Du musst für dich persönlich überlegen, wofür du dein Geld ausgeben willst. In unseren Seminaren geht es um Selbstermächtigung, darum, Themen rund um die Finanzbildung einfacher zu gestalten, den Stress rauszunehmen.

Es geht also weniger um Zahlen als um einen guten Plan? Jeder, der "Geld" oder "Finanzbildung" hört, zückt in Gedanken bereits den Taschenrechner. Aber man muss gar nicht gut rechnen können, will man gut mit Geld umgehen können. Es geht vielmehr darum, sich zu überlegen, wie man sich im Umgang mit Geld verhält. Grundregel Nummer eins ist, nicht mehr auszugeben, als man einnimmt. Dazu muss ich natürlich schon überschlagen: Wie viel verdiene ich, welche Ausgaben müssen davon weg? Dann kommt die wichtige Frage, wofür ich mein Geld ausgebe und was mir im Leben wichtig ist. Hier schauen wir genauer hin: Was löst gerade diesen einen Konsumwunsch aus? Ist es vielleicht nur der Gruppendruck oder die aktuelle Social-Media-Kampagne? Ein guter Umgang mit Geld bedeutet außerdem, in die Zukunft zu schauen - und das schließt zum Beispiel auch die Berufswahl ein. Will ich einmal ein Haus mit Pool, muss ich mir schon überlegen, mit welchem Berufsbild ich mir das leisten kann.

Dann nimmt das Thema eine ganz andere Dimension an. Plakativ gesprochen: Wirft mein Traumberuf wenig Geld ab, muss ich finanziell klüger vorgehen? Ist mein Traumberuf nicht gut bezahlt, werde ich in Kauf nehmen müssen, dass ich bescheidener wohne oder seltener auf Urlaub fahren kann. Und ich sollte mich lieber früher als später um die Altersvorsorge kümmern. Die Pensionslücke - also der Unterschied zwischen letztem monatlichen Nettoeinkommen und der staatlichen Pension - liegt in Österreich aktuell zwischen 20 und 50 Prozent. Über die gesamte Pensionsdauer hinweg kann daraus eine Lücke zwischen 500.000 und einer Million Euro entstehen. Die durchschnittliche Pension bei Frauen beträgt knapp 1600 Euro, bei Männern liegt sie bei über 2300. Altersvorsorge ist also vor allem für Frauen wichtig, weil ihre Pensionen geringer sind, sie aber länger leben und die Differenz zwischen Pension und Lebenshaltungskosten daher länger überbrücken müssen.

Und das nicht immer in guter gesundheitlicher Verfassung. Genau. Hinzu kommt, dass Frauen vor der Pension weniger Ressourcen haben, um für das Alter vorzusorgen. Jungen Frauen geben wir deshalb den Rat, gleich zu Beginn des Berufswegs an die Pension zu denken - idealerweise legen sie am Anfang des Monats mit Dauerauftrag etwas zur Seite, und wenn es nur auf ein Sparkonto ist. Langfristig ist es aber sinnvoll, gewinnbringendere Wege zu suchen, um Vermögen fürs Alter aufzubauen - sei es über den Kapitalmarkt, das staatliche System oder andere Produkte.

Nur denken die wenigsten in jungen Jahren an eine Vorsorge, oder? Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Bereitschaft für Altersvorsorge steigt, wenn man visuell das Gesicht eines Menschen altern lässt, weil die Identifikation mit diesem "älteren Ich" steigt. Eine weitere gute Methode ist es, sich möglichst genau auszumalen, wie man in der Pension leben möchte und was man sich leisten will.

