SN.AT / Leben / Wohnen

Harte Zeiten für Österreichische Fertighausbranche: Einbruch um 40% bei Einfamilienhäusern

Der Traum von Eigenheim ist bei vielen Menschen ausgeträumt: Das schreckt auch die Fertighaushersteller auf. Eine Neuausrichtung der Branche ist dringend notwendig.

Der Traum vom Eigenheim hat sich für viele ausgeträumt - Die Bauträger stehen auf der Bremse, harte Zeiten für die Fertighausbranche
Der Traum vom Eigenheim hat sich für viele ausgeträumt - Die Bauträger stehen auf der Bremse, harte Zeiten für die Fertighausbranche

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: 2023 wurden bei den Mitgliedern des Österreichischen Fertighausverbandes (ÖFV) um 40 Prozent weniger Einfamilienhäuser gekauft als 2022. Der Rückgang bei großvolumigen Aufträgen fällt noch höher aus. Bauträger, Genossenschaften, Kommunen etc. bestellten rund 50 Prozent weniger Einheiten.

Die Fertighausbranche reagiert mit höheren Durchlaufzeiten & Kurzarbeit

Die Branche reagierte zunächst auf die aktuelle Entwicklung mit einer Erhöhung der Durchlaufzeiten, Zeitausgleichs- und Urlaubsabbau sowie Kurzarbeit. Oberstes Ziel war der Erhalt der hoch qualifizierten Fachkräfte in den Unternehmen. Letztlich ließen sich jedoch Kündigungen nicht mehr verhindern. Ende 2023 waren 17 Prozent weniger Beschäftigte bei den Mitgliedern des ÖFV tätig als Ende 2022.

Nun ist guter Rat teuer, denn wenn es so weitergeht, und die aktuelle Stimmungslage lässt diesen Schluss zu, dann wird es eng für die früher so erfolgsverwöhnte Branche. "Die Bauträger stehen auf der Bremse, sowohl die gemeinnützigen als auch die gewerblichen", sagt Christian Murhammer, Geschäftsführer des ÖFV. "Auch jene Firmen, die im großvolumigen Bereich, etwa mit Rathäusern, Kindergärten oder Schulen, tätig sind, haben an allen Ecken und Enden Probleme." Lediglich im landwirtschaftlichen Bereich, etwa bei Stallungen oder Hallen in Holzbau, sei die Situation besser.

Warum der Begriff "Fertighaus" irreführend ist

All diese Bauten fallen unter den Begriff "Fertighaus"? Murhammer: "Eigentlich ist der Begriff ,Fertighaus' irreführend, es geht um die Bauweise, die Vorfertigung von Modulen, Mauern, Dächern wettergeschützt in einer Halle. Damit kann ich jede Art von Gebäuden machen: Einfamilienhäuser, kommunale Gebäude oder großvolumige Bauten." Das Einfamilienhaus war aber immer das Kerngeschäft.

Was ist die Alternative zum Einfamilienhaus?

"Die aktuellen Rahmenbedingungen zwingen die Branche, umzudenken, sich neu zu strukturieren und sich an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen", sagt der Experte. Doch was sind die Alternativen zum Einfamilienhaus? "Ich verstehe nicht, warum die Branche von Dinosauriern geführt wird, die nichts ändern wollen", nimmt Daniel Knuchel von der Advicum Consulting, ein Experte für Restrukturierungsberatung, kein Blatt vor den Mund. "Wir müssen nicht verändern, wir müssen revolutionieren! Die Branche hat genügend Kraft zu Veränderung und muss nicht ständig nach staatlichen Förderungen rufen."


"Wir müssen nicht verändern, wir müssen revolutionieren!"
Daniel Knuchel
Advicum Consulting

ÖFV-Geschäftsführer Murhammer setzt auf Individualisierung

Einen Weg aus der Krise sieht ÖFV-Geschäftsführer Murhammer in der stärkeren Individualisierung. Das ist insofern interessant, als dass sich die heimische Branche von jenen der Nachbarländer schon früher dadurch unterschieden hat, viel öfter individuell nach Kundenwunsch zu fertigen. Murhammer: "Es gibt enorme Fortschritte bei Technik oder Energetik, die Kundinnen und Kunden haben daher viel größeres Interesse an einer individuellen Planung. Man kann aber trotzdem ein Haus aus dem Musterhauspark eins zu eins haben."

Berater Daniel Knuchel: "Die Erfahrung aus der industriellen Hausproduktion ist ein großer Vorteil, alles ist dabei optimiert. Die Branche kann Holzriegelbauweise perfekt, das lässt sich zum Beispiel für Aufbauten auf den Prachtbauten von Wien nützen. Allein auf den Dächern von Wien wäre Platz für den Bestand von Graz." Die Branche sei groß geworden mit "Einheitshäusern" für niedrige Einkommen. Der frühere Platzhirsch habe in Spitzenzeiten 1200 Häuser im Jahr gebaut. "Andere setzten auf hochwertige Bauweise und sind trotzdem insolvent geworden", weiß Knuchel.

