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Studieren für die Zukunft: Master "Safety and Disaster Management" an der Montanuni Leoben

Kann man eine bessere Handhabung von Krisen studieren?Ja, man kann. An der Montanuniversität Leoben startet im kommenden Herbst das neue Masterstudium "Sicherheits- und Katastrophenmanagement".

„Problematisch sind seltene Katastrophen“
„Problematisch sind seltene Katastrophen“

Die Menschheit lebt in bewegten Zeiten: Häufiger auftretende Naturgefahren durch den Klimawandel, globale Gesundheitskrisen wie die Coronapandemie, oder durch den Menschen verursachte Unfälle - in einer Welt zunehmender Unsicherheiten wird es wichtiger, auf den Umgang mit Risiken und Krisen vorbereitet zu sein. Davon ist man an der Montanuniversität Leoben (Steiermark) überzeugt - und hat als Resultat daraus eine neue Ausbildung kreiert: Das interdisziplinäre, englischsprachige Masterstudium "Safety and Disaster Management" soll technische, natur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fachgebiete kombinieren.

Eine Frage des Wann

Ziel des Studiums sei, zukünftige Risiko-Managerinnen und -Manager sowie Führungskräfte in praxisorientierten Seminaren und Trainings darauf vorzubereiten, proaktiv Risiken zu erkennen, adäquat zu kommunizieren, Gefahren abzuwehren und durch soziale Kompetenzen langfristig die Resilienz von Menschen zu fördern, die aufgrund eines Katastrophenereignisses psychologische Folgewirkungen davontragen. Denn: "Krisen und unerwartete Ereignisse sind keine Frage des Ob, sondern des Wann", meint Renate Renner, Studiengangsverantwortliche des Masterstudiums "Sicherheits- und Katastrophenmanagement" an der Montanuni Leoben.

Braucht es ein solches Studium? "Besonders problematisch sind seltene, aber katastrophale Ereignisse, da hier oft die Erfahrung fehlt, obwohl gerade in solchen Fällen am meisten investiert werden müsste. Genau deshalb braucht es ein Verständnis dafür, wie häufig ein Risiko auftritt, wie groß der mögliche Schaden ist und was man dagegen tun kann", ist Harald Raupenstrauch überzeugt. Dabei gibt es kein Universalrezept, wie man auf eine Krise reagiert: "Es gibt jedoch Vorgangsweisen, wie man sich einer Lösung nähert. Solche Szenarien gibt es auch beim Militär", erläutert der Studiengangsbeauftragte. "Wichtige Faktoren sind: Wie viel Zeit habe ich zu reagieren, was sind kritische Stellen, die kontaktiert werden müssen, und wie und an wen kommuniziere ich?", so Raupenstrauch und fügt an, dass Risiken und das Risikomanagement nicht von einer einzelnen Disziplin gemanagt werden können.

Risiko-Krisenkommunikation und Co.

Da es in Krisensituationen viel (Fach-)Wissen braucht, kombiniert das neue Masterstudium technische, natur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fachgebiete. Unterschiedliche wissenschaftliche Lehrmeinungen und Methoden sollen ebenso berücksichtigt werden wie die Verbindung von Forschung und Praxis. "Da wir Studierende aus allen Fachdisziplinen zulassen, vermehrt Interessierte aus anderen Ländern ins Masterstudium einsteigen und dementsprechend verschiedene Backgrounds und Ausbildungsniveaus vorhanden sind, bieten wir zu Beginn des Studiums ein Basismodul an. In den vier Disziplinen holen wir die Auszubildenden ab und bauen ihr Wissen auf", erklärt Renner.

Konkret: Studierende beschäftigen sich hierin unter anderem mit ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen, soziologischer und sozialpsychologischer Risiko- und Katastrophenforschung und dem Schwerpunkt Kommunikation. "Damit ist nicht nur die interdisziplinäre Kommunikation gemeint, sondern eben ganz spezifisch Risiko-Krisenkommunikation, aber auch unternehmerische Risiko-Kommunikation." Warum? "Unsere Studierenden werden letzten Endes Führungspositionen bekleiden und in Krisenfällen adäquat kommunizieren müssen. Dazu vermitteln wir gezielt tiefenpsychologische Ansätze. Denn je intensiver und genauer sie ihre eigenen Kompetenzen kennen und diese Selbsterfahrung mit- und einbringen, umso besser können sie Krisen managen", führt Renner aus.

Naturgefahrenschwerpunkt und Trainings

Vor allem wenn es um die Vorbereitung auf mögliche Krisen geht, ist die Verbindung von Forschung und Praxis essenziell. So werden im zur Montanuni gehörenden Ausbildungszentrum "Zentrum im Berg" in Eisenerz spezielle Trainings durchgeführt - in Zusammenarbeit mit Geosphere Austria oder dem Deutschen Wetterdienst. "In einem Ausbildungsmodul, dem Naturgefahrenschwerpunkt ‚Disasters triggered by Natural Hazards', stellen wir Extremereignisse dar, die in den Kontext von Naturgefahren und -katastrophen einzuordnen sind - etwa Klimawandel-Thematiken und die Frage, wie Warnungen einzuordnen und zu kommunizieren sind", erläutert Raupenstrauch. "In einem darauffolgenden Seminar werden die Erfahrungen, die die Studierenden währenddessen gemacht haben, in der Tiefe theoretisch reflektiert."

