Die meisten Staumeldungen an Werktagen betreffen den Autoverkehr zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause: Tatsächlich verursachen Arbeits- und Dienstwege wochentags mehr als die Hälfte des Pkw-Verkehrs von Österreichs Haushalten. Das bringt nicht nur die Straßen regelmäßig an die Kapazitätsgrenze und ist zermürbend für alle Verkehrsteilnehmer, sondern wirkt sich auch negativ auf Gesellschaft und Umwelt aus. Pro Jahr werden dadurch fast vier Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen, wie die Mobilitätsorganisation Verkehrsclub Österreich aufmerksam macht. Der VCÖ ist es auch, der auf das enorme Einsparungspotenzial von betrieblichem Mobilitätsmanagement hinweist.
Rolle von Unternehmen für reduzierte Staus und CO2-Ausstoß
"Eine verstärkte Verlagerung auf Bahn, Bus und Fahrrad sowie mehr Fahrgemeinschaften würden die Zahl der Staus deutlich reduzieren und ebenso den CO₂-Ausstoß des Verkehrs", so Michael Schwendinger, VCÖ-Experte für Verkehrspolitik, im Zuge einer Fachkonferenz zum Thema betriebliches Mobilitätsmanagement. "Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Unternehmen." Immerhin fast die Hälfte aller Arbeitswege in Österreich ist kürzer als zehn Kilometer, wodurch auch Fahrrad und Elektrofahrrad großes Potenzial haben.
Steuerliche Hürden im betrieblichen Mobilitätsmanagement
Eine große Hürde bei der Umsetzung von betrieblichem Mobilitätsmanagement stellt Experten zufolge aber der administrative Aufwand in Kombination mit steuerrechtlichen Graubereichen dar. So ist etwa ein zur Verfügung gestellter E-Scooter mit Firmenlogo steuerrechtlich anders zu behandeln als einer ohne Firmenlogo. Die Nutzung von kommerziellem Carsharing kann - sofern emissionsfreie Fahrzeuge im Einsatz sind - abgabenfrei unterstützt werden, ein Zuschuss für betriebsinterne Fahrgemeinschaften nicht. Ein Jobrad kann Beschäftigten sachbezugsfrei angeboten werden, ein Gutschein für Fahrradservice, Helm oder Regenjacke muss jedoch versteuert werden - sobald die pauschale Sachzuwendungsgrenze von 186 Euro pro Person und Jahr überschritten wird. Auf der anderen Seite bewerten Experten die Ausgangslage für die Umsetzung von betrieblichem Mobilitätsmanagement in Österreich als prinzipiell gut.
Nachhaltige Mobilitätsförderung für Unternehmen
Neben Bundesförderungen im Bereich von E-Fahrzeugen gibt es mit "klimaaktiv mobil" ein kostenloses Beratungsprogramm für Unternehmen, das auch persönliche Unterstützung bei der Einreichung von Förderanträgen umfasst. Lohnende Maßnahmen sind unter anderem auch das Öffi-Jobticket, das Jobrad sowie die Möglichkeit, Carsharing und das Laden von Elektro-Pkw abgabenfrei zu fördern. Das Energieinstitut Vorarlberg hat in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Österreich, Liechtenstein und der Schweiz einen "Werkzeugkoffer" mit 35 praxiserprobten Maßnahmen zusammengestellt.
Praxisbeispiele und positive Auswirkungen
Im Rahmen einer Umfrage des VCÖ gaben mehr als 90 Prozent der rund 340 befragten Fachleute an, dass sich Anreize für Mitarbeitende, aufs eigene Auto zu verzichten, auch für das Unternehmen auszahlen. Und diese Erkenntnis ist zudem längst in der Praxis angekommen: Von der Asfinag und Siemens bis hin zur Einzelhandelskette M-Preis in Tirol und dem Filterwerk Mahle im südlichen Kärnten setzen immer mehr Vorzeige-Unternehmen entsprechende Schritte. Beim Halbleiterproduzenten Infineon trifft man bereits seit 2016 die entsprechenden Maßnahmen. Mit Erfolg: Mit rund 4500 Mitarbeitenden am Standort in Villach führte dies sogar zu spürbaren Verbesserungen beim Angebot des öffentlichen Verkehrs, wie Matthias Felsberger von Infineon bestätigt: "Bis vor vier, fünf Jahren war das Angebot im Raum Villach nur sehr eingeschränkt nutzbar. Viele Menschen sind deswegen aus Gewohnheit ins eigene Auto gestiegen. Seit Dezember 2022 fahren anstatt zuvor zwei nun fünf öffentliche Buslinien zu unserem Standort." Mittels eines internen Wissensquiz versuchte man bei Infineon, die Pendlerinnen und Pendler dazu zu animieren, sich mit dem eigenen Arbeitsweg auseinanderzusetzen. Die Erkenntnis: "Tendenziell wird die eigene Anbindung als viel schlechter eingeschätzt, als sie tatsächlich ist", so Matthias Feldberger.
VCÖ und Arbeiterkammer Wien fordern verpflichtende Maßnahmen
VCÖ und Arbeiterkammer Wien sprechen sich deshalb dafür aus, dass Mobilitätsmanagement für Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtend eingeführt wird. Einen ähnlichen Vorstoß hat Italien bereits im Jahr 2021 unternommen. "Die Unternehmen haben früher ebenso die Verantwortung für den Arbeitsweg übernommen - Stichwort Werksbusse oder Dienstwohnungen. Zu dem muss man wieder zurückkommen", ist Heinz Högelsberger von der AK Wien überzeugt. "Schon deswegen, weil viele junge Arbeitnehmer nicht mehr dazu bereit sind, für den Arbeitsweg ein Auto zu kaufen." Der wachsende Arbeitskräftemangel wird Unternehmen deshalb dazu motivieren, größere Anstrengungen in die richtige Richtung zu machen. Darüber hinaus sollten steuerrechtliche Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, um es für Unternehmen einfacher zu machen, den Beschäftigten Anreize für klimaverträgliche Alternativen zugutekommen zu lassen. "Eine einfache Möglichkeit wäre die Umsetzung einer abgabefreien Mobilitätspauschale von 50 Euro pro Monat und Person für Maßnahmen im Bereich Mobilitätsmanagement", so VCÖ-Experte Michael Schwendinger.