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Gelebte Unternehmenswerte: Der Schlüssel zu einer starken Unternehmenskultur

Von wegen altmodisch: Werte sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Unternehmenskultur - wenn sie denn gelebt werden, erklärt Unternehmensberaterin Elisabeth Hauser.

Werte statt Worte.
Werte statt Worte.

Elisabeth Hauser war vor ihrer Pensionierung Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf und dort gemeinsam mit zwei Kolleginnen für mehr als 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Heute coacht sie Führungskräfte. Im Interview verrät sie, wie gelebte Werte die (Zusammen-)Arbeit erleichtern und welche fatalen Auswirkungen es hat, wenn Unternehmenswerte nur auf dem Papier existieren.

Warum zahlt es sich aus zu wissen, nach welchen Werten Kollegen handeln? Elisabeth Hauser: Wenn ich die Werte der anderen kenne, gibt mir das Orientierung und Sicherheit, weil ich weiß, worauf ich bauen kann.

Was passiert, wenn sehr unterschiedliche Typen aufeinandertreffen? Hauser: Da ist es von Vorteil, wenn das Unternehmen den Wert der Diversität pflegt und auch den der Transparenz, also die Dinge nicht einfach geschehen lässt, sondern auf den Tisch legt: Wenn es tatsächlich grundlegende Unterschiede gibt, sollte man das im Team sichtbar machen und mit den Vorgesetzten eine Annäherung finden.

"Werte sind Leitplanken für das Handeln."
Elisabeth Hauser
Coach für Führungskräfte

Wie wirken sich klare Werte auf die Unternehmenskultur aus? Hauser: Ausschließlich positiv. Werte sind Leitplanken für das Handeln. Sie stärken nach innen und außen. Wird die grundsätzliche Ausrichtung verstanden, gibt das Leichtigkeit im Handeln und Entscheiden, weil klar ist, wohin der Weg geht. Das erspart viel Arbeit im Management und im Leadership, weil man nicht jedes Mal neu diskutieren muss. Werte sind außerdem die Grundlage für strategische Entscheidungen und der Leitfaden für Prioritäten.

Gibt es Werte, die jedem Unternehmen gut zu Gesicht stehen? Hauser: Die gibt es, auch wenn sie sich mit dem gesellschaftlichen Wandel verändern. In den vergangenen Jahren haben sich etwa folgende Werte als unabdingbar für Unternehmen, die als relevant und glaubwürdig gelten wollen, herauskristallisiert: Integrität, Transparenz, Mitarbeiterorientierung und soziale Verantwortung. Es wird erwartet, dass Unternehmen proaktiv kommunizieren, wenn Fehler passieren, dass sie zu diesen stehen und Wege zur Klärung finden. Das heißt nicht, dass alle auf Wolken schweben - mit Ethik und Fairness gehen beinharte operative Agenden einher: Eskalationsleitfäden, Kommunikationskultur. Zudem braucht es Innovation und Anpassungsfähigkeit. Mit den heutigen technologischen und demografischen Herausforderungen ist das Bewahren des Altbewährten ein Risiko.

Wie definieren Unternehmen ihre Werte überhaupt? Dürfen Mitarbeiter in diesem Prozess mitreden? Hauser: Es gibt klare Führungsinstrumente, um Werte zu vergemeinschaften. Das grundlegendste ist ein Leitbildprozess. Dieser wird am besten von extern begleitet und kann niemals top-down implementiert werden, sonst landet er in der Schublade. Man startet sehr, sehr offen, damit die Mitarbeitenden sich einbringen können, und verdichtet dann immer mehr. Wesentlich ist die Kommunikation: Auch wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, müssen die Werte immer wieder - auch auf der Metaebene - thematisiert werden, verstanden werden und sich in der täglichen Arbeit widerspiegeln.

Studien belegen, dass es, wenn es um Kulturentwicklung geht, immer sogenannte Frontrunner braucht. Hauser: Wenn ein Unternehmen 2000 Mitarbeitende hat, ist klar, dass man nicht alle anhören kann, sondern definieren muss, wer Teil des Leitbildprozesses ist. Ich habe mich dabei vom Terminus Schlüsselkräfte verabschiedet, weil er suggeriert, dass sie auf einer besonderen Mission sind und man ihnen zu viel Verantwortung aufbürdet. Dabei sein sollten verschiedene Bereiche, Generationen, Hierarchieebenen, Geschlechter. Die Leute werden also nach objektivierten Kriterien ausgewählt. Mitbringen müssen sie außerdem die Lust am Kreativ-Mitdenken. Manch einer fühlt sich da übergangen. Da braucht es klare Kommunikation vonseiten der Führungsebene, wer warum dabei ist.

Was passiert, wenn die Werte, die ein Unternehmen kolportiert, nicht mit den gelebten übereinstimmen? Hauser: Werte sind eine Art Verfassung, der sich ein Unternehmen verschreibt. Wenn diese nicht gelebt werden, entsteht ein Zielkonflikt auf kultureller Ebene, der fatale Auswirkungen hat - nach innen und außen. Die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Führungskraft und des gesamten Unternehmens bleiben auf der Strecke.

Wie sorgt man dafür, dass Werte nicht nur auf dem Papier stehen? Hauser: Zunächst einmal haben Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Wenn das kommunikative Miteinander funktioniert, können sie auch das immer wieder benennen. Werte zu sichern ist zudem Teil des Recruitings. Man kann etwa schon im Bewerbungsprozess durch Rollenspiele austesten, wie jemand mit Konflikten umgeht und ob etwa der Wert der Fairness tatsächlich gelebt wird. Dazu müssen Personalverantwortliche entsprechend geschult werden.

GASTKOMMENTAR von Gerhard Furtmüller
GASTKOMMENTAR von Gerhard Furtmüller

Werte sichtbar machen

Die Gegenwart ist von multiplen Krisen geprägt: Millennials mit einem veränderten Weltbild, für die die Work-Life-Balance von grundlegender Bedeutung ist, der Rückgang der Wirtschaft in einzelnen Teilbereichen wie in der Baubranche oder die hohen Zinsen sind nur einige davon. Die Unternehmen sind gefordert. Das belegen die vielschichtigen Aktivitäten der Führungskräfte, die damit beschäftigt sind, einzelne Brandherde zu löschen, um eine prosperierende Basis für die Zukunft zu legen. Sie leisten damit gute Arbeit, weil nach der Talsohle lichtere Höhen folgen werden.

Zugleich kann die Forderung der Führungskräfte aufgrund der vielfältigen Krisen leicht zu einer Überforderung werden. Und das Problem der veränderten Werte in der Mitarbeiterführung wird bestehen bleiben, weil Millennials ein anderes Empfinden für Wichtigkeiten haben. Sie fragen und sie hinterfragen ihre Tätigkeiten - und sie können die ureigensten Aufgaben der Unternehmen nicht (immer) verstehen. Denn diese werden durch die Vielfalt an operativen Aufgaben "verschüttet". Das Warum ist nicht mehr sichtbar. Daher ist Missverstehen die Folge.

Eine misslungene Kommunikation, in der Führungskräfte davon überzeugt sind, offen zu kommunizieren, führt zu unzufriedenen Beschäftigten, was sich in Mitarbeiterumfragen und in der Fluktuation äußert. Die Unzufriedenheit ist auch aufseiten der Führungskräfte spürbar: Sie geben ihr Bestes und werden trotzdem nicht verstanden.

Wesentlich ist daher, die verschütteten Werte wieder sichtbar zu machen. So kann das Zusammenspiel der Generationen gelingen und - wie meine Erfahrung in der Führungskräftearbeit zeigt - organisationale Wirksamkeit erreicht werden.

Gerhard Furtmüller ist Experte für Führungskräfteentwicklung. Er lehrt an der WU Wien sowie an der Universität Salzburg.