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Jugendliche und Umgang mit Geld: "Kauf jetzt, zahl später"

Österreichs Jugendliche haben ein gravierendes Problem im Umgang mit Geld. Die Schuldnerberatungen bieten an Mittel- und Berufsschulen eine lebensnahe Ausbildung an: den Finanzführerschein.

Sich in Schulden zu stürzen, das geht heute über ein paar Klicks am Handy: Es locken Social-Media-Trends, Influencer und „Buy now, pay later“-Angebote.
Sich in Schulden zu stürzen, das geht heute über ein paar Klicks am Handy: Es locken Social-Media-Trends, Influencer und „Buy now, pay later“-Angebote.

Die Tiroler Sparkasse zitierte im Vorjahr die alarmierenden Ergebnisse einer großen Jugendstudie des Sozialunternehmens YEP in Zusammenarbeit mit der Erste Bank: Demnach hat jeder fünfte Jugendliche keinen Überblick über die eigenen Ausgaben. 17 Prozent haben Angst, geborgtes Geld nicht zurückzahlen zu können, und die Hälfte der Jugendlichen fühlt sich nicht auf die eigene Zukunft vorbereitet. 48 Prozent - mehr Mädchen als Burschen - geben an, sich kaum beim Thema Geld und Finanzen auszukennen. Karin Svoboda, Vorständin der Tiroler Sparkasse: "Als Stressfaktoren nennen die Jugendlichen vorwiegend die Inflation, dass es ihnen schwerfalle, Geld zu sparen, aber auch Zukunftsängste."

Die gesellschaftlichen und persönlichen Folgen sind schwerwiegend: 2023 stieg die Zahl der Privatinsolvenzen der unter 24-Jährigen laut dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) um 22 Prozent, bei jungen Frauen betrug der Anstieg gar 45 Prozent. In die private Pleite rutschen die Jungen laut AKV vor allem über Konsumschulden aus dem Onlineshopping. Sie verlieren den Überblick über Raten und Ausgaben, geraten in Zahlungsverzug. Das Risiko, Schulden zu machen, ist vor allem bei 19- bis 25-Jährigen groß, weiß man bei den Schuldnerberatungsstellen. Sich in Schulden zu stürzen, das geht heute über ein paar Klicks am Handy: Es locken Social-Media-Trends, Influencer und "Buy now, pay later"-Angebote.

Ein Moped oder Auto kaufen

Obwohl die heutigen Jungen meist mehr Geld zur Verfügung haben als frühere Generationen, gibt es an den Schulen keine profunde Finanzausbildung, kritisieren Experten. In diese Lücke stoßen die Schuldnerberatungsstellen und Schuldenhilfen quer durch Österreich mit dem Bildungstool "Finanzführerschein". In Salzburg werden die Workshops "Finanzführerschein beginner" für die vierten Klassen der Mittelschulen sowie "Finanzführerschein professional" für junge Berufstätige im zweiten Lehrjahr an Berufsschulen angeboten. In acht oder zehn Stunden geht es um eine lebensnahe Ausbildung zum Thema Finanzen, erklärt Inge Honisch von der Schuldenberatung Salzburg. "Wie kann ich mit meinem Geld gut umgehen, wie vermeide ich es, in eine Schuldenfalle zu tappen? Wir sind dabei sehr lebenspraktisch. Die Jugendlichen legen ein fiktives ‚erstes eigenes Konto' an, sie beschäftigen sich mit Fragen zu Konsum und Werbung, mit Verkaufstricks und Verkaufspsychologie vom Supermarkt bis zu Onlineangeboten."

Die Aufgaben beginnen bei kleineren Konsumausgaben und steigern sich zu den größeren finanziellen Alltagsanforderungen. So kauft man etwa ein Moped (stets fiktiv, aber realitätsnah) und schaut, welche Kosten auf einen zukommen. Das eigene Auto sei eher ein Thema bei männlichen Jugendlichen, so Honisch. "Wir reden dann über die Möglichkeiten der Finanzierung, wir schauen Leasing, Kredit oder Kauf an, betrachten Vor- und Nachteile. Die monatliche Rechnung umfasst auch Fragen wie Haftpflichtversicherung, Kaskoversicherung oder die Kosten für Benzin, Diesel und Strom."

