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Führung im Jobsharing: 1+1 ist mehr als 2

Immer weniger junge Menschen möchten Führungsverantwortung übernehmen - oft aus Unsicherheit oder Angst vor Überlastung. dm Österreich macht Führung mit Jobsharing wieder attraktiv.

Zwei Menschen teilen sich eine Führungsposition im Jobsharing und schaffen so Raum für neue Chancen. Gerade in Zeiten, in denen viele junge Mitarbeitende zögern, Verantwortung zu übernehmen, bietet dieses Modell eine lebenswerte Alternative.
Zwei Menschen teilen sich eine Führungsposition im Jobsharing und schaffen so Raum für neue Chancen. Gerade in Zeiten, in denen viele junge Mitarbeitende zögern, Verantwortung zu übernehmen, bietet dieses Modell eine lebenswerte Alternative.

Die Angst vor zu viel Verantwortung oder einer zu hohen Arbeitsbelastung, manchmal auch Selbstzweifel. Fest steht, die Gründe sind vielfältig, warum junge Menschen immer weniger bereit sind, Führungsverantwortung zu übernehmen. Was aber, wenn sich zwei Personen eine Führungsposition im Jobsharing teilen?

Bei dm Österreich fand sich das erste Jobsharing-Tandem vor neun Jahren - und das eher zufällig: "Eine Filialleiterin ging in Pension, ihre Nachfolgerin fühlte sich noch nicht bereit, die Rolle allein auszufüllen", erinnert sich Manuela Fuchshofer, die den Bereich Diversity & Inklusion bei dm leitet. Kurzerhand arbeiteten beide zwei Jahre gemeinsam als Filialleiterinnen. "Die Jüngere profitierte von der Erfahrung der Älteren und konnte so gesund in die Rolle hineinwachsen." Fuchshofer wusste schon damals, dass das bei dm großes Potenzial hat: "Wir haben einen Frauenanteil von 94 Prozent. Zwei Drittel unserer Mitarbeitenden arbeiten in Teilzeit. Karenz, Betreuungspflichten und Altersteilzeit sind einfach ein Thema."

"Alles wird geteilt, Erfolge wie Herausforderungen. Das entlastet."
Manuela Fuchshofer
Leiterin Diversity & Inklusion bei dm

2023 ist es so weit, Jobsharing wird erstmals als Pilotprojekt im gesamten Unternehmen eingeführt. Aus den ursprünglich drei geplanten Tandems werden schnell elf in ganz Österreich. "Wir haben gespürt, dass es einen riesigen Bedarf gibt. Junge Mitarbeiterinnen, die aus der Karenz zurückkamen, wollten nicht mehr Vollzeit arbeiten. Gleichzeitig wuchs bei den Älteren der Wunsch nach Altersteilzeit. Jobsharing ist für uns also eine attraktive Lösung."

Fuchshofer berichtet von einer dm-Filiale in Wörgl: Als die Filialleiterin in Karenz ging, wurde eine Kollegin gefragt, ob sie die letzten zwei Jahre vor ihrer Pension die Filialleitung übernehmen möchte. Für die Kollegin war klar: nur mit jemandem gemeinsam! So ergab sich dort ein Jobtandem mit einer weiteren, jüngeren Kollegin, die in Teilzeit arbeitet. Durch das Jobsharing bekam sie die Chance auf eine Führungsrolle, die sie sonst wahrscheinlich nicht ergriffen hätte. "Eine Win-win-Situation für beide Seiten", resümiert Fuchshofer.

Ist Jobsharing das Gleiche wie Jobsplitting?

Und ist das Ergebnis nicht ähnlich, wenn man als Filialleitung eine Stellvertretung hat? Manuela Fuchshofer erklärt den Unterschied: "Stellvertretungen haben oft andere Aufgaben und weniger Entscheidungsbefugnis. Beim Jobsplitting ist eine Person für den einen Bereich, die andere für den anderen zuständig. Im Jobsharing hingegen agieren beide gleichberechtigt: Die Partnerinnen und Partner tragen gemeinsam die Verantwortung für alle Aufgaben."

Nicht allein die Verantwortung tragen

Gerade Frauen tendieren ohnehin dazu, sich ständig Gedanken und Sorgen zu machen, Stichwort Mental Load. "Wir hören von Jobsharern, dass sie erstmals wirklich im Urlaub abschalten können, ohne dass die Gedanken um die Arbeit kreisen." Jobsharing ermöglicht eine neue Form des Zusammenarbeitens, weil Austausch und Sparring auf einem höheren Niveau stattfinden: "Alles wird geteilt, Erfolge wie Herausforderungen. Das entlastet die Führung insgesamt."

Was es für ein erfolgreiches Tandem allerdings braucht, sind klare Regeln. Eine ausgiebige Vorbereitung sei daher enorm wichtig. Gemeinsame Gespräche über Arbeitszeiten, Stärken und Werte stünden bei dm am Programm: "Wie will das Tandem zusammenarbeiten? Welche Entscheidungen können allein getroffen werden? Welche Entscheidungen treffen sie nur gemeinsam?" Klarheit hilft hier nicht nur dem Tandem, sondern auch den Mitarbeitenden, die vom Tandem geführt werden. Sie sollen nicht überlegen müssen, zu wem sie mit ihrem Anliegen gehen. Genauso werden verschiedene Konfliktszenarien durchgespielt, etwa der bekannte "Mama-Papa-Effekt", den Eltern von ihren Kindern kennen: "Wir wollen nicht, dass Mitarbeitende sich an die andere Führungskraft wenden, nur weil die eine etwas nicht gutheißt." Im laufenden Betrieb wird das Tandem bei dm auch laufend von einem externen Coach begleitet.

Ist Jobsharing für alle geeignet?

Dass Jobsharing sich nicht immer für alle eignet, hat Fuchshofer in den vergangenen Jahren gesehen. Etwa dann, wenn die geteilte Verantwortung vielleicht trotzdem zu viel wird. Durch eine automatische Befristung ist es möglich, die Konstellationen unkompliziert für beide Seiten aufzulösen. Andere Tandems arbeiten hingegen so symbiotisch miteinander, dass das Individuum fast verloren zu gehen droht. "Hier lenken wir mit Bewusstseinsbildung, Coaching und Schulungen ein", so Fuchshofer.

Auch interessant: Die Nachfrage nach Jobsharing in den dm-Filialen sei hoch, in der Zentrale ist aber erst das dritte Tandem in den Startlöchern. Fuchshofer führt das auf unterschiedliche Rahmenbedingungen zurück: "In den Filialen haben wir Öffnungszeiten von bis zu 60 Stunden pro Woche. Gleichzeitig gibt es in den Filialen viele standardisierte Arbeitsabläufe, in der Zentrale arbeiten wir doch eher sehr projektbezogen. Die Leute stellen sich die Arbeitsteilung und den Abstimmungsaufwand schwieriger vor." Damit das Teilen einer Rolle klappt, sei eines unerlässlich, bekräftigt Fuchshofer: "Wichtig ist, dass die Geschäftsführung voll und ganz hinter dem Thema Jobsharing steht."