SN.AT / Leben / Karriere

Kann, soll, darf KI "die Arbeit machen"?

Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Wie sie in heimischen Kreativagenturen eingesetzt wird, wo die Grenzen von KI-Chatbots liegen, in welchen Bereichen der Mensch unersetzlich bleibt und was KI überhaupt darf, erklären Expert:innen aus der Agenturlandschaft und der Rechtswissenschaft.

Experten betonen die Notwendigkeit von Schulungen, um die Kompetenzen der Mitarbeiter im Umgang mit KI zu erweitern.
Experten betonen die Notwendigkeit von Schulungen, um die Kompetenzen der Mitarbeiter im Umgang mit KI zu erweitern.

Die KI, im Speziellen Chatbots wie ChatGPT von OpenAI oder Gemini von Google und Copilot von Microsoft, ist seit Ende 2022 in aller Munde und hat sich in unserem Alltag etabliert. Heute setzen die Menschen weltweit Chatbots auch in der Arbeitswelt ein, laut Studien allem voran, um Informationen zu recherchieren, Texte zu verfassen und sich Ratschläge einzuholen.

KI steigert Effizienz in Agenturen

Auch Ines Eschbacher, Managing Director der Salzburger Digitalagentur valantic Austria, bestätigt den Einsatz von KI als Tool, um die Effizienz zu steigern. "Wir arbeiten täglich mit LLMs (Large Language Models, Anm. d. Red.) wie ChatGPT, Copilot, Midjourney oder Runway - nicht nur im Marketing, sondern auch in UX, Development, Data und Consulting. KI hilft uns, erste Ideen schneller zu konkretisieren, Varianten zu testen oder automatisiert Code zu generieren." Eschbacher betont aber, dass diese neuen Werkzeuge lediglich Assistenten sind, keine Entscheidungen treffen und die Verantwortung immer bei den menschlichen Kollegen liegt.

"Was früher schwierig war, ist heute Standard, und was früher unmöglich erschien, ist nun durchwegs machbar."
Michael John
LOOP

Ähnlich sieht es Michael John, CEO der Digitalagentur LOOP, der sogar sagt, dass KI-Chatbots mittlerweile gar nicht mehr wegzudenken seien. Der Einsatz von KI habe die Branche verändert und den Qualitätsanspruch erhöht, denn "was früher schwierig war, ist heute Standard, und was früher unmöglich erschien, ist nun durchwegs machbar", so John. Der Einsatz von Chatbots lasse "Routinejobs" verschwinden. Dadurch könnten sich die Mitarbeiter:innen jedoch auf das Wesentliche wie Strategie, Kreativität und "Cultural Relevance" konzentrieren. Doch auch John sieht Herausforderungen - vor allem darin, Grenzen zu ziehen, die Wichtigkeit menschlicher Kreativität zu erhalten und den Stil der Agentur zu schärfen, anstatt zu verwässern.

"Die Grenzen der KI liegen immer dort, wo Empathie, Intuition, Werte und komplexes Kontext- verständnis gefragt sind."
Ines Eschbacher
valantic Austria

Für Ines Eschbacher ist KI definitiv nicht unfehlbar, kann sich nicht in Nutzerbedürfnisse einfühlen, strategische Entscheidungen treffen oder Beziehungen aufbauen. Sie sagt, die Grenzen der KI liegen "immer dort, wo Empathie, Intuition, Werte und komplexes Kontextverständnis gefragt sind". Michael John denkt, dass die KI vor allem hinsichtlich Geschmack und Stil scheitert. Um den Output der Arbeit einzigartig zu gestalten, bedürfe es des persönlichen und unverwechselbaren Stils einer kreativen Person.

KI-Schulungen fördern technisches Verständnis

Florian Madner, Universitätsassistent am Institut für digitale Transformation und künstliche Intelligenz der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien und Berlin, sieht die Risiken des KI-Einsatzes vor allem darin, dass die Nutzer zu wenig technisches und rechtliches Grundverständnis für KI haben. Er plädiert für "mehr Schulungen, um Mitarbeiter:innen auf die Funktionsweisen und Einschränkungen der Chatbots aufmerksam zu machen". Außerdem denkt er, dass sich die Unterstützung von KI bei der Arbeit je nach Branche in unterschiedlichem Ausmaß auswirken wird. In der Kommunikation und Werbung sieht er Möglichkeiten, um sich Wettbewerbsvorteile durch die Nutzung von KI zu verschaffen, jedoch nur solange die KI rechtlich und ethisch vertretbar eingesetzt wird.

Datenschutzanforderungen beim KI-Einsatz beachten

Rechtswissenschafter Madner erinnert daran, dass auch bei jedem KI-Einsatz die Bestimmungen des Datenschutzrechts eingehalten werden müssen. Wenn nun etwa Kundendaten mittels KI-Chatbots verwertet werden, gilt trotzdem die Datenschutz-Grundverordnung, die bestimmt, wann und wie personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Außerdem stellen sich Haftungsfragen, wenn Mitarbeiter:innen fehlerhafte Infos publizieren und dadurch Schadensfälle entstehen.

Rechtlich noch viele Unklarheiten beim Thema KI

Rechtlich gesehen bestehen in diesem Bereich noch viele Unklarheiten und Urteile hängen immer vom Einzelfall ab, meint der Experte. Doch bereits jetzt würden hier die Regelungen des Zivilrechts schlagend und Mitarbeiter:innen und Unternehmen seien unter Umständen sehr wohl haftbar. Zusätzlich seien aufgrund des AI Acts der EU in Kürze Transparenzpflichten zu berücksichtigen, bei denen der Einsatz von generativer KI etwa für die Erstellung von Deepfakes offengelegt werden muss. Deepfakes bezeichnen durch KI generierte Bilder oder Videos, die Täuschungspotenzial haben und daher den Betrachtern als echt erscheinen können. Weiters stellten sich auch Fragen das Urheberrecht betreffend, wenn KI eingesetzt wird, um Texte, Bilder und Videos generieren zu lassen. "Rechtlich gesehen kann ein Chatbot selbst nicht Urheber eines Werks sein, weil er nicht dazu in der Lage ist, eine geistige Schöpfung zu schaffen - und daher ist solch ein Werk auch nicht urheberrechtlich geschützt." Abseits der rechtlichen Grundlagen plädiert auch Florian Madner dafür, dass KI den Menschen unterstützen solle, weil sie ein "technisches Hilfsmittel" ist, welches die Kreativität beflügeln kann - aber den Menschen nicht ersetzen sollte.