SN.AT / Leben / Karriere

Mitarbeiterbindung im Familienbetrieb: Woerle zeigt, wie es geht

Individuelle Entwicklung, flexible Karrieren, Wertschätzung: Für das Familienunternehmen Woerle Schlüssel gegen die Fluktuation, erklärt Personalleiterin Denise Greilinger.

Denise Greilinger, Personalleiterin: „Danke zu sagen, ist uns ein echtes Anliegen.“
Denise Greilinger, Personalleiterin: „Danke zu sagen, ist uns ein echtes Anliegen.“

Frau Greilinger, in Zeiten, in denen jeder zweite Mitarbeiter über einen Jobwechsel nachdenkt, haben Sie Beschäftigte, die seit Jahrzehnten an Bord sind. Wie gelingt das? Denise Greilinger: Jeder fünfte unserer Mitarbeiter ist schon mehr als 20 Jahre im Unternehmen. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir ein Familienbetrieb sind - in vielerlei Hinsicht. Die Familie Woerle führt das Unternehmen in der fünften Generation und auch in unserer Belegschaft arbeiten oft mehrere Generationen aus derselben Familie zusammen. Viele Kinder wachsen mit einem engen Bezug zur Firma auf und entscheiden sich bewusst dafür, selbst einzusteigen. Dazu kommen langjährige Partnerschaften mit unseren Zulieferbauern, von denen manche sogar zusätzlich bei uns arbeiten. Dieses Miteinander, geprägt von Wertschätzung und unserer gemeinsamen Leidenschaft für Käse, ist die Basis unseres Erfolgs.

Wenn Familienmitglieder in derselben Firma arbeiten, kann das Nähe, aber auch Konflikte bringen. Wie geht man als Personalleiterin mit solchen Dynamiken um? Dort wo Menschen zusammenkommen, entsteht Beziehung, und da gibt es natürlich auch manchmal Themen, die angesprochen werden müssen. Aber da haben wir eine offene Kultur und ein gutes Miteinander.

Ein weiteres Kennzeichen ist die kulturelle Vielfalt im Unternehmen. Was braucht es, damit die Zusammenarbeit zwischen 28 Nationen gelingt? Auch da hilft der wertschätzende, offene Umgang miteinander. Am Tag des Fastenbrechens etwa haben die muslimisch-gläubigen Frauen einfach ihre Fastenbrech-Speise mitgebracht und diese mit den anderen in der Kantine geteilt. So nett, wie da alle miteinander gesessen sind.

Welche Maßnahmen setzen Sie, um den Zusammenhalt zu stärken? Danke zu sagen, ist uns ein echtes Anliegen: Deshalb ehren wir Mitarbeiter ab fünf Jahren Betriebszugehörigkeit mit Urkunden, Geschenken und einer Gratulation durch die Geschäftsführung. Allein heuer waren es 64 Jubilare. Wesentlich ist für uns außerdem, Begegnungen zu schaffen: ob bei "Gemeinsam G'sund"-Kursen, beim Laufen mit den Kollegen oder bei besonderen Ereignissen. Da treffen Menschen aus dem Büro auf Menschen aus der Produktion, lernen einander kennen und es entsteht Zusammenhalt. Ein schönes Beispiel aus unserer Unternehmensgeschichte: Als Gerhard Woerle, der Senior, es 2018 geschafft hat, den Grundstein für die Standorterweiterung zu legen, sind wir mit 200 Mitarbeitern und Bauern gemeinsam nach Maria Plain gepilgert. Unterwegs haben wir Halt bei unseren Zuliefererhöfen gemacht, um diesen Meilenstein gemeinsam zu feiern und Danke zu sagen.