Welchen Rat haben Sie gerade für Frauen? Dass es nicht ihre Schuld ist, wenn sie finanziell schlechter aufgestellt sind, sondern dass es sich um ein strukturelles Problem handelt. Weil Branchen, in denen Frauen arbeiten, schlechter bezahlt sind oder weil sie bei Gehaltsverhandlungen nachweislich schneller abgekanzelt werden. Struktureller Wandel dauert aber. Bis dahin sollte jede Frau beim Thema Geld gut hinschauen, auch in der Partnerschaft. Wenn die Frau weniger verdient oder weniger arbeitet, weil sie die Hausarbeit übernimmt, soll das abgegolten werden, durch Pensionssplitting beispielsweise. Wenn diskutiert wird, wie man sich die Arbeiten im Haushalt aufteilt, muss man auch das Monetäre mitdenken. Ein Jahr Teilzeit kostet immerhin rund ein Prozent der Pension. Hier muss man den Partner mit ins Boot holen. Eine Partnerschaft heißt gemeinsame Kinder, gemeinsame Verantwortung. Auch bei der Vorsorge.

Wie behält man das Geldthema am besten im Blick? Indem man den Status quo der Einnahmen und Ausgaben im Blick hat, und auch wenn der innere Schweinehund sich meldet, der das freiwillig nicht tun würde: Ein Haushaltsbuch zu führen, ist empfehlenswert (lacht). Oder man schaut sich ganz bewusst die Kontoauszüge an. Fast alle erleben dabei Überraschungen, denn häufig geben wir Geld auch unbewusst aus. Dann geht es in einem weiteren Schritt darum, die Ausgaben zu optimieren. Zwar kann ich nicht beeinflussen, wie viel ich esse, aber bei der Kleidung und anderen Konsumausgaben gibt es meist Spielraum. Der "Notgroschen" ist ebenfalls eine wichtige Grundlage - so viel Geld auf der Seite zu haben, um drei bis sechs Monate ohne Einkünfte leben zu können. Außerdem sollte man sich kurz-, mittel- und langfristige finanzielle Ziele setzen und dafür passende Spar- oder Investitionsprodukte aussuchen.

Bei Investitionen auf dem Kapitalmarkt wird es in der Regel aber kompliziert. Wenn man Schritt für Schritt vorgeht, ist es aber machbar: Am Beginn ist es wichtig, sich Wissen anzueignen. Außerdem ist es sinnvoll, die eigene Risikofreudigkeit zu klären. Man sollte schließlich schon noch gut schlafen können. Ein wenig Hausverstand hilft ebenfalls: Produkte, die von heute auf morgen großen Reichtum versprechen, sind nie vertrauenswürdig. Danach wäre mein Rat, mit geringen Beträgen zu starten und sich schrittweise zu steigern. Gerade Frauen unterschätzen ihr eigenes Wissen oft und performen am Kapitalmarkt aber meist sehr gut.

Wie lehrt man Kinder den Umgang mit Geld? Der Weltspartag, an dem man Bargeld zur Bank trug, hat heute ja kaum noch Bedeutung. Der wichtigste Ort, um einen guten Umgang mit Geld zu erlernen, ist die Familie. Außerdem rate ich, mit physischem Geld zu starten. Kinder lernen, indem sie etwas begreifen, sie müssen Dinge erst in der Hand haben, um dann abstrahieren zu können. Wichtig ist auch, so früh wie möglich über Geld zu reden. Das kann ich schon mit einem Vierjährigen tun, der mit den Eltern ja schon sehr früh zum Einkaufen mitmuss: Was wird gekauft, was kostet es, was wäre eine günstigere Alternative? Taschengeld ist ebenfalls ein wichtiges Werkzeug - in der Volksschule noch in bar, ab der Unterstufe dann gerne auch auf ein Konto - mit vertrauensvoller Begleitung, um mit offenen Fragen das Finanzverhalten zu reflektieren: Welche Ausgabe war sinnvoll, welche weniger?

Nun ist es bei manchen Kindern so, dass das Taschengeld nicht angetastet wird, weil von verschiedenen Seiten laufend Bargeld hereinkommt. Der Lerneffekt kann gar nicht eintreten. In der Schweiz gibt es dafür das Jugendlohn-Konzept. Da zahlen die Erziehungsberechtigten ab einem Alter von 15 Jahren ein höheres Taschengeld - den Jugendlohn - und übertragen damit auch schrittweise Verantwortung, indem Schulsachen, Kleidung etc. dann von den Jugendlichen selbst bezahlt werden müssen. Das fördert die Selbstständigkeit in einem Alter, in dem man noch intensiver im Austausch ist und gut begleiten kann.