Die Studierendenzahlen in Österreich sind vergangenes Jahr gesunken. Warum ist das so aus Ihrer Sicht? Bernhard Fügenschuh: Zunächst gibt es demografische Veränderungen, da auch die Anzahl der Schulabgänger:innen zurückgegangen ist. Außerdem suchen viele Unternehmen Mitarbeiter:innen, sodass etliche gleich nach der Matura in gute Jobs wechseln. Andererseits können die Folgen der Covid-Pandemie durch verstärkte Onlinelehre oder Probleme bei der sozialen Integration Studienhemmnisse sein sowie die derzeit außerordentlich hohen Lebenshaltungskosten. Und nicht zuletzt ist heute das Angebot an Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten ein weit größeres und vielfältigeres, als es noch vor 15 oder 20 Jahren der Fall war.
Warum sollen Menschen heute ein Studium absolvieren?
Welchen Wert ein Studium hat, wie sich die Zugänge der Menschen dazu teils verändert haben und wie sich die Studierendenzahlen im Raum Salzburg entwickelt haben, erklären die Rektoren von Paris Lodron Universität Salzburg, Fachhochschule Salzburg, Pädagogischer Hochschule Salzburg und Paracelsus Medizinischer Privatuniversität im SN-Interview.
"Ein Studium bereitet auf die moderne Welt vor."
Dominik Engel: Es sind verschiedene Faktoren, die dazu führen können: Demografische Veränderungen - die Zahl der jungen Menschen, die direkt nach der Matura ins Studium gehen, nimmt ab -, wirtschaftliche Unsicherheiten oder die große Nachfrage am Arbeitsmarkt, die für viele junge Menschen eine attraktive Alternative zum Studium darstellt. Im Fachhochschulsektor sind wir glücklicherweise aber nicht so stark betroffen. Die Statistik Austria geht bei den Fachhochschulen sogar von einem Zuwachs der Neuzulassungen aus. Ein wesentlicher Vorteil ist hier das Angebot an berufsbegleitenden Studiengängen. Der Unterricht wird oft in den Randzeiten des Tages oder in Blockveranstaltungen abgehalten, was den Studierenden eine bessere Balance zwischen Beruf, Studium und familiären Verpflichtungen ermöglicht.
Daniela Martinek: Der Rückgang lässt sich einerseits auf den demografischen Wandel und die damit verbundenen variierenden Zahlen bei den Schulabsolvent:innen zurückführen. Andererseits hat die Covid-Pandemie das Verhalten von Schulabsolvent:innen verändert und möglicherweise zu einem verzögerten Studienbeginn beigetragen. In Bezug auf Lehramtsstudien führt der hohe Bedarf an Lehrkräften in Schulen dazu, dass viele bereits im Studium die Berufstätigkeit aufnehmen, und das kann den Fortschritt im Studium erschweren. Hinzu kommt, dass es insbesondere im sozialen Bereich eine Vielzahl an attraktiven Bildungswegen gibt, die Interessierten eine steigende Anzahl von Wahlmöglichkeiten bieten.
Wie sieht die Situation an Ihrer Einrichtung aus? Wolfgang Sperl: Wir verzeichnen konstante Studierendenzahlen, wobei die PMU seit jeher limitierte Jahrgangsgrößen festlegt, um entsprechende Topqualität in Lehre und Betreuung zu bieten. In der Humanmedizin beispielsweise vergeben wir jährlich in einem mehrstufigen Aufnahmeverfahren maximal 75 Studienplätze hier in Salzburg. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch, das gilt auch für die Studiengänge der Pflegewissenschaft. In der Pharmazie, unserem jüngsten Studium, freuen wir uns heuer über die bislang höchsten Beginnerzahlen.
Daniela Martinek: Die Studierendenzahlen in der Primarstufenausbildung an der Pädagogischen Hochschule Salzburg sind in den letzten Jahren stabil geblieben und im Studienjahr 24/25 verzeichnet die PH Salzburg einen erfreulichen Zuwachs an Studienanfänger:innen im Bachelorstudium. Die Mitbelegungen in der Sekundarstufenausbildung und Berufsbildung sowie in den Hochschullehrgängen der PH Salzburg sind konstant und aufgrund neuer, attraktiver Ausbildungsangebote steigen die Studierendenzahlen im Bereich der Elementarpädagogik.
"Ein Bildungsweg zur Vertiefung und Weiterentwicklung."
Dominik Engel: Wir konnten in der letzten bundesweiten Ausschreibung von FH-Studienplätzen 155 neue Plätze nach Salzburg holen. Dies in Fachgebieten mit hoher Nachfrage, z. B. Digital Social Work und Medical Biology (zusammen mit der PLUS). Außerdem haben wir eben vier neue Master-Studiengänge im technischen Bereich gestartet - hier übersteigt die Nachfrage die Studienplätze um das Doppelte. Auch im berufsbegleitenden Bereich verzeichnen wir hohe Bewerber:innenzahlen. Beim "klassischen" Bereich des generalistischen Vollzeitstudiums sehen wir dagegen in einigen Gebieten eher sinkende Zahlen.