"Aktuelle Forschungsprojekte sind entweder Auftrags- oder Antragsforschungsprojekte, die wir mit Fördergebern wie der EU, Ministerien oder Industriepartnern durchführen. Diese Forschungsprojekte integrieren wir in die Lehrveranstaltungen. Studierende wirken teilweise aktiv mit, indem sie Masterarbeiten dazu schreiben oder im Rahmen von Analysen Zugriff auf eine in einem Projekt generierte Literaturdatenbank haben", führt Renner aus. "Ergebnisse, zum Beispiel im Bereich der Klimawandelforschung, helfen etwa in der Klimawandelanpassungskommunikation, um Climate Services besser zu verstehen oder bei Behörden eine Handlungsänderung herbeizuführen."

Neben Naturkatastrophen werden in den Trainings auch technische Katastrophen, wie zum Beispiel Tunnelbrände, in Rollenspielen simuliert. "Über diesen technischen Schwerpunkt wurde das Masterstudium ‚Sicherheits- und Katastrophenmanagement' überhaupt erst ins Leben gerufen", so Raupenstrauch.

Natur, Technik und Mensch

In früheren Lehrveranstaltungen zur Prozess- und Anlagensicherheit beschäftigten sich die Forschenden vorrangig mit Sicherheitsaspekten in der chemischen Industrie, wie Explosionen durch Stäube, Gase, Selbstentzündungsvorgängen und Bränden. Der Studienbeauftragte: "Wir haben schnell gemerkt, dass bei anschließenden Risikoanalysen, um aus Unfällen zu lernen, nicht nur die technische Seite abgebildet werden muss, sondern Naturgefahren stärker ins Blickfeld gerückt werden müssen. Dazu zählt etwa die Bedrohung durch Hochwasser, Lawinen oder Muren."

Auch durch die Energiewende entstehen neue, sicherheitstechnische Herausforderungen: "Es gibt immer mehr in Fahrzeugen verbaute Batterien in verschiedenen Größen, die richtig gehandhabt werden müssen - beim Laden, bei Unfällen oder bei der Entsorgung. Ein beschädigter Akku, der im Hotelzimmer geladen wird, kann zu brennen beginnen", erläutert Raupenstrauch: "Elektroautos brennen selten, aber wenn, dann vollständig. Auch das Nutzerverhalten spielt hier eine Rolle."

Neben Natur und Technik sei damit ein weiterer wichtiger Faktor in Sachen Katastrophen angesprochen - der Mensch. Aus diesem Grund konzentrieren sich sowohl die Forschenden als auch die Studierenden in Risikoanalysen vermehrt auf soziologische Vorgänge: War die Ursache menschliches Versagen? War die Tagesverfassung schuld am Unfall oder eine unzureichende Kommunikation? Raupenstrauch nennt ein Beispiel: "Auffallend ist, dass Firmen die von ihren Anlagen ausgehenden Risiken oft zu wenig oder aber übergenau kommunizieren. Beides kann Ängste schüren. Deshalb kommt einer adäquaten Risikokommunikation große Bedeutung zu."

Krisenaufarbeitung und Massentraumata

Die Studierenden sollen zudem lernen, wie Krisenkommunikation bei technologischen Katastrophen oder Unfällen, vor allem in Bezug auf Massentraumata, funktioniert: "Wir berücksichtigen explizit psychologische Kommunikationsaspekte. Es geht nicht nur darum, wie man bestmöglich die Situation schnell in den Griff bekommt. Ein wichtiger Punkt ist, wie man die mittel- oder langfristige Begleitung gestaltet, um Trauma-Folgestörungen zu vermeiden", sagt Renner.

Gerade die Aufarbeitung sei ein grundsätzliches Problem: In der akuten Phase einer Krise sei Hilfe dringend nötig, Mittel fließen sofort. Doch sobald das Schlimmste überstanden ist, gerät die Katastrophe schnell in Vergessenheit. "Gerade der wichtige Aufarbeitungsprozess, der zur Krisenprävention und -vorbereitung sowie zur Resilienzsteigerung der Bevölkerung beitragen könnte, erhält dann kaum noch Ressourcen oder Aufmerksamkeit. Das betrifft psychologische ebenso wie strukturelle Maßnahmen - ein klares Defizit", mahnt Renner und gibt zu bedenken: "Risikokommunikation muss nicht erst in der Krise, sondern schon im Vorfeld etabliert sein. Kanäle und Beziehungen zu Risikogruppen sollten bereits bestehen, und gute Risikokommunikation heißt, kontinuierlich und konsistent im Austausch mit der Zielgruppe zu stehen, sie im Monitoring zu beobachten und Entwicklungen mitzudenken." Es stellen sich Fragen wie: Wer ist aktuell vulnerabel? Wie verändern sich Bedürfnisse, Werte, Einstellungen - etwa durch geopolitische Entwicklungen? "Das ist ein dynamischer Prozess. Lernt man die Zielgruppe erst in der Krise kennen, ist es zu spät", so Renner.

Für angehende Studierende des Masterstudiums "Sicherheits- und Katastrophenmanagement" braucht es neben Fachkompetenz auch Persönlichkeit und interdisziplinäres Verständnis, heißt es vonseiten der Montanuni Leoben. "Es gibt deshalb ein Aufnahmeverfahren, um potenzielle Studierende vorab kennenzulernen und wichtige Kompetenzen abzufragen, die dann im Masterstudium ausgeweitet werden", erklärt Raupenstrauch abschließend.

Alle EU/EWR-Bürger (inklusive Schweiz) können sich noch bis Herbst für das kommende Studienjahr bewerben. Das viersemestrige Masterstudium "Safety and Disaster Management" ist offen für alle Fachdisziplinen und startet erstmals mit Oktober 2025. Am 13. Juni 2025 findet an der Montanuni Leoben (Erzherzog-Johann-Trakt) zudem ein öffentlicher Info-Tag statt.

www.unileoben.ac.at