Das Wort Hierarchie komme aus dem Griechischen, es beschreibe eine heilige Ordnung, erklärte Chris Holzer zum Auftakt des WorkVision BarCamps im Alten Mühlhaus am Quartier Rauchmühle. Möglicherweise, so Holzer, könnte damit auch die heilige Ordnung der Männer gemeint sein. Sicher ist, dass diese Ordnung mit dem voranschreitenden Wandel der Arbeitswelt infrage zu stellen sei. Doch was kommt nach der Hierarchie? Antworten darauf wurden beim WorkVision BarCamp nicht wie auf Konferenzen in Form von Vorträgen serviert. Denn ein Barcamp ist eine "Un-Konferenz", ein Format zum offenen Wissensaustausch, das seinen Ursprung in der IT hat. Anwesende nehmen teil, sind aber gleichzeitig selbst die Vortragenden. Das Ziel: gemeinsam über Fachgrenzen hinausdenken.
WorkVision BarCamp: Zehn Sessions in eineinhalb Tagen
Insgesamt wurden zehn Sessions in eineinhalb Tagen abgehalten, immer zwei zur gleichen Zeit. "Das ist vielleicht ein bisschen gemein, weil man sich entscheiden muss", so Martin Seibt, der das BarCamp mit Chris Holzer organisiert: "Aber es ist auch gewollt. So wird in den Pausen der Austausch untereinander gefördert." Der Plan ging auf: Der Gesprächsbedarf unter den über 40 Teilnehmenden aus Branchen wie Hotellerie, Pflege oder IT war groß, die Unterbrechungen stets zu kurz. Die Mittagspause gestaltete indes Starkoch Didi Maier - und nährte sowohl Körper als auch Geist. Kulinarisch tischte er Taboulé-Salat, Galanga-Suppe und Trüffelpasta auf, inhaltlich teilte der Gastronom Einblicke in seine Arbeitsweise. "In der Gastronomie haben wir immer zu wenige Leute. Wenn auch noch jemand erkrankt, wird es wirklich eng." Deshalb holte er vor Jahren BarCamp-Organisator und New-Work-Coach Chris Holzer ins Boot, der sowohl mit Maier persönlich als auch mit seinem Team arbeitet. "Ich wollte wissen, wie ich mich als Chef verbessern kann." Maiers "Geheimzutat": zuhören und für die Mitarbeitenden da sein. Maier freut sich über geringe Krankenstände und eine jährliche Fluktuation weit unter dem branchenüblichen Schnitt.
„New Work heißt, mehr Energie aus unserer Arbeit herauszuholen als hineinzustecken.“
Sabine Pötz, Recruiting-Expertin
Aus der Reaktion von Piloten in Stresssituationen könne man wertvolle Erkenntnisse gewinnen, erklärt Kurt Eschbacher, Leiter der Aerospace Research Group an der Uni Salzburg: "In der Luftfahrt lernt man sehr strukturiert aus Zwischenfällen. In der Wirtschaft ist das eher tabu." Was im Flieger das rot blinkende Lämpchen sei, sei in der Wirtschaft der Mitarbeiter, wenn er signalisiere, dass es ihm nicht gut gehe. Dann brauche es den Willen, kompromisslos hinzuschauen, um Fehler zu analysieren und folglich zu vermeiden. Dieser Wille zeichne die Luftfahrt aus und habe nach großen Unglücken die Kommunikation in Teams nachhaltig verändert - trotz der eigentlich eher hierarchischen Strukturen. Möglich sei das in Organisationen, in denen sich Menschen sicher fühlen und keine Angst haben, zu sprechen. Erst dann würden sich Mitarbeitende aus niedrigeren Hierarchiestufen trauen, Fehler frühzeitig aufzuzeigen, erklärte Seibt und zitierte Beispiele wie das Unglück von Fukushima oder den Absturz des Spaceshuttles "Columbia" 2003.
Welt ohne Hierarchie: Götter aus der Mythologie, Afrika & Dylan
Der zertifizierte Märchenerzähler Armin Ziesemer näherte sich der Frage nach einer Welt ohne Hierarchie aus einer gänzlich anderen Perspektive. Teilnehmende seiner Session schlüpften in die Rolle mythologischer Gottheiten. Thomas Layer-Wagner beamte seine Gruppe mit Tablet und Smartphone in ein virtuelles Raumschiff. Im Zweiergespann galt es Aufgaben zu lösen. Die Herausforderung war unterschiedliches Wissen, die Lösung erst greifbar, wenn die Teams ihre Kommunikation änderten.
Gerade unterschiedliche Sichtweisen sind es, die im Alltag Gräben aufreißen - wie man diese überwindet und zurück zu einem neuen Wir-Gefühl findet, zeigte Afrikanist Martin Sturmer mithilfe von Nelson Mandela und seiner Ubuntu-Philosophie. Von einem neuen Wir-Gefühl erzählte auch Kultur- und Sozialanthropologin Bettina Ludwig. Sie lebte zusammen mit Jägern und Sammlern in der Kalahari-Wüste in Namibia und erforschte deren Verhalten. Dort existiere weder ein Begriff für Alter, Zeit noch Besitz, alles werde geteilt. Die Idee, wir seien von Natur aus getriebene Einzelkämpfer, ist also gar nicht so sehr in Stein gemeißelt, wie wir denken. Von Abenteuern anderer Art erzählte Eugen Banauch vom Mozarteum: Studierende sollten Bob Dylan auf die Spur kommen. Zu zweit bereisten sie für mehrere Wochen verschiedene Kontinente, die SN berichteten.
Der Austausch über Fach- und Denkgrenzen hinweg gelang, viele Ideen keimten. So wurde etwa diskutiert, was Angestellte aus dem Pflegeheim lernen könnten, wenn man sie zum Erfahrungsaustausch in einen Hotelbetrieb schicken würde - und umgekehrt. Möglich machten das Holzer und Seibt, die als Veranstaltungsort bewusst die offenen Räumlichkeiten der Softwarefirma hotelkit am Quartier Rauchmühle wählten. Für sie ist hotelkit eine Firma, die Neues Arbeiten bereits beispielhaft lebt. Was dieses New Work letztlich sei, müsse aber jedes Unternehmen für sich selbst herausfinden. Impulse dazu lieferte das WorkVision BarCamp. Eine Antwort darauf formulierte Barcamp-Teilnehmerin und Recruiting-Expertin Sabine Pötz: "New Work ist dann, wenn wir mehr Energie aus unserer Arbeit herausholen, als wir hineinstecken."