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Ministerin Leonore Gewessler: "Stehe beim S-Link zu meiner Zusage"

Die Ministerin für Klimaschutz und Mobilität, Leonore Gewessler, nutzt die 21. Internationalen Salzburger Verkehrstage für eine Art Zwischenbilanz.

Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler sieht das Klimaticket als großen Erfolg.
Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler sieht das Klimaticket als großen Erfolg.

Bei den Salzburger Verkehrstagen ist Leonore Gewessler (Die Grünen) heuer nur mittels Videobotschaft vertreten. Mit den "Salzburger Nachrichten" spricht sie unter anderem über den S-Link, die Tunnelbaustellen auf der Tauernautobahn und warum das Aus für Tempo 100 für sie ein völlig falsches Signal ist.

Frau Ministerin, haben Sie schon entschieden, worüber Sie in Ihrer Videoschaltung sprechen werden? Leonore Gewessler: Dass der Verkehr der größte Hebel in Sachen Klimaschutz ist. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Und wir sehen vor allem, die Emissionen gehen nicht nur in der Prognose zurück, sondern auch in der Realität - von 2021 auf 2022 um 4,5 Prozent, laut Schätzungen des Umweltbundesamts. Die gute Nachricht ist, dass unsere Bemühungen Wirkung zeigen. Aber diese Trendwende müssen wir jetzt erst einmal verstetigen. Denn Klimaschutz ist ein Marathon, kein Sprint.

Welche Maßnahme war Ihrer Meinung nach besonders bedeutend? Gerade im Verkehrssektor ist uns viel Tolles gelungen, was nicht allzu prominent in der Öffentlichkeit vorgekommen ist, etwa die Kraftstoffverordnung oder die Novelle der Straßenverkehrsordnung. Aber besonders am Herzen liegt mir natürlich das Klimaticket. Österreichweit nutzen es bereits 250.000 Menschen, darunter auch 14.000 Salzburgerinnen und Salzburger. Besonders erfreulich ist, dass es nicht nur Menschen anspricht, die schon bisher die Öffis benutzt haben, sondern dass wir auch neue Zielgruppen gewinnen konnten.

40 Prozent davon benutzen grundsätzlich auch ein Auto, haben aber angegeben, ihr Mobilitätsverhalten weg vom Auto hin in Richtung öffentlichen Verkehr verändert zu haben. Ein weiterer Erfolg ist sicher auch der Boom bei der Elektromobilität. Als ich begonnen habe, hatten wir bei den Neuzulassungen knapp drei Prozent E-Autos. Im letzten Monat haben wir knapp 4000 Neuzulassungen reiner E-Autos registriert, das ist ein Anteil von 21 Prozent. Und auch die Ladeinfrastruktur zieht nach. Im August hatten wir schon über 20.000 Ladepunkte im Land.

Der Bedarf ist offensichtlich vorhanden. Wie wollen Sie das Angebot weiter verbessern? Der öffentliche Verkehr muss bequem, effizient, verfügbar und im Idealfall auch das günstige Angebot sein. Dazu brauchen wir drei Säulen: eine niedrige Eintrittshürde, das ist das Klimaticket. Aber wir müssen auch in die Infrastruktur und das Angebot investieren. Deshalb haben wir mit 19 Milliarden für die kommenden sechs Jahre auch das größte Bahn-Infrastruktur-Ausbaupaket budgetiert. Und die ÖBB investieren 4,7 Milliarden für neue Züge, um die Sitzplatzkapazität bis 2030 um 40 Prozent zu erhöhen.

"Die Bahn braucht auch mehr Europa, damit sie noch attraktiver wird"
Leonore Gewessler
Ministerin für Klimaschutz und Mobilität

Doch gerade der aktuelle Boom bringt bei der Bahn Mängel ans Licht, etwa beim Buchen von Reisen ins Ausland. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Europa mehr Bahn braucht. Aber die Bahn braucht auch mehr Europa, damit sie noch attraktiver wird. Beim Personenverkehr ist das Ticketing absolut entscheidend. Es ist heute enorm leicht, ein Flugticket nach Kuala Lumpur zu buchen. Aber Zugtickets nach Dänemark können zur Herausforderung werden. Das gehört angegangen. Die ÖBB sind führend beim Nachtzugangebot, haben als erste Bahn neue Zuggarnituren gekauft. Doch auch im Güterverkehr muss vieles einfacher werden, etwa im Bereich der Signale oder der Verkehrssprache. Ein enormes Potenzial bietet auch die Digitalisierung.

