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Arlberg Gesetz bremst Investoren: Zukunft des Tourismus in Gefahr?

Ein Gesetz, das am Arlberg Zweitwohnsitze verhindern soll, verschreckt nun auch große Investoren. Das könnte zum Problem für die weltweite Topdestination werden.

Lech am Arlberg ist einer der internationalen Tourismus-Hotspots. Das wirkt sich auch auf den Immobilienmarkt aus.
Lech am Arlberg ist einer der internationalen Tourismus-Hotspots. Das wirkt sich auch auf den Immobilienmarkt aus.

Nur wenige Makler sind in der Region Arlberg tätig. "Weil das Angebot limitiert ist", sagt Christian Herzog, Immobilienmakler aus Graz und Arlberg-Kenner. Aktuell hat er fünf Objekte zum Verkauf, in Oberlech, ein exklusives Baugrundstück mit freiem Bergblick etwa, ein Apartment direkt an der Skipiste um 5,5 Millionen Euro oder ein Hotel.

Immobilienpreise steigen am Arlberg

"In Österreich gibt es nur zwei Regionen, die einen internationalen Immobilienmarkt haben, das ist Wien und die Region Arlberg", betont Herzog. In der Skiregion, die weltweit unter den Top 5 rangiert, sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren um 6,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Zur Veranschaulichung: Ein Hotel, das im Jahr 2000 für eine Million Euro auf den Markt kam, hätte heute einen Wert von rund fünf Millionen Euro.

Und das zeigt sich häufiger als Problem, nachdem in der Hotellerie die Zahl der familieninternen Übernahmen abnimmt. Viele der Hotels sind renovierungsbedürftig. Nachdem die erzielbaren Nächtigungspreise in keiner Relation zu den Anschaffungs- und Renovierungskosten stehen und die Immobilie erst nach Jahren Gewinn abwerfen würde, sind solche Investments für potenzielle Käufer wenig lukrativ.

Christian Herzog bearbeitet den Markt seit mehr als 20 Jahren, er ist am Arlberg auch als Immobilienentwickler tätig. Er kennt die Region, die Menschen und die Themen. Wohnraum ist kaum noch finanzierbar, am wenigsten für die Einheimischen. Zweitwohnsitze sind nur jene erlaubt, die bereits als solche gewidmet sind.

Vorarlberg stoppt illegale Zweitwohnsitze

Zuletzt kam neuer Wohnraum auf den Markt, nachdem manche Hoteliers ihre Häuser zu Apartmentwohnungen umbauen ließen. Das Land Vorarlberg schob dem einen Riegel vor: Eine gesetzliche Regelung schreibt seit Anfang 2024 vor, dass es Investoren nicht erlaubt ist, selbst in ihren Immobilien nächtigen zu dürfen. Man wollte damit verhindern, dass aus den kleinen Apartments versteckte Zweitwohnsitze werden.

Doch die Regelung hält auch große Investoren ab, die Hotels kaufen, entwickeln und in die Region investieren wollen, wie Herzog betont. Das Gesetz würde auch für diese Investoren bedeuten, nicht Gast im eigenen Haus sein zu dürfen. Wohlhabende ausländische Investoren suchten nach anderen Regionen auf der Welt. "Ich bin gegen jegliche Form von neuen Zweitwohnsitzen. Doch eine touristische Region funktioniert nur, wenn sie genutzt wird und ausreichend Gäste kommen."

Der Makler plädiert für ein Umdenken: Nur wenn ein Ort reichlich Einnahmen hat, kann Infrastruktur erhalten werden und Neues entstehen. Die Wertschöpfung bleibt in der Region, Arbeitsplätze können erhalten werden und Steuern wie Abgaben fließen an die öffentlichen Kassen.

Investitionsboom endet: Hotellerie kämpft

Auch Thomas Reisenzahn von Prodinger und Partner sieht die Hotellerie vor großen Herausforderungen stehen. Seit die enormen Preiserhöhungen dem Investitionsboom aus der Pandemiezeit ein Ende bereitet haben - vor allem Tirol und Vorarlberg verzeichneten zuletzt einen Investitionsrückgang von mehr als 40 Prozent -, sieht er die Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der Branche in Gefahr. "Sinkende Rentabilität, längere Schuldentilgungsdauern und höhere Finanzierungskosten bedrohen die Zukunft des Tourismus", sagt Reisenzahn. Die Branche, einst als Motor regionaler Entwicklung gefeiert, werde zudem zunehmend zum Sündenbock für soziale Spannungen und Fehlentwicklungen, nicht selten zu Unrecht, sagt er. Das Thema Hauptwohnsitz spalte oft Dorfgemeinschaften, wenn Kontrollen zunehmend auf nachbarschaftlicher Ebene erfolgten und diese Meldungen anonym erstattet würden.

