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Refurbing in der Autoindustrie: Aus Alt mach Neu

"Refurbing" könnte die Autoindustrie revolutionieren. Konsequente Kreislaufwirtschaft als Lösung gegen drohenden Rohstoffmangel.

Die Serienversion des Konzeptfahrzeugs Falco des Salzburger Start-ups Alveri soll in naher Zukunft vorgestellt werden.
Die Serienversion des Konzeptfahrzeugs Falco des Salzburger Start-ups Alveri soll in naher Zukunft vorgestellt werden.

Googelt man den Begriff "refurbed", bekommt man zunächst seitenweise Werbeanzeigen für gebrauchte Smartphones. Tatsächlich boomt das Geschäft mit wiederaufbereiteter Unterhaltungselektronik bereits seit mehreren Jahren. Das hilft nicht nur, wertvolle Ressourcen zu schonen und Emissionen zu vermeiden, sondern bietet Konsumenten auch eine attraktive Alternative zu immer teureren Neugeräten.

Wiederaufbereitung von gebrauchten Autos steckt noch in den Kinderschuhen

Auf die Automobilbranche umgelegt, steckt das Refurbing - also das systematische Wiederaufbereiten gebrauchter Produkte - noch in den Kinderschuhen. Zwar sind in Europa, Nordamerika und auch Asien bereits erste Ansätze einer Art Kreislaufwirtschaft erkennbar. Allerdings beschränken sich diese zumeist nur auf die Neugewinnung der verwendeten Rohstoffe, wenn ein Auto das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat. Immerhin: Die großen OEMs betrachten Altfahrzeuge längst nicht mehr nur als Schrott, den es möglichst kostenneutral zu entsorgen gilt, sondern als eine Art "Materialbank" für künftige Produkte. Der Grund dafür: Das Recycling spart im Vergleich zur Neugewinnung wertvoller Rohstoffe unglaublich viel Geld.

Zirkuläres Ökosystem als 4. industrielle Revolution

Besonders optimistische Zugänge sprechen bereits von einer sich anbahnenden vierten industriellen Revolution. Mithilfe neuer Technologien wie Smart Contracts, basierend auf Blockchains, könnten Lieferanten, Produzenten, Entsorger und Dienstleister so ein transparentes, zirkuläres Ökosystem aufbauen. Jeder Rohstoff, jedes Einzelteil würde mit einem digitalen Ausweis nachverfolgbar. Langfristig könnte dadurch der alte Grundsatz kippen, wonach die Produktion von Waren immer auch zur Produktion von Abfall führt.

Laut dem Beratungsunternehmen Ernest & Young könnten zirkuläre Ansätze bis zum Jahr 2050 zwischen 40 und 60 Prozent zur Dekarbonisierung beitragen. Bei modernen Elektroautos bietet die Kreislaufwirtschaft vor allem im Bereich teurer und ressourcenintensiver Lithium-Ionen-Batterien enormes Potenzial. Unterschätzt wird häufig das Potenzial von Stahl. Laut Experten können Re-Use-, Refurbish- und Recyclingprozesse in den kommenden zwei Jahrzehnten 50 bis 60 Prozent der Emissionen reduzieren, bis dann irgendwann ausreichend grüner, also CO2-neutral mit erneuerbaren Energien hergestellter Stahl zur Verfügung steht.

Renault wird ab 2024 Fahrzeuge für den Second-Life-Markt aufbereiten

Erste Ansätze, dieses gigantische Potenzial zu nutzen, gibt es bereits. So hat der französische Autohersteller Renault sein Montagewerk am Standort Flins bei Paris in eine sogenannte Re-Factory umgebaut. Der Plan sieht vor, dass ab dem Jahr 2024 bis zu 45.000 Fahrzeuge jährlich für den Second-Life-Markt wiederaufbereitet werden. Der Clou: Die Re-Factory soll nicht nur 3000 Jobs bieten, sondern bis 2030 eine negative CO2-Bilanz aufweisen.

