"Wir müssen nicht verändern, wir müssen revolutionieren!"
Daniel Knuchel
Advicum Consulting
ÖFV-Geschäftsführer Murhammer setzt auf Individualisierung
Einen Weg aus der Krise sieht ÖFV-Geschäftsführer Murhammer in der stärkeren Individualisierung. Das ist insofern interessant, als dass sich die heimische Branche von jenen der Nachbarländer schon früher dadurch unterschieden hat, viel öfter individuell nach Kundenwunsch zu fertigen. Murhammer: "Es gibt enorme Fortschritte bei Technik oder Energetik, die Kundinnen und Kunden haben daher viel größeres Interesse an einer individuellen Planung. Man kann aber trotzdem ein Haus aus dem Musterhauspark eins zu eins haben."
Berater Daniel Knuchel: "Die Erfahrung aus der industriellen Hausproduktion ist ein großer Vorteil, alles ist dabei optimiert. Die Branche kann Holzriegelbauweise perfekt, das lässt sich zum Beispiel für Aufbauten auf den Prachtbauten von Wien nützen. Allein auf den Dächern von Wien wäre Platz für den Bestand von Graz." Die Branche sei groß geworden mit "Einheitshäusern" für niedrige Einkommen. Der frühere Platzhirsch habe in Spitzenzeiten 1200 Häuser im Jahr gebaut. "Andere setzten auf hochwertige Bauweise und sind trotzdem insolvent geworden", weiß Knuchel.
Wohnbaukrise meistern: Neue Wege trotz gestiegener Baukosten & Zinsen
Jetzt stehe man vor der Problematik der fehlenden Baugründe, der um 30 Prozent gestiegenen Baukosten, der Kreditzinsen bei fünf Prozent und der verschärften Vergaberichtlinien durch die sogenannte KIM-Verordnung. "Weiter wie bisher geht also nicht, denn die Klientel ist weg." Die Branche müsse daher jetzt neue Wege gehen. Der frühere Massenhersteller etwa hat sich ins Hochpreissegment verlagert. "Das ist eine andere, wohlhabende Klientel, die wird es immer geben und die wird sich immer ein Einfamilienhaus leisten können", konstatiert Knuchel. "Zuallererst muss man sich fragen, ob das frei stehende Einfamilienhaus überhaupt noch die Bauweise der Zukunft ist." Es gebe in Deutschland bereits Gemeinden, die den Bau solcher frei stehenden Häuser verboten haben. Stattdessen werden sogenannte Clusterwohnungen gebaut, verdichtet, damit man die vorhandenen Flächen besser nützen kann. "In Deutschland gibt es schon Mindestbebauungsdichten, in Österreich sind wir noch bei den Höchstbebauungsdichten."
Angebot an Micro-Häusern und Clusterwohnungen erweitern
In Zukunft müsse die Fertighausbranche entweder Micro-Häuser bieten oder solche erwähnten Clusterwohnungen in verdichteten Gemeindegebieten. "Kleinstsiedlungen lassen sich industriell gut herstellen", rät der Experte. Auch Aufstockungen und Sanierungen sollten zum künftigen Geschäftsfeld der Branche zählen.
Der erwähnte frühere Großhersteller habe etwa eine Vorhängfassade entwickelt, die für eine energetische Sanierung einfach davorgeschraubt wird. Auch auf aktuelle Trends sei zu achten, wobei sich diese durchaus widersprechen können. Knuchel: "Da gibt es einerseits die Stadtflucht. Angetrieben durch Homeoffice ziehen die Menschen zum Wohnen aufs Land und müssen nur wenige Tage ins Büro." Andererseits gebe es eine Landflucht, weil Städte für viele Menschen und Betriebe eine hohe Magnetwirkung haben. "In Wien müssten wir jährlich 20.000 Wohnungen bauen. Dafür gibt es keinen Platz, also bieten sich Aufstockungen an."
Teilweise würden solche neuen Wege schon beschritten, sagt ÖFV-Geschäftsführer Christian Murhammer. "Wir sehen uns als Partner für den Holzbau. Die Holzbauer sind ,Zimmerer', wir sind die Industrie. Wir haben beide ein klassisches Holzbewusstsein. Mit einem Schulterschluss lässt sich hier eine enge Zusammenarbeit verwirklichen." Das sei eine gute Basis, bestätigt Knuchel, denn mit der vorhandenen Technologie lasse sich noch viel mehr machen.
Dazu komme der Umweltgedanke: "Es sollte zumindest der Großteil des Materials aus nachwachsenden Rohstoffen stammen." Und man müsse Vorhandenes neu denken, rät Knuchel. "Es braucht finanzierbaren Wohnraum mit flexiblen Anpassungen an die Lebenszeit und die Lebensbedingungen." Solche neuen Wohnräume würden mit der Familie wachsen und sich später wieder reduzieren oder teilen lassen.
Klimadenken fördern: Energiegemeinschaften und ökologische Wohnprojekte
Das Umwelt- beziehungsweise Klimadenken werde noch vieles ändern. Murhammer denkt dabei an Kollektive und Gruppenprojekte, die Branche könne sich aber auch Energiegemeinschaften als Bauträger präsentieren. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland sei das Thema CO₂-Reduktion im Gebäudebereich bereits stark präsent. "Wenn es in der Schweiz geht, dann auch hier, denn die Schweizer sind sehr althergebracht", weiß der gebürtige Schweizer Daniel Knuchel. "Wir brauchen auch von der Gesetzgebung Initiativen für Wohnraum für die Massen in ökologischer Bauweise. Auch das wäre eine Chance für die Hersteller, nämlich gemeinsam mit Mitbewerbern Wohnkonzepte für die Masse anzubieten."
Für Murhammer ist jetzt der Zeitpunkt, über den eigenen Schatten zu springen und klarzumachen, dass man auch andere Anforderungen erfüllen kann: "In Wohngruppen kann sich jeder verwirklichen, das geht auch mit vorgefertigten Teilen."