SN.AT / Leben / Karriere

Leadership in Krisenzeiten: So meistern Führungskräfte neue Herausforderungen

In Zeiten zunehmender Unwägbarkeiten sind Führungsqualitäten gefragt. Doch gerade daran mangle es. In Politik wie Wirtschaft.

Davon ist Gerhard Furtmüller überzeugt. Im Interview verrät der Experte für Führungskräfteentwicklung, wie sich Leadership in Krisenzeiten neu erfinden muss.

Wie macht sich schwache Führung bemerkbar? Gerhard Furtmüller: Sie sorgt für Unzufriedenheit. Und die ist gut messbar, nämlich in der Fluktuation von Mitarbeitern bzw. in der Politik im Schwund von Wählerstimmen. Das greift um sich. Dabei braucht es gerade heute Führungsqualitäten.

Gibt es keine Kapazunder mehr oder ist Leadership schlicht herausfordernder geworden? Wir stecken ganz klar in einer Zeitenwende. Früher hatte man es mit einer Krise zu tun, die man aus der Welt geschafft hat - wie die Wirtschaftskrise 2008. Gegenwärtig sind wir mit multiplen Krisen konfrontiert. Und die sind meist gekommen, um zu bleiben: Die Klimakrise, Absatzmärkte brechen weg, junge Leute sind anders zu führen. Auf diese Gemengelage können Führungskräfte gar nicht vorbereitet worden sein, weil das wirtschaftshistorisch eine ganz neue Facette ist.

Was hat sich in den Ansprüchen an Führung ganz konkret verändert? Früher hast du eine Abteilung geführt, heute führst du den Franz, die Lisa, die Maria. Das ist deutlich komplexer. Deshalb braucht es klare Leitlinien für Führungskräfte, wie diese mit dieser Herausforderung umgehen können. Das erfordert neue Denkweisen und modernes Leadership.

Was genau muss sich also ändern? Es ist ganz wesentlich, dass man den Dingen ins Auge schaut und akzeptiert, dass es komplexe Umwelten gibt. Wenn ich die Situation nur schönrede, spüren meine Wähler das, spüren meine Mitarbeiter das. Der nächste Schritt nach dem Annehmen ist, ein klares Bild zu haben, wo es hingehen soll. Diese Orientierung brauche ich selbst als politischer Leader, als Führungskraft. Aber auch für die Mitarbeiter und die Wähler ist sie wichtig.

Die Welt, in der wir arbeiten, ist eine abstrakte. Man muss das, worum es geht, auf einen Satz herunterbrechen. Diese Übersetzungsarbeit kann man von einem Mitarbeiter nicht erwarten - der muss arbeiten können. Er muss wissen, was Sache ist, worum es in seiner Abteilung geht. Das muss man dann runterbrechen in konkrete Maßnahmen, damit die Mitarbeiter genau wissen, was in der täglichen Arbeit zu tun ist. Wenn die Maria das spürt, ist sie dankbar. Die Mitarbeiter sind ja nicht dumm. Die gehen sofort, wenn sie keine Orientierung bekommen, denn die brauchen sie.

Wie können Unternehmen und politische Institutionen Führungskräfte besser auf ihre Rolle vorbereiten? Es braucht ganz klar neue Facetten der Führung, die ich in meinen Werkzeugkasten reinbringen muss. Die kann ich mir durch Weiterbildungen oder Workshops aneignen. Es ist Aufgabe der Unternehmen, das den Führungskräften zur Verfügung zu stellen. Außerdem braucht es ganz klare Anker für Führungskräfte, damit sie wissen, wie sie jüngere Mitarbeiter führen. Das muss man gemeinsam mit den Führungskräften in der Organisation erarbeiten. Das heißt nicht, dass ich vierzigseitige Regelwerke erstelle, sondern Grundsätze erarbeite, die die Menschen leben können. Das muss vom kognitiven ins prozedurale Wissen übergehen. Sprich: Die Führungskraft muss im Schlaf wissen, wie sie führen soll.

"Du führst heute keine Abteilung, sondern Franz, Lisa und Maria."
Gerhard Furtmüller
WU-Dozent und Leadership-Experte

Welche Parallelen sehen Sie zwischen Politik und Wirtschaft? Die Politik ist durch Werte geprägt - wie es auch Organisationen sind. Übersetzt in die Populärwissenschaft heißt das: Was ist wichtig? Wir müssen miteinander reden, auch wenn wir heute in einer durchdigitalisierten Gesellschaft leben. Das gilt für die Politik wie für Unternehmen.

Was können Unternehmen von politischen Leadern lernen? Eine Aufgabe von Leadership ist es auch, die Leute dort hinzustellen, wo ihre Wirksamkeit am höchsten ist. Wir haben immer wieder große politische Leader und in Unternehmen Führungskräfte, die eine Vision haben und diese auch kommunizieren können. Das brauchen wir heute. Wenn man einen Obama anschaut: Der hat seine Vision klar kommuniziert und auf einen Slogan reduziert. Die Leute wussten dann: Yes, we can. Unternehmen haben das übernommen. Was nicht funktioniert, egal ob in der Politik oder im Management, ist, wenn man Phrasen nur auswendig lernt. Führungskräfte müssen authentisch sein. Sie müssen ihre Vision auch im Kleinen leben.