Das erste eigene Einkommen

In der Berufsschule ist das erste eigene Einkommen der Lehrlinge ein Thema. "Da reden wir durchaus schon genauer über das eigene Konto. Was bedeutet ein Jugendkonto? Welche Gebühren oder Zinsen gibt es? Was ist ein Überziehungsrahmen? Welche monatlichen Fixkosten habe ich zu bewältigen?" Es gehe immer um "Kompetenz und Alltagspraxis, also Fragen wie: Welche Probleme kann ich kriegen, was muss ich tun, um keinen Stress auf dem Konto zu bekommen?", meint Honisch. So sei ein Kontorahmen von 2000 Euro ein durchaus brauchbares Instrument für Jugendliche und Lehrlinge, ebenso wie die gute alte Haushaltsrechnung mit Einnahmen und Ausgaben. Als NGO wolle man einen kritischen und selbstbewussten Umgang mit Konsumangeboten vermitteln. Wichtig sei ein kontrollierter Umgang mit Bankprodukten, der Überblick über die Finanzen, aber auch das Thema, welche Rechte man gegenüber Finanzdienstleistern habe.

Zu den (oftmals unterschätzten) finanziellen Lebensthemen gehören auch die zahllosen Produkte der Versicherungsindustrie und dabei die wichtigen Fragen, welche Versicherungen es (in welchem Lebensalter) braucht und wie man das Überversichertsein vermeidet.

Nicht jeder Kredit ist schlecht

Nicht jeglicher Kredit im Sinne von Schulden sei negativ, meint Expertin Honisch. "Eine Eigentumswohnung wird man ohne Kredit nicht finanzieren können. Diesen Schulden, die ich mit meinem Einkommen zurückzahlen kann, steht ein Wert gegenüber. Die Wirtschaft und die Banken leben davon." Tatsächlich würden nur weniger als ein Prozent der Kreditnehmer ausfallen. Honisch: "Aber wir vermitteln auch klar, dass ein kreditfinanzierter Autokauf keine gute Idee ist, insofern, als nach einem halben Jahr das Auto kaputt sein kann, der Kredit aber fertig bezahlt werden muss.

Das heißt, ich muss mir überlegen, wofür nehme ich einen Kredit auf, was kostet mich der Kredit, wie lang läuft er, was sind die Rückzahlungen?"

Umgang mit Geld mitunter "vererbt"

Zu den größten psychologischen Fallen gehört das Internet: Sehnsüchte werden sofort bedient, etwa mit dem Trick "Kauf jetzt, zahl später", weiß die Schuldnerberaterin. Auch der zinsfreie Kauf auf Raten sei ein (neueres) Angebot, dem manche nur schwer widerstehen könnten. "Es wird suggeriert, du kannst gemütlich abbezahlen, es kommen keine zusätzlichen Kosten auf dich zu, was auch stimmt. Was die Anbieter jedoch nicht offen kommunizieren, ist, dass sie dadurch zu immer weiteren Folgekäufen animieren wollen." Die Jugendlichen von heute seien mit einer komplett konträren Botschaft hinsichtlich Anschaffung und Wunsch konfrontiert. "Ältere Generationen haben noch gelernt ‚vorher ansparen, dann kaufen'. Jetzt ist es umgekehrt", so Honisch.

Die Schulden rund ums Handy haben sich indessen stark verändert. "Durch die billigen Tarife sehen wir kaum mehr, dass viele Schulden bei Handyanbietern entstehen. Durch den starken Wettbewerb gibt es mittlerweile Tarife von zehn, zwanzig Euro, die auch für Menschen finanzierbar sind, die wenig Einkommen haben." Die Jugendlichen seien inzwischen eher gefährdet, sich das jeweils neueste, teuerste Smartphone zu kaufen. "Dann ist der Tarif nicht mehr 20, sondern 70 bis 100 Euro, weil das Handy in Raten abbezahlt wird."

Ein sozialpsychologisches Phänomen ist, dass auch der Umgang mit Geld "vererbt" werden kann. Honisch, seit 29 Jahren in der Schuldnerberatung tätig, sagt: "Die Kinder lernen es von den Eltern. Ich habe nicht wenige Familien, wo ich die erste und die zweite Generation entschuldet habe." Das Taschengeld sei daher ein wichtiges Instrument, um den Umgang mit Geld zu lernen.