Die Reichenhaller Firma L. Moralt geht auf einen Kolonialwarenhandel zurück. Heute ist sie eine Rösterei. Christian Kachel veredelt die Kaffeebohnen in einer Röstmaschine aus den 1930ern.
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Kleinere Mengen seines Kaffees füllt Christian Kachel von Hand ab. Ansonsten wird das maschinell erledigt.
Ideal-Rapid - so heißt der Schnellröster aus der Maschinenfabrik Ferdinand Gothot. Von einer Nachfahrin Gothots hat Röster Christian Kachel den originalen Verkaufsprospekt der Maschine bekommen, worin sie unter anderem mit folgenden Worten beworben wird: "Sehr große Stabilität und Lebensdauer bis nachweislich über 30 Jahre, saubere und präzise Ausführung mit allen Mitteln moderner Technik." Kachels Ideal-Rapid toppt diese Spanne deutlich: Sie stammt aus dem Jahr 1938 und verrichtet seitdem ihre Dienste für die Firma L. Moralt.
Diese wurde 1850 von Ludwig Moralt gegründet und befand sich im Zentrum von Bad Reichenhall, am Rathausplatz. Heute ist dort die Pizzeria Il Centro. Moralt führte sein Geschäft als klassischen Kolonialwarenhandel, wo es unter anderem auch Kaffee zu kaufen gab. 1911 erfuhr der Opa von Christian Kachel, dass Moralt sein Geschäft verkaufen will. Der Münchner schlug zu und übernahm die Firma. Vom Opa, der in München bei Dallmayr gearbeitet hatte, stamme der Zugang zu Kaffee in seiner Familie, erklärt Christian Kachel.
"Beim Rösten gibt es keinen Stress und keine Hektik."
Christian Kachel
Kaffeeröster
Sein Vater Heinz übersiedelte 1960 mit dem Geschäft in die Hallgrafenstraße, wo er einen Cash-and-carry-Markt (c+c), einen Selbstbedienungsgroßhandel für Gewerbetreibende, aufbaute. Christian Kachel hat lange neben seinem Vater im Markt gearbeitet und diesen schließlich übernommen. Ende 2023 entschied er sich allerdings, den Großhandel aufgrund von fehlendem Personal einzustellen und stattdessen die Firma L. Moralt als reine Kaffeerösterei weiterzuführen.
Beim Rösten gibt es keine Uhr
"Produzieren und rösten ist bei mir nicht das Gleiche", betont Kachel. "Ich röste sortenrein, denn jede Sorte hat eine andere Röstzeit. Erst danach stelle ich meine fünf Mischungen zusammen." Bevor er loslegen kann, muss er die Rösttrommel seiner Ideal-Rapid für einige Minuten von außen vorheizen. Dafür öffnet er den Gashahn der Maschine und entzündet eine Flamme. In der Folge jongliert er mit dem Gashebel. Erst gibt er viel Gas - das Thermometer zeigt 270 Grad -, dann fährt er herunter auf 140 Grad und lässt 20 Kilogramm an Bohnen der Sorte Indian Robusta Cherry AB in die Trommel rieseln. Wieder ein Griff zum Gashahn und die Ideal-Rapid heizt den Bohnen kräftig ein. "Beim Rösten bewege ich mich um die 200 Grad", schildert Kachel.
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Über den Gashebel wird die Temperatur beim Rösten geregelt.
Immer wieder fährt der 58-Jährige mit einer kleinen Schaufel in die Trommel und holt eine Probe an Bohnen heraus, um den Fortschritt beim Rösten zu kontrollieren. Zunächst sind die Bohnen grün, nach und nach geht ihre Farbe ins Bräunliche über. "Ich schaue beim Rösten nicht auf die Uhr", erklärt Kachel. "Es gibt keinen Stress und keine Hektik. Die Maschine gibt die Zeit vor. Sie braucht so lange, wie sie braucht." Dann heißt es, aufmerksam zu sein. "Jetzt muss ich aufpassen. Jetzt geht's dahin", stellt Kachel fest. Er spielt wieder mit dem Gas- und zusätzlich mit einem Lufthebel. Schließlich haben die Bohnen die gewünschte satte, dunkelbraune Färbung erreicht und verströmen den typischen Kaffeeduft.
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Einstellung an der Röstmaschine.
Die Trommel entlässt die Bohnen auf ein rundes Sieb, das von unten mit kalter Luft angeblasen wird. Damit die Bohnen noch schneller abkühlen, werden sie von einem Haken immer wieder umgewälzt. Anschließend werden sie über ein Rohr in die von der Decke hängenden Silos gesaugt. Jede Sorte hat ihr eigenes. Kachel holt sich dann die Menge von jeder Sorte, die er für seine Mischungen braucht.
Das Handwerkliche beim Rösten gefiel Kachel schon als Bursch, Kaffee selbst war ihm damals egal. Anfang 20 entdeckte er das schwarze Getränk doch noch für sich. Nach seiner Ausbildung zum Großhandelskaufmann arbeitete er bei Feinkost Böhm in Stuttgart, wo er alle Stationen des Kaffees durchlief - vom Rösten bis zum Verpacken.
Maschine frei von Macken
"Das Wichtigste beim Rösten ist das Gespür", betont Kachel. Ein Gespür für den Röstgrad, denn Bohnen können auch totgeröstet werden. Dann verlieren sie ihre geschmacklichen Feinheiten und Aromen. Aber auch ein Gespür für die Röstmaschine. Kachel kann sich auf seine Ideal-Rapid verlassen. Die alte Dame braucht nur ein bisschen Pflege in Form von Getriebeöl zum Schmieren der Lager. "Sie hat keine Macken und sie hat mich auch noch nie im Stich gelassen", lobt Kachel seine Maschine.
Sie ist übrigens nicht das einzige ältere Objekt der Firma L. Moralt. Die Einrichtung des Büros am Firmensitz Hallgrafenstraße 5 hat etwas von einem Museum, strahlt sie doch den Charme der 1960er-Jahre aus, etwa mit den Einbaukästen, Schreibtischen und schwarzen Ledersesseln. An der Wand hängen ausgeschnittene Zeitungsartikel aus verschiedenen Jahrzehnten. Eine alte Schreibmaschine wartet vergebens darauf, dass auf ihr ein Brief getippt wird, haben doch Computer und Drucker Einzug ins Büro gehalten. Natürlich gibt es dort auch eine Kaffeemaschine.
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Links: Die Trommel wird befüllt. Rechts: Im Silo warten die Bohnen darauf, gemischt und abgefüllt zu werden.
Nebenan, in der Rösterei, stehen die jüngsten Anschaffungen: eine Abfüllwaage und eine Versiegelungsmaschine. Privatkunden können dienstags zwischen 15 und 19 Uhr in der Rösterei Kaffeebohnen kaufen und diese in eigenen Gebinden mit nach Hause nehmen. Wenn gewünscht, mahlt Christian Kachel die Bohnen zuvor. Zu seinen Kunden gehören aber auch Gastronomiebetriebe aus dem Berchtesgadener Land und dem Chiemgau.
Geröstet wird aktuell aber nicht für sie. Die Ideal-Rapid pausiert, weil Christian Kachel Urlaub in der Karibik macht. Dort will er nicht nur surfen, sondern sich auch mit lokalen Röstern austauschen. Vielleicht kommt er mit der einen oder anderen Idee zurück nach Bad Reichenhall, bei deren Umsetzung ihn die Ideal-Rapid unterstützen wird.