Bernhard Fügenschuh: Die Situation sieht aktuell zufriedenstellend aus. Wir rechnen mit stabilen oder sogar leicht steigenden Studienbelegungen. Die Erstbelegungen im Bachelorstudium (ohne Lehramt) sind entsprechend den demografischen Vorhersagen seit Jahren leicht rückläufig. Zu den stark nachgefragten Bachelorstudien gehören: Medizinische Biologie, Psychologie, Recht und Wirtschaft, Ernährung - Bewegung - Gesundheit sowie Kommunikation. Im Bachelor- und Masterstudium Lehramt sind nach der starken medialen Präsenz des Themas Lehrer:innen-Mangel in den vergangenen Jahren und einem entsprechenden Anstieg der Anzahl der Erstsemestrigen im Vorjahr für das kommende Semester wieder leicht rückläufige Zahlen zu erwarten. Im Masterstudium (ohne Lehramt) gibt es steigende Zahlen. Die aktuell besonders nachgefragten Masterstudien Psychologie, Medical Biology sowie Wirtschaftswissenschaften.
Warum sollten Menschen heute studieren, überhaupt, in Ihrem Hochschulsektor, speziell an Ihrer Hochschule? Dominik Engel: Ein Studium vermittelt nicht nur Fachwissen und spezialisierte Fähigkeiten, sondern fördert auch die persönliche Entwicklung. Eine Ausbildung eröffnet vielfältige Karrieremöglichkeiten, verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ermöglicht es, in einem sich ständig wandelnden Umfeld flexibel und anpassungsfähig zu bleiben. Zudem können die Studierenden im Studium wertvolle Kontakte knüpfen, Netzwerke aufbauen und interkulturelle Kompetenzen entwickeln. Fachhochschulen zeichnen sich in ihrem Studienangebot durch hohe Praxisnähe aus. Das bedeutet eine Fachausbildung auf akademischem Niveau mit viel Praxisbezug. Das schätzen sowohl die Studierenden als auch die Arbeitgeber:innen. Diese enge Vernetzung mit der Praxis passiert u. a. durch Kooperationen, Forschungsprojekte, Praktika und externe Lehrende, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus dem Beruf in die Lehre einbringen. So können die Studierenden auch ihr berufliches Netzwerk erweitern und mit, Professor:innen und Arbeitgeber:innen in Kontakt treten. Außerdem bilden wir viele Berufe im Gesundheitsbereich an den Fachhochschulen aus. In Salzburg sind dies u. a. biomedizinische Analytiker:innen, Radiologietechnolog:innen und Personen in der Gesundheits- und Krankenpflege. Studierende erwerben mit Abschluss des Studiums auch die Berufsbefähigung.
"Ein Mittel, um Karrierechancen am Arbeitsmarkt zu verbessern."
Wolfgang Sperl: Die beste Investition in die Zukunft und die Stabilität einer Gesellschaft sind Bildung und Wissen. Ein Studium ist damit weit mehr als Entwicklung und Qualifikation auf persönlicher Ebene. Ein Vorteil von Privatuniversitäten ist ihre Flexibilität, auf Veränderungen und Bedarfe schneller reagieren und Lehre am Puls der Zeit bieten zu können. Dabei unterliegen sie einer strengen, gesetzlich geregelten Qualitätskontrolle. Die PMU bietet forschungsbasierte Lehre auf hohem Niveau, moderne Curricula, frühen Praxisbezug und internationale Vernetzung. Europaweit einzigartig ist dabei die Kombination der drei Fachgebiete Humanmedizin, Pharmazie und Pflegewissenschaft unter einem Dach und interdisziplinär ausgerichtet.
"Die beste Investition sind Bildung und Wissen."
Bernhard Fügenschuh: Insgesamt bereitet ein Studium Menschen auf die Herausforderungen der modernen Welt vor, sowohl beruflich als auch persönlich. Es bietet nicht nur Fachwissen, sondern auch die Fähigkeiten, sich in einer sich ständig verändernden Umwelt erfolgreich zu orientieren und weiterzuentwickeln. Für viele ist das Studium auch eine Möglichkeit, ihre Interessen und Leidenschaften zu vertiefen. Ein Studium lehrt nicht nur Fachwissen, sondern auch, wie man analytisch und kritisch denkt. Das erfolgreiche Abschließen eines Studiums erfordert Durchhaltevermögen, Selbstorganisation und Verantwortungsbewusstsein - Eigenschaften, die auch im Berufs- und Privatleben von Nutzen sind. Die Universität Salzburg bietet als "Volluniversität" ein breites Fächerspektrum und wir haben ein wirklich gutes Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden. Bei einer Größe wie der Uni Salzburg haben Studierende die Möglichkeit, direkt mit den Professor:innen in Kontakt zu treten, werden persönlich betreut, und vor allem genießen sie forschungsgeleitete Lehre, das heißt: sind je nach Fach direkt in Forschungsprojekte eingebunden. Natürlich ist die schöne Stadt mit ihrem großen kulturellen Angebot, dem Umland und den vielen Sportmöglichkeiten ideal, um auch ein tolles Studierendenleben zu führen.