Welche Rolle spielen Benefits in der Mitarbeiterbindung? Da steht bei uns das Gesundheitsmanagement ganz klar an erster Stelle. Wir sind bereits zum zweiten Mal mit dem BGF-Gütesiegel ausgezeichnet, was zeigt, dass unser Engagement für die Gesundheit kein Zufall, sondern Strategie ist. Im Unternehmen bieten wir unseren Mitarbeitenden bei akuten Bedürfnissen Behandlungen an - besonders wichtig bei der körperlich anspruchsvollen Arbeit in der Produktion. Dazu gehören Massagen, Bewegungs- und Yogaangebote, die das Unternehmen unterstützt, sowie ein Fitnessstudio-Zuschuss. Darüber hinaus entwickeln wir kontinuierlich neue Angebote, orientieren uns an den Wünschen unserer Mitarbeitenden und führen regelmäßig Befragungen durch, um herauszufinden, was ihnen wichtig ist. So versuchen wir, Maßnahmen genau da einzubringen, wo sie den größten Nutzen haben.

Woerle steht für Tradition, Regionalität, Innovation und Nachhaltigkeit. Wie sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Werte keine Worthülsen bleiben? Unsere Unternehmenswerte sind Vertrauen, Respekt, Mut und Leidenschaft. Und die spiegeln sich in unserem Handeln wider. Mut bedeutet für uns, neue Wege zu gehen. So hat Gerrit Woerle in der fünften Generation das Thema Nachhaltigkeit stark geprägt und vorangetrieben - immer mit der Leidenschaft für besten Käse, aber mit Verantwortung für Natur, Mensch und Tier. Ganz konkret unterstützen wir unsere Bauern finanziell bei CO₂-Einsparmaßnahmen und bieten Praxiswerkstätten an, in denen wir Wissen und Ausbildung gerade auch für nachhaltige Landwirtschaft fördern. Ein weiteres Beispiel sind unsere Lebensräume für Artenvielfalt: Biodiversitätsflächen in der Region. Bis 2030 wollen wir 5000 davon einrichten, um die Artenvielfalt nachhaltig zu sichern.

Eine junge Mitarbeiterin arbeitet Teilzeit, weil sie parallel den Hof der Eltern übernimmt. Spüren Sie generell, dass heute stärker auf flexible Modelle gepocht wird? Es ist wohl gerade für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Branche, ein Thema, dass Generationen nachkommen, die andere Bedürfnisse haben als noch die Babyboomer. Natürlich erfordert unsere Käseproduktion fixe Schichtmodelle, gleichzeitig bieten wir viele unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, ob für Elternteilzeitler oder Mitarbeiter, die zusätzlich ihren Bauernhof betreiben. Da versuchen wir, unsere Handschlagqualität wirklich zu leben.

Nicht jeder will Chef oder Chefin werden. Wie schaffen Sie es, Menschen Entwicklung zu bieten, ohne eine Karriere im klassischen Sinn? Bei uns steht die individuelle Begleitung jedes Einzelnen im Mittelpunkt. Egal ob Lehrling, Quereinsteiger oder langjähriger Mitarbeiter: Wir unterstützen dort, wo jemand gerade steht, und begleiten die Entwicklung von der Persönlichkeitsentfaltung bis hin zu Fachausbildungen oder Führungsaufgaben. "Geht nicht, gibt's nicht" gilt vor allem bei der Lehre: Man kann bei uns jederzeit und in jedem Alter beginnen, wenn das Interesse da ist. So entstehen vielfältige Chancen und Karrieren. Die Möglichkeiten zur Veränderung und Weiterentwicklung sind ein wesentlicher Teil unseres Erfolgs: Knapp 50 unserer ehemaligen Lehrlinge sind heute immer noch im Unternehmen.

Welche Herausforderungen müssen Unternehmen künftig bewältigen, wenn es um Personalagenden geht? Dass der Arbeitsmarkt nicht immer bietet, was man gerade sucht, ist keine Überraschung. Und eben auch der Generationenwandel, der Geburtenrückgang. Die Herausforderung ist hier, kreativ zu denken: Ein Lehrling muss nicht immer ein 15-, 16-Jähriger sein, es kann genauso gut ein Quereinsteiger sein. Oft hilft es auch, den Blick nach innen zu richten und die eigenen Mitarbeiter dort zu entwickeln, wo ihre Potenziale und Interessen liegen.