Wohnbaukrise meistern: Neue Wege trotz gestiegener Baukosten & Zinsen

Jetzt stehe man vor der Problematik der fehlenden Baugründe, der um 30 Prozent gestiegenen Baukosten, der Kreditzinsen bei fünf Prozent und der verschärften Vergaberichtlinien durch die sogenannte KIM-Verordnung. "Weiter wie bisher geht also nicht, denn die Klientel ist weg." Die Branche müsse daher jetzt neue Wege gehen. Der frühere Massenhersteller etwa hat sich ins Hochpreissegment verlagert. "Das ist eine andere, wohlhabende Klientel, die wird es immer geben und die wird sich immer ein Einfamilienhaus leisten können", konstatiert Knuchel. "Zuallererst muss man sich fragen, ob das frei stehende Einfamilienhaus überhaupt noch die Bauweise der Zukunft ist." Es gebe in Deutschland bereits Gemeinden, die den Bau solcher frei stehenden Häuser verboten haben. Stattdessen werden sogenannte Clusterwohnungen gebaut, verdichtet, damit man die vorhandenen Flächen besser nützen kann. "In Deutschland gibt es schon Mindestbebauungsdichten, in Österreich sind wir noch bei den Höchstbebauungsdichten."

Angebot an Micro-Häusern und Clusterwohnungen erweitern

In Zukunft müsse die Fertighausbranche entweder Micro-Häuser bieten oder solche erwähnten Clusterwohnungen in verdichteten Gemeindegebieten. "Kleinstsiedlungen lassen sich industriell gut herstellen", rät der Experte. Auch Aufstockungen und Sanierungen sollten zum künftigen Geschäftsfeld der Branche zählen.

Der erwähnte frühere Großhersteller habe etwa eine Vorhängfassade entwickelt, die für eine energetische Sanierung einfach davorgeschraubt wird. Auch auf aktuelle Trends sei zu achten, wobei sich diese durchaus widersprechen können. Knuchel: "Da gibt es einerseits die Stadtflucht. Angetrieben durch Homeoffice ziehen die Menschen zum Wohnen aufs Land und müssen nur wenige Tage ins Büro." Andererseits gebe es eine Landflucht, weil Städte für viele Menschen und Betriebe eine hohe Magnetwirkung haben. "In Wien müssten wir jährlich 20.000 Wohnungen bauen. Dafür gibt es keinen Platz, also bieten sich Aufstockungen an."

Teilweise würden solche neuen Wege schon beschritten, sagt ÖFV-Geschäftsführer Christian Murhammer. "Wir sehen uns als Partner für den Holzbau. Die Holzbauer sind ,Zimmerer', wir sind die Industrie. Wir haben beide ein klassisches Holzbewusstsein. Mit einem Schulterschluss lässt sich hier eine enge Zusammenarbeit verwirklichen." Das sei eine gute Basis, bestätigt Knuchel, denn mit der vorhandenen Technologie lasse sich noch viel mehr machen.

Dazu komme der Umweltgedanke: "Es sollte zumindest der Großteil des Materials aus nachwachsenden Rohstoffen stammen." Und man müsse Vorhandenes neu denken, rät Knuchel. "Es braucht finanzierbaren Wohnraum mit flexiblen Anpassungen an die Lebenszeit und die Lebensbedingungen." Solche neuen Wohnräume würden mit der Familie wachsen und sich später wieder reduzieren oder teilen lassen.

Klimadenken fördern: Energiegemeinschaften und ökologische Wohnprojekte

Das Umwelt- beziehungsweise Klimadenken werde noch vieles ändern. Murhammer denkt dabei an Kollektive und Gruppenprojekte, die Branche könne sich aber auch Energiegemeinschaften als Bauträger präsentieren. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland sei das Thema CO₂-Reduktion im Gebäudebereich bereits stark präsent. "Wenn es in der Schweiz geht, dann auch hier, denn die Schweizer sind sehr althergebracht", weiß der gebürtige Schweizer Daniel Knuchel. "Wir brauchen auch von der Gesetzgebung Initiativen für Wohnraum für die Massen in ökologischer Bauweise. Auch das wäre eine Chance für die Hersteller, nämlich gemeinsam mit Mitbewerbern Wohnkonzepte für die Masse anzubieten."

Für Murhammer ist jetzt der Zeitpunkt, über den eigenen Schatten zu springen und klarzumachen, dass man auch andere Anforderungen erfüllen kann: "In Wohngruppen kann sich jeder verwirklichen, das geht auch mit vorgefertigten Teilen."