Was treibt einen Menschen an, der 34 Mal dieselbe Skipiste hinaufgeht und hinunterfährt? Und warum ausgerechnet auf der Königslehen-Piste in Radstadt? Jakob Herrmann lacht und sagt: "Es war schon ein bisschen wie Fremdgehen." Als Werfenwenger hätte er seinen Weltrekord im Skibergsteigen freilich lieber im Heimatort aufgestellt, aber die Piste in Radstadt bot gute Voraussetzungen. Und weil er die Strecke nicht sehr gut kannte, blieb Zeit zum Schauen. Jakob Herrmann liebt die Natur, bis auf Schlangen. So ging er am 28. Jänner des Vorjahres an den Start, um mit seinen Tourenski in 24 Stunden 86,7 Kilometer und 24.242 Höhenmeter zu absolvieren. Weil ihm das in seiner sportlichen Karriere noch gefehlt hat.
Sportarten jenseits des Mainstreams
Das Bild des Spitzensportlers, das man gemeinhin im Kopf hat, wirft Jakob Herrmann über den Haufen. Im Café sitzt keine egogetriebene Kraftmaschine, sondern ein besonnener bald 38-Jähriger, an dessen Beine sich eine junge Mischlingshündin schmiegt. Sie heißt Lotte, er hat sie gerade aus einem Tierheim geholt. Jakob Herrmann ist ein leiser Mann, der in seinen Erzählungen stets jene Personen erwähnt, die ihn auf dem Weg nach oben unterstützt haben.
Seine sportliche Karriere, die er nie richtig geplant hatte, begann im Alter von 14 Jahren in der Disziplin Paragleiten. Mit den Eltern war er schon als Bub auf den Skipisten unterwegs, tagsüber oder nachts bei Vollmond, daran hat er schöne Erinnerungen. "Eigentlich war ich mein ganzes Leben viel allein in den Bergen, und das stundenlang", sagt der Sportler. Der Reiz, Sport jenseits der Pisten und des Mainstreams zu betreiben, zeigte sich früh, seine große Stärke lag beim Ausdauersport. Als er bei seiner ersten Mountain Attack in Saalbach Hinterglemm, dem ersten großen Sportevent im Skibergsteigen, mitmachte, stand auch das als seine neue sportliche Disziplin fest.
Doch zuvor galt es, einen Beruf zu erlernen. Er absolvierte die Tourismusfachschule Hofgastein und arbeitete anschließend in einem Hotel. Der Sport hatte nebenher Platz. Dann kam ein Richtungswechsel. An der Pädagogischen Hochschule ließ er sich zum Mathematik- und Hauswirtschaftslehrer ausbilden und unterrichtete an der Mittelschule Bad Vigaun, mit recht großer Begeisterung, wie er betont. "Für mich war wichtig, dass es in der Schule nicht nur darum gehen sollte, den Kindern am Ende des Tages viel beigebracht zu haben. Sondern dass es genauso schön sein kann, miteinander Spaß zu haben, damit sich die Kinder später gern an ihre Schulzeit erinnern."
Der erste Skibergsteiger im Leistungskader
Doch langfristig ließ sich der Lehrerjob nicht mit seinem Sport vereinbaren, der im Winter stattfindet. Er kündigte und erhielt wenige Tage später einen Anruf vom Bundesheer, er werde als erster Skibergsteiger in den Leistungskader aufgenommen. Von 2018 bis 2022 verbrachte Jakob Herrmann seine Zeit im Leistungssportzentrum Rif als Berufssoldat. Zur Wende kam es, nachdem Skibergsteigen olympisch wurde, der Sprint an Bedeutung gewann und die Rennen immer kürzer wurden. Herrmanns große Fähigkeit lag aber darin, ausdauernd Höchstleistungen zu erbringen. So kam die Entscheidung, beim ÖSV auszusteigen und sich auf neue Projekte zu konzentrieren.