Kaum ein PR-Stunt hat in den letzten Jahren für so viel Aufmerksamkeit gesorgt wie das Rebranding von Jaguar im vergangenen Herbst. In einer erfahrungsgemäß eher konservativen Automobilindustrie hat das diverse, farbenfrohe neue Markenimage der britischen Traditionsmarke für eine Vielzahl an Schlagzeilen gesorgt, die nur selten positiv waren. Die 90 Jahre alte Marke verabschiedete sich von der ikonischen Raubkatze im Logo und läutete eine völlig neue, rein elektrische Ära ein.
Die Neuerfindung Jaguars war erfolgreich
Nun, ein halbes Jahr später, wird es Zeit, Bilanz zu ziehen. Wo steht Jaguar heute, was sind die nächsten Schritte und was war der Auslöser dieses radikalen Schnitts? Gegen die Erwartungen vieler hat sich die Neuerfindung Jaguars bereits jetzt als Erfolg entpuppt. Mit dem bisherigen Modellportfolio war ein profitables operatives Geschäft schlichtweg nicht mehr möglich, denn im hart umkämpften Premiumsegment zog Jaguar gegenüber den renommierten deutschen Herstellern seit Jahrzehnten den Kürzeren. Von 2019 bis 2022 operierte der gesamte Jaguar-Land-Rover-Konzern im Defizit, bevor wichtige Modelle wie der Defender und die aktuelle Range-Rover-Generation dem Unternehmen wieder schwarze Zahlen bescherten. Weiter hinter den Erwartungen blieben Jaguars konventionell betriebene Modelle wie XE und XF, und auch die Markenreputation befand sich auf einem langfristigen Tiefpunkt. So stand Tata Motors, die indische Konzernmutter von JLR, vor der Entscheidung, Jaguar entweder in die Insolvenz schlittern zu lassen oder noch einmal alles radikal umzukrempeln. Nach jahrelanger Vorbereitung ließ Jaguar am 19. November 2024 die Bombe platzen: Ein kryptisches, buntes und vor allem abstraktes Video wurde auf allen Social-Media-Plattformen veröffentlicht. Die ersten Reaktionen waren äußerst kritisch, doch das Ziel wurde erreicht: Jaguar war in aller Munde. Der Konzern bestätigte eine Verdopplung des Website-Traffics, Hunderte Millionen Social-Media-Impressionen und, vermutlich die wichtigste Metrik, laut Umfragen wird Jaguar nun wieder eher als echte Luxusmarke wahrgenommen. Genau um diese Marktposition hatten sich die Briten jahrzehntelang bemüht - und sie doch nie dauerhaft erreicht.
Jaguar Type 00: Jaguar will extravagantes Design beibehalten
Doch zwischen Imagewandel und erstem Verkauf liegt noch ein weiter Weg. Bislang dreht lediglich ein Konzeptfahrzeug seine Runden, das mit gewagten Proportionen, einer langen "Motorhaube" und vielen glatten Flächen imponiert. Grund genug anzunehmen, dass das Serienfahrzeug deutlich abgespeckt auf die Straße kommen wird, doch Insider behaupten das Gegenteil. Der Jaguar Type 00 soll lediglich leicht angepasst werden und den Großteil seiner extravaganten Designsprache behalten. Der viertürige Super-GT soll trotz zweier zusätzlicher Türen der sportlichen Dachlinie des Showcars treu bleiben. Auch das Lichtdesign soll um sicherheitsrelevante Elemente ergänzt, in weiten Teilen jedoch beibehalten werden.
Obwohl sich die Raubkatze aus dem Logo verabschieden musste, soll sie in kleinen Details und vor allem in der Performance weiterhin erkennbar sein. Der Type 00 basiert auf einer modernen 800-Volt-Elektroarchitektur, soll Experten zufolge über 900 PS leisten und eine souveräne Reichweite von rund 750 Kilometern ermöglichen.
Ob das monolithische Design und die zeitgemäße Technik Kundinnen und Kunden zum Kauf des wohl deutlich über 100.000 Euro teuren Jaguars bewegen werden, bleibt wie der Zustand von Schrödingers Katze vorerst unklar. Doch die Chancen stehen gut, dass Jaguar mit der wohl mutigsten Entscheidung der Firmengeschichte endlich zu Erfolg finden wird und die Katze lebendiger ist als je zuvor.