In Salzburg steht der S-Link auch in der Kritik, im November ist in der Stadt Salzburg eine Bürgerbefragung geplant. Ihre Sicht aus Perspektive des Bundes? Der S-Link ist für Salzburg und die gesamte Region ein unglaublich wichtiges Projekt. Und ich bin extrem froh, dass es gelungen ist, für das Projekt Budgetmittel zu sichern. Vom Bund wurde dem Land Salzburg eine 50-prozentige Finanzierung zugesagt. Zu dieser Zusage stehe ich natürlich weiterhin.

Der größte Aufreger in Salzburg sind ohne Zweifel die Tunnelbaustellen auf der A10. Hätten Sie als Ministerin gegenüber den Versäumnissen der ASFINAG keine Handhabe gehabt? Jede Baustelle ist für die Pendlerinnen und Pendler ein Ärgernis. Aber diese Baustelle ist notwendig, um die Tunnel auf den neuesten Sicherheitsstandard zu bringen. Deswegen wurde das im Vorfeld über Jahre hinweg vorbereitet, um eine bestmögliche Abwicklung dieser komplexen Logistik zu gewährleisten und die Verkehrsströme bestmöglich zu managen - gemeinsam mit dem Land Salzburg und allen Mobilitätspartnern.

In Salzburg wurden bzw. werden Tempo-100-Limits aufgrund "zu guter Luftqualität" wieder revidiert. Wie geht es Ihnen damit - vor allem, wenn auf EU-Ebene zeitgleich strengere Limits diskutiert werden? Ich halte das für ein völlig falsches Signal. Schlechte Luft ist immer noch einer der Hauptgründe für vorzeitige Todesfälle in der EU. Jedes Mikrogramm weniger Schadstoff in der Luft ist ein Schritt in Richtung eines gesünderen Lebensumfelds. In Brüssel verhandeln wir gerade neue Zielvorgaben, um das auch weiterhin zu gewährleisten. Das wird dazu führen, dass alle politischen Ebenen die ihnen zur Verfügung stehenden Potenziale werden nützen müssen.

Andere Länder machen es vor: Tempolimits auf Autobahnen und im Ortsgebiet. Warum klappt das in Österreich nicht? Um Tempolimits zu beschließen, brauchen wir eine Mehrheit im Parlament. Und aktuell haben wir dabei alle anderen Parteien gegen uns. Deshalb konzentriere ich mich als Ministerin darauf, dort etwas zu verändern, wo es auch geht. Derzeit verhandeln wir regierungsintern darüber, den Gemeinden mehr Wahlfreiheit zu geben, ob sie Tempo 30 einführen wollen. Denn die Menschen vor Ort wissen am besten, warum das gescheit ist und wo es am meisten Sinn ergibt.

21. Internationale Verkehrstage

Fachtagung

Der Begriff Multimodalität als Nutzung verschiedener Verkehrsmittel in einem bestimmten Zeitraum wird als wichtiger Zugang zu Mobilität jenseits des eigenen Autos gesehen - und spielt auch bei den diesjährigen Verkehrstagen eine zentrale Rolle. Aufgrund zunehmender Motorisierung, attraktiver Angebote im öffentlichen Verkehr, des Ausbaus der Infrastruktur für aktive Mobilität (Radfahren und Zu-Fuß-Gehen) und der zunehmenden Marktdurchdringung von E-Bikes steigt für viele Menschen prinzipiell das multimodale Mobilitätsangebot.

Neue Location

Die 21. Internationalen Salzburger Verkehrstage finden am 11. und 12. Oktober 2023 erstmals im Hotel Imlauer Pitter in der Rainerstraße 6 in der Stadt Salzburg statt.

Programm und Anmeldung: www.forum-mobil.at/salzburger-verkehrstage