"Teurer Grund und Boden wird den Tourismus in Österreich mittelfristig"
Martin Domenig
Berater Kohl & Partner

Grundstückspreise beeinflussen Tourismusentwicklung

Für Martin Domenig vom Beratungsunternehmen für Tourismus Kohl und Partner, sind die hohen Grundstückspreise in touristischen Regionen Fluch und Segen zugleich. Was sich auf der einen Seite positiv für die Besicherung von Projekten zeigt, wirkt negativ dort, wo gebaut, gekauft oder investiert werden muss. Das betrifft die einheimische Bevölkerung, aber auch neue Hotelprojekte, wo hohe Grundstückspreise schon so manches Hotelprojekt verunmöglicht haben. "Teure Destinationen bedeuten zudem nicht automatisch prosperierenden Tourismus", sagt Domenig, besonders dort wo in den Apartmenthäusern den Großteil des Jahres die Jalousien geschlossen sind.

Diese "kalten Betten" bringen nachweislich weniger Wertschöpfung in die Regionen als Hotels und Beherbergungsbetriebe. "Es gibt aktuell viele Betriebe, bei denen man sich fragen muss: Ist das schon ein Zweitwohnsitz oder noch ein touristischer Betrieb?", sagt der Consulter - etwa wenn in einem sogenannten Buy-to-let-Modell ein Käufer eine Wohneinheit in einer touristisch genutzten Immobilie erwirbt, als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird, diese Wohnung nur wenige Wochen selbst nutzt und den Rest des Jahres über eine Gesellschaft vermietet.

Für eine gerechte wie kluge Aufteilung des Wohnraums für die Bevölkerung und die Touristen bräuchte es mehrere Hebel, findet Martin Domenig. Die gesetzliche Festlegung im Rahmen von Zweitwohnungsregelungen sei notwendig, könne hierzulande aber optimiert werden. Als Beispiel nennt er die Schweiz, wo in gewissen Gemeinden der Anteil an Zweitwohnungen nicht höher als 20 Prozent liegen darf.

Wohnbauprojekte schaffen neue Herausforderungen

Neue touristische Bauprojekte müssten im Vorfeld genauer geprüft werden und hier sieht Domenig nicht selten die Kommunen überfordert, wenn es zu beurteilen gilt, ob ein Projekt für die Region Nutzen bringt, viele am Ende aber nur "kalte Betten" schaffen. Es bräuchte zudem eine durchdachte Lösung, wie für Einheimische Wohnraum geschaffen werden kann. Er nennt als Beispiel den Tegernsee, Sehnsuchtsort für viele wohlhabende Münchener. Dort sind Zweitwohnsitze genehmigt, doch es werden fiktive Mieten angesetzt, und von diesem Betrag ist eine Wohnungssteuer von 20 Prozent zu leisten. Mit diesem Geld wird für die Einheimischen Wohnraum errichtet.

Tourismus in Österreich verändert sich

Teurer Grund und Boden werde den Tourismus in Österreich mittelfristig verändern, ist Domenig überzeugt. Fehlen Übernehmer in Tourismusbetrieben, wird es verstärkt zu Erbpacht- oder Leibrentenvereinbarungen kommen, bemühte Hoteliers werden künftig möglicherweise neben dem eigenen weitere Hotels führen, die keine familieninternen Nachfolger haben, das zeichne sich bereits jetzt ab. "Hotels in Österreich sind zu rund 80 Prozent familiengeführt, in der Schweiz ist es umgekehrt, dort sind 80 Prozent der Hotels in den Händen von Investoren oder externen Betreibern", betont der Consulter. Dass sich Besucher sehr wohl auch für eine Region stark machen können, zeigt sich am Arlberg: Dort halten vermögende Gäste bereits Anteile an Hotels und springen ein, wenn es finanzielle Engpässe gibt.