Nicole Schlosser ist Personalverantwortliche beim rasch wachsenden Start-up 123-Transporter, das sich auf Van-Sharing spezialisiert hat. Im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" erklärt sie, wieso es zwar nicht in der Verantwortung des Unternehmens liegt, unmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzutreiben, aber sehr wohl, die Motivation begeisterter und engagierter Arbeitskräfte zu erhalten.
Frau Schlosser, ein neuer Mitarbeiter kommt ins Team. Wie zerstört man seine Motivation am schnellsten? Nicole Schlosser: Sehr frustrierend kann es sein, wenn man ins kalte Wasser geworfen wird, es also kein richtiges Onboarding gibt und man dann vielleicht auch noch für Fehler verantwortlich gemacht wird, die passiert sind, weil man es nicht besser wusste. Ein gut geplantes Onboarding ist das Um und Auf: Es fängt bereits vor dem ersten Arbeitstag an. Aufgaben sind klar zugewiesen, es ist festgehalten, wer wofür die Ansprechperson ist. Auch mangelnde Wertschätzung ist langfristig nicht gut für die Motivation.
Der jüngste Gallup-Global-Workplace-Report zeigt, dass 72 Prozent der Beschäftigten in Europa Dienst nach Vorschrift machen. Wo sehen Sie mögliche Ursachen? Manche haben ein Angestellten-Mindset, arbeiten von neun bis fünf nur Listen ab und sind damit zufrieden. Dienst nach Vorschrift kann aber genauso gut heißen, dass der Job nicht richtig Spaß macht, der Mitarbeiter über- oder unterfordert ist oder es zu viele Regeln und zu wenige Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Auch in einem Unternehmen ohne Fehlerkultur machen Leute oft lieber nichts, bevor sie etwas falsch machen.
Wie bringt man Mitarbeiter dazu, sich mehr einzubringen? Man könnte mit ihnen sprechen und herausfinden, was sie können, was ihnen Spaß macht, wohin sie sich entwickeln wollen. So wird klar, ob sie Unterstützung brauchen und an welchen Stellschrauben man drehen kann. Eine gute Fehlerkultur ist ebenfalls wichtig. So trauen sich Mitarbeiter anzusprechen, wenn etwas nicht passt.
Gibt es ein Pauschalrezept, wenn es um Mitarbeitermotivation geht? Wer kann und will, aber nicht darf, ist frustriert. Wer darf und kann, aber nicht will, genauso. Unser Rezept heißt daher "Können - Wollen - Dürfen"
Was bedeutet das konkret? Wir führen mit jedem Mitarbeiter Gespräche, um die jeweiligen Stärken und Ziele zu identifizieren. Bei neuen Mitarbeitern gibt es ein Gespräch nach der ersten Woche, nach dem ersten Monat und nach drei Monaten. Danach sind halbjährliche Feedbackgespräche das Minimum. Diese finden mit der Führungskraft statt und basieren auf einem internen Formular zur persönlichen Weiterentwicklung. Wenn etwas nicht passt und es Redebedarf gibt, bekommen wir das mit. Dann spreche ich die Mitarbeiter auch einmal am Gang oder beim Mittagessen an und nehme mir Zeit. Das ist das Wichtigste.
Was braucht es für eine respektvolle Fehler- und Feedbackkultur? Wichtig beim Feedback-Geben ist, dass man nicht die Person kritisiert, sondern erklärt, welche Auswirkungen ein Verhalten auf das Ergebnis oder das Team hat. Ziel ist das gegenseitige Verständnis. Das heißt auch, dass Feedback beidseitig sein muss. Wenn ich Feedback gebe, will ich auch welches zurückbekommen. Damit muss man als Führungskraft umgehen können und das Gesagte auch ernst nehmen.
Wie fördern Sie die Weiterentwicklung Ihrer Mitarbeitenden? Wir setzen unsere Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten ein: Wenn ich sehe, dass jemand einen guten Überblick hat, das Team zusammenhält, Verantwortung übernimmt, auch wenn er einfach Kundensupport macht wie alle anderen, dann werde ich ihn am richtigen Ort einsetzen, wenn der Bedarf da ist. Etwa als Teamleiter. Außerdem ist es wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeiter frei entscheiden können. Das Vertrauen, das man ihnen so schenkt, wird in der Regel belohnt.
Wie gelingt die Balance zwischen Eigenverantwortung und einem völligen Führungsvakuum? Ich sehe Führung als eine begleitende, coachende Rolle. In diesem Sinne behält eine Führungskraft den Überblick, ist im Hintergrund verfügbar, aber bestärkt die Mitarbeiter darin, eigenständig zu werden.
Wie behält man in einem wachsenden Unternehmen wie Ihrem alle im Blick? Man übergibt langsam Führungsverantwortung. Bei uns ist das ziemlich einfach, da wir Profis haben, die von Anfang an dabei sind und wo Vertrauen da ist. Wichtig ist auch Transparenz, dass der Kommunikationsfluss funktioniert und alle über Chatrooms, Mails oder Meetings immer auf dem aktuellen Stand sind. Das ist ein Projekt, das man natürlich immer verbessern kann. Was uns sehr hilft, ist eine Checklist, die wir nach jedem Meeting durchgehen, die garantiert, dass alle die für sie wesentlichen Informationen bekommen.