Aus strategischer Sicht sind solche Ansätze durchaus zukunftsweisend. Wer teure Metalle, aufwendig zu produzierende Kunststoffe und teure Batterien recycelt, ist weniger von schwankenden Weltmarktpreisen, instabilen Förderländern und anfälligen Lieferketten abhängig.

Alveri aus Salzburg lässt mit Refurbing-Elektroauto Falco aufhorchen

Doch nicht nur global agierende Konzerne, sondern auch heimische Start-ups streben konsequent in Richtung Kreislaufwirtschaft. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Alveri mit Sitz in der Stadt Salzburg. Dessen Gründer, das Brüderpaar Ehsan und Jakob Zadmard, sorgen seit einigen Jahre nicht nur mit smarten Apps und Laderobotern für Aufsehen - als zusätzliches Standbein will man in Kürze das erste eigene Elektroauto vorstellen, das nach den Grundprinzipien des Refurbings aufgebaut ist.

Auto mit drei Lebensabschnitte bei Nutzung bis zu 25 Jahren

"Unsere Motivation ist es, individuelle und lokal emissionsfreie Mobilität für jeden leistbar zu machen", erklärt Ehsan Zadmard. "Bei unserem Konzeptfahrzeug Falco rechnen wir deshalb mit einer Nutzungsdauer von 20 bis 25 Jahren." Diesen Zeitraum unterteilt das Team von Alveri in drei Lebensabschnitte.

Im ersten Abschnitt kann das Auto, dessen Preis rund 50.000 Euro betragen soll, als Neufahrzeug verkauft werden. Nach drei bis fünf Jahren - je nachdem, wie intensiv das Fahrzeug verwendet wurde - beginnt dann Lebensabschnitt zwei: Falco kommt zurück in die Werkstatt, wo jene Teile des Innenraums, die im Alltag besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden, binnen kürzester Zeit erneuert werden. Als Vorbild dient hier vor allem die Luftfahrt, wo diese Art Interieur-Refurbing seit jeher Standard ist.

"Wenn das Auto danach quasi wieder neu auf den Markt kommt, hat es aus unserer Sicht das Potenzial, den Gebrauchtwagenmarkt zu revolutionieren", ist Ehsan Zadmard überzeugt.

Im dritten Lebensabschnitt, der laut den Salzburger Unternehmern nach zehn bis fünfzehn Jahren beginnen könnte, soll das Fahrzeug dann in ein sogenanntes Smart-Grid-Netzwerk integriert werden, um zusätzlich als Energiespeicher verwendet zu werden. Während das Fahrzeugdesign außen bewusst zeitlos gestaltet wurde, kann das Refurbing-Fahrzeug innen mit geringem Aufwand an neue Moden angepasst werden.

Refurbing-Modell im Bereich der Nutzfahrzeuge aus Bad Dürrnberg

Ein anderer Elektropionier, der Unternehmer David Gruber aus Bad Dürrnberg, verfolgt den Plan, das Refurbing-Modell im Bereich der Nutzfahrzeuge umzusetzen.

"Ein langlebiger Bus aus Edelstahl wird durch die hohe Festigkeit sogar leichter."
David Gruber
Gründer Silenth

"Konkret haben wir vor, den von uns konstruierten Silenth-Elektrobus aus Edelstahl bauen zu lassen", so Gruber, aus dessen Sicht der Baustoff unzählige Vorteile bietet. Als Vorbild dient dabei der Zugbau, wo Laufzeiten von 50 Jahren und mehr keine Seltenheit sind. "Ein normaler Bus ist in allen Details für eine Laufzeit von acht Jahren konzipiert. Ältere Fahrzeuge gelten bereits als steinalt." Ein aus Edelstahl gebauter Bus könnte die Lebensdauer eines Busses extrem verlängern, das Interieur könnte in regelmäßigen Abständen erneuert werden. David Gruber: "Überraschenderweise wird der Bus dadurch sogar leichter, weil durch die hohe Festigkeit von Edelstahl weniger Material benötigt wird."