Daniela Martinek: Ein Studium ist ein Bildungsweg, der Studierenden zahlreiche Möglichkeiten der interessensbasierten Vertiefung und der persönlichen Weiterentwicklung bietet. Darüber hinaus ergeben sich im Studium bereichernde Möglichkeiten, internationale Erfahrungen zu machen und persönliche bzw. berufliche Netzwerke aufzubauen. Ein Lehramtsstudium an einer Pädagogischen Hochschule qualifiziert Studierende für eine gesellschaftlich relevante und sinnstiftende Tätigkeit, die angehenden Lehrkräften im Studium und im Beruf attraktive Handlungsspielräume für ihre individuelle Weiterentwicklung bietet.
Das engagierte Team der PH Salzburg bietet in modernen Räumlichkeiten ein umfangreiches Aus-, Fort- und Weiterbildungsprogramm für Studierende und im Dienst stehende Lehrpersonen, das laufend an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und an die Bedarfe in Schulen angepasst wird. In der Primarstufenausbildung wird bereits ab dem Studienjahr 24/25 ein innovatives Curriculum implementiert, das 2025 in die neue Studienarchitektur (drei Jahre Bachelor, zwei Jahre Master) überführt wird. Neben umfangreichen zusätzlichen individuellen Entwicklungs- und Vertiefungsmöglichkeiten - nicht nur im Bereich der Zukunftsthemen - werden professionsbegleitende Angebote im Masterstudium ausgebaut.
Haben sich die Motive für das Studieren aus Ihrer Sicht verändert, und wenn ja, in welcher Form? Wolfgang Sperl: Wir sehen bei unseren Studierenden, dass die Hauptmotive für das Studieren über die Jahre konstant geblieben sind: universitäres Wissen und Fähigkeiten zu erwerben, um im breit gefächerten Feld des Gesundheitswesens anderen Menschen zu helfen - sei es direkt in der Versorgung oder auch in der Forschung, die letztlich bei den Patientinnen und Patienten ankommt.
Bernhard Fügenschuh: Die Motive haben sich erheblich verändert. Ursprünglich lag der Fokus auf reinem Wissenserwerb zur Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten. Bildung war häufig elitär und stark mit dem sozialen Status verbunden. In der modernen Gesellschaft spielen jedoch mehrere Faktoren eine Rolle: So verlangt der Arbeitsmarkt neben fachlichen auch zunehmend generische Kompetenzen, was ein universitäres Studium an einer Volluniversität bestens anbieten kann. Darüber hinaus spielen wirtschaftliche Überlegungen eine wichtige Rolle. Viele Studierende sehen in ihrer höheren Bildung eine Investition in ihre finanzielle Zukunft, da akademische Abschlüsse oft mit höheren Einkommen verbunden sind. Hinzu kommt die persönliche Entwicklung: Die Universität bietet über alle Fächergruppen hinweg Vernetzungsmöglichkeiten, die im weiteren Berufsweg essenziell sind. Die Digitalisierung hat neue Wissensgebiete und Lernformen geschaffen, die den Zugang zu Bildung erleichtern und auch die Art des Lernens verändern. Studierende sind heute oft international orientiert und suchen nach globalen Perspektiven, was zu einem verstärkten Interesse an interkulturellem Lernen führt. All dies spiegelt ein breiteres Spektrum an Zielen und Erwartungen wider, das über die traditionelle Auffassung von Bildung hinausgeht.
Dominik Engel: Ich denke, es spielen heute zusätzlich berufliche und wirtschaftliche Faktoren eine größere Rolle. Viele Studierende sehen ein Studium als Mittel, um ihre Karrierechancen zu verbessern und sich auf einem zunehmend wettbewerbsorientierten Arbeitsmarkt zu behaupten. Zudem hat die Globalisierung die Studienmotive beeinflusst. Internationale Erfahrungen und interkulturelle Kompetenzen sind wichtiger geworden, da sie die beruflichen Perspektiven erweitern und die persönliche Entwicklung fördern. Auch die Digitalisierung und der Zugang zu Online-Lernangeboten haben die Erwartungen und Motive der Studierenden verändert, da sie flexiblere und individuellere Lernwege ermöglichen.
Daniela Martinek: Studierende entscheiden sich für ein Lehramtsstudium, weil sie junge Menschen in ihrer Entwicklung fördern wollen und sie somit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten können. Im Rahmen dieser Tätigkeit besteht die Möglichkeit, persönliche Werte zu verfolgen und die individuelle Weiterentwicklung zu forcieren. Diese Motive sind relativ stabil, verändert hat sich, dass eine wachsende Anzahl von Studierenden den Wunsch verspürt, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen.