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Transformation zu nachhaltiger Mobilität in Unternehmen: Marcella Kral im SN-Interview

Der "Popcorn-Effekt" greift: Fuhrpark-Expertin Marcella Kral spricht im SN-Interview darüber, wie es um die Transformation zu einer ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Mobilität in Unternehmen aktuell steht.

Die Umstellung auf E-Mobilität in Unternehmen ist branchenübergreifend ein wichtiges Thema. Marcella Kral erläutert die aktuellen Herausforderungen und Fortschritte.
Die Umstellung auf E-Mobilität in Unternehmen ist branchenübergreifend ein wichtiges Thema. Marcella Kral erläutert die aktuellen Herausforderungen und Fortschritte.

Das Interview fand im Rahmen der sechsten "IMFS-Online-Session" statt und kann in voller Länge unter sn.at/IMFS angesehen werden.

Frau Kral, ist es in den vergangenen Jahren für Unternehmen einfacher geworden, auf die E-Mobilität umzustellen? Marcella Kral: Gerade beim Aufbau der Ladeinfrastruktur gibt es immer noch Hürden. Insbesondere wenn man am Firmenstandort einen stärkeren Netzanschluss oder einen Trafo braucht. Helfen kann in diesem Fall intelligentes Lademanagement, das das Maximum aus dem bestehenden Anschluss herausholen kann.

Wie schätzen Sie das Fahrzeugangebot ein? Elektrische Allradmodelle oder beispielsweise Pritschenwagen sind derzeit noch Mangelware, was vor allem im B2B-Bereich noch ein Manko ist. Ganz allgemein ist die Vielfalt der Modelle aber beeindruckend. Zudem gibt es eine spezielle Förderung für Nutzfahrzeuge und Busse, wir werden also noch heuer und im kommenden Jahr steigende Zulassungszahlen bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen mit Elektroantrieb sehen.

Wie groß ist der Mangel an Ladepunkten? Österreichweit gibt es mittlerweile über 23.000 öffentliche Ladepunkte. In dieser Statistik nicht berücksichtigt sind jedoch die internen Ladepunkte. Viele Firmen, die transformieren, möchten natürlich so wenig von der öffentlichen Infrastruktur abhängig sein wie möglich. Und am Firmenstandort zu laden ist natürlich eine attraktive Alternative. Einerseits wegen der möglichen Förderungen und Prämien, andererseits weil es in der Regel günstiger ist und man sich auch Zeit spart. Mit dem vollgeladenen Dienstfahrzeug vom Standort wegzufahren ist natürlich besser, als unterwegs öffentlich laden zu müssen.

Die E-Mobilität tut sich in der Öffentlichkeit aktuell recht schwer. Welche Gründe sehen Sie dafür? Man muss dabei unterscheiden. Da ist Deutschland, wo die Förderungen massiv zurückgeschraubt wurden und es nicht ganz klar ist, wohin die Reise geht. Wenn man sich die Situation auf europäischer Ebene ansieht, sieht es wesentlich positiver aus. Der Punkt ist aber: Viele Firmen transformieren ihre Fuhrparks aus dem einfachen Grund, weil es sich bei einer Gesamtkostenrechnung heute schon positiv auswirkt. Die zweite gute Botschaft: Die Sektoren Energie und Mobilität wachsen zusammen. Man kann also am Firmenstandort mit einer PV-Anlage und einem Pufferspeicher tatsächlich die eigene Energie zum Laden verwenden.

In diesem Jahr ist auch das "Praxishandbuch Nachhaltiges betriebliches Mobilitätsmanagement" erschienen, bei dem Sie mitgearbeitet haben. Welche Beispiele daraus sind Ihrer Meinung nach besonders spannend? Besonders interessant sind jene Unternehmen, die bei der Transformation nicht nur strikt an ihren Fuhrpark denken, sondern ganzheitlich agieren. Etwa indem die eigenen Ladepunkte auch öffentlich gemacht werden. So können alle davon profitieren.

Was macht die Mobilitätswende für Firmen so attraktiv - neben dem Faktor der Gesamtkosten? Zum einen haben Unternehmen die Möglichkeit, durch Investitionen in die Ladeinfrastruktur zusätzlich den Standort attraktiver zu machen und sich gegen Mitbewerber abzuheben. Zum anderen war auch die Sachbezugsbefreiung für das Laden zu Hause ein enormer Hebel für Mitarbeiter mit Elektroautos, weil sie dadurch nicht draufzahlen.

In Ihrem Beitrag im Buch haben Sie den sogenannten Popcorn-Effekt beschrieben. Können Sie das erklären? Jeder Mitarbeiter, der einen elektrischen Dienstwagen fährt, ist ja irgendwann auch privat unterwegs. Erfahrungsgemäß wird dann auch über die Autos gesprochen, man tauscht die eigenen Erfahrungen aus - und die sind meist positiv. Und so kommt dann eine Art Schneeball- oder Popcorn-Effekt ins Rollen. Nicht zuletzt, weil Firmenfahrzeuge nach drei Jahren interessante Gebrauchtwagen für Private sein können.

Marcella Kral
leitet beim ÖAMTC den Bereich "New Business" und ist damit für B2B-Kooperationen zuständig. Die stellvertretende Obfrau beim Fuhrparkverband Austria gilt als eine der renommiertesten E-Mobilitäts-Expertinnen des Landes.