"Das Dienen hat Vorrang." Davon ist der Salzburger Afrikanist und PR-Berater Martin Sturmer überzeugt - vor allem, wenn es um die Führung von Mitarbeitenden geht. Servant Leadership ist für ihn der Begriff der Stunde für gelungene Führung in Unternehmen. Neu ist das Prinzip keineswegs. Nelson Mandela ist Martin Sturmers großes Vorbild. Der Freiheitskämpfer, Anti-Apartheid-Aktivist und erste demokratisch gewählte Präsident Südafrikas (1994 bis 1999) verkörperte den dienenden Gedanken wie kaum ein anderer. Statt Macht auszuspielen, setzte er auf Demut, Dialog und das Wohl seines Volkes. Während und nach seiner Gefangenschaft zeigte er, dass wahre Führung nicht durch Autorität, sondern durch Menschlichkeit entsteht. Er hörte zu, vergab und baute Brücken - selbst zu früheren Gegnern. Sturmer betont, was Mandela deutlich gemacht hat: "Wer dient, inspiriert andere, selbst Verantwortung zu übernehmen. Ein Prinzip, das weit über die Politik hinaus in moderne Unternehmen passt."
Servant Leadership fördert motivierte Teams
Die Idee von Servant Leadership lässt sich etwa so zusammenfassen: Wer andere unterstützt, sie fördert und ihnen den Rücken freihält, schafft ein Umfeld, in dem Menschen motiviert arbeiten und ihr volles Potenzial entfalten können. Statt strikter Hierarchien setzt man auf Zuhören, Empathie und Vertrauen. Führungskräfte sind dabei weniger Chefinnen oder Chefs im klassischen Sinne, sondern Coaches, Mentorinnen, Möglichmacher. Der Vorteil? Teams sind oft engagierter, kreativer und eigenständiger - was sich langfristig auch wirtschaftlich auszahlt. Doch Servant Leadership braucht Zeit. Wer sich nur auf schnelle Entscheidungen und Kontrolle verlässt, wird mit diesem Prinzip wohl schnell ungeduldig.
Mitarbeiter sollen Potenziale entfalten können
In Martin Sturmers Einführungskurs, den er Ende vergangenen Jahres für das Institut für Management (IfM) in Salzburg gehalten hat, saß auch Martin Panosch, Landesdirektor der Wiener Städtischen Versicherung in Salzburg. Doch er nahm nicht allein teil, er hatte zwei seiner Führungskräfte motiviert, sich den dienenden Führungsstil genauer anzusehen. "Lange Jahre hat Führung bedeutet, mit Macht und Kontrolle zu arbeiten. Für mich ist diese Zeit völlig vorbei", sagt Panosch. Er will, dass seine Mitarbeitenden ihre Potenziale entfalten können. "An Servant Leadership gefällt mir die Rolle, das Team zu fördern und den Sinn in seinem Tun aufzuzeigen. Denn das Allerwichtigste ist heute das Sinnstiftende." Für Panosch ist klar, dass Führung 2025 nicht mehr funktionieren kann wie noch vor 20 Jahren. Gerade junge Leute wollen mit anderen zusammenarbeiten und Möglichkeiten zur Entfaltung bekommen. "Wer nicht zumindest manche Elemente des Servant Leadership in seinen Führungsstil integriert, wird Talente auf dem Markt nicht mehr bekommen und langfristig keinen Erfolg haben."
Management-Studie enthüllt Führungsfehler
Dass es an der Spitze von Unternehmen ganz anders zugehen kann, beleuchtet Leadership-Experte Günter Stahl von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Er hat das Topmanagement von sechs Unternehmen mit Forschungspartnern unter die Lupe genommen und erklärt, warum fünf dieser sechs Führungskräfte Verfehlungen bis hin zum Machtmissbrauch zeigen. Fehlende ethische Strukturen oder unethische Anreizsysteme sowie starker Druck, sich anpassen zu müssen, könnten ihr Fehlverhalten begünstigt haben. "In allen Unternehmen fanden wir starken Konformitätsdruck auf Topmanagement-Ebene, der zu einigen der negativen Verhaltensanpassungen führte", sagt Stahl. Die meisten Führungskräfte seien weder Heilige noch Betrüger, aber bestimmte Persönlichkeitsmerkmale in Kombination mit einer dysfunktionalen Organisationskultur könnten toxisches oder unethisches Verhalten begünstigen, argumentiert er. Daher ist es laut Stahl auch so wichtig, sowohl den eigenen als auch den Unternehmensfokus auf die "helle Seite" von Leadership zu legen - denn auch sie könne durch Anreizsysteme und kulturelle wie formelle Normen im Unternehmen aktiv gefördert werden.
Studienreise in die Schweiz
Indes macht sich eine Gruppe aus Salzburg Anfang Mai auf den Weg, um tiefer in Servant Leadership einzutauchen - und zwar mit einer Studienreise in die Schweiz. IfM-Geschäftsführer und Organisator Wolfgang Reiger sagt: "In seiner Wahlheimat, dem Tessin, hat Schriftsteller Hermann Hesse von der wunderschönen Landschaft beeinflusst seine Schlüsselwerke verfasst und mehr als 40 Jahre gelebt. Auch seine Erzählung ,Die Morgenlandfahrt' ist hier entstanden. Darin beschreibt Hesse die Reise des ,Bundes vom Hohlen Stuhl' in ein geistiges Morgenland. Die zentrale Figur ist der Diener und Lastenträger Leo, der sich letztendlich als der eigentliche Anführer der Gruppe herausstellt. Als Leo nämlich plötzlich verschwindet, ist die Morgenlandfahrt zum Scheitern verurteilt." Mit auf Reisen ist auch Martin Sturmer als Servant-Leadership-Experte. Er ergänzt: "Der US-amerikanische Führungsexperte Robert K. Greenleaf hat das Konzept zu diesem dienenden Führungsstil entwickelt, nachdem er ,Die Morgenlandfahrt' gelesen hatte." Die beiden freuen sich auf neugierige Teilnehmende mit Führungsverantwortung und neues Führungswissen für die Gruppe.