Holzhybridquartier mitten in der Stadt: Das Leopoldquartier in Wien setzt neue Maßstäbe
Das Leopoldquartier in Wien hat eine einzigartige Lage, denn man befindet sich in Sichtweite zur Innenstadt und trotzdem in einer großzügigen Anlage mit viel Grünanteil in einem Holzhybridbau.
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Leopoldquartier in Wien: Moderne Holzhybridbauten in Sichtweite zur Innenstadt.
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Leopoldquartier in Wien: Moderne Holzhybridbauten in Sichtweite zur Innenstadt.
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Die Wohnungen im ersten Bauabschnitt werden noch heuer fertig.
Am Anfang war die Telekom. Genauer gesagt ein Betriebsareal im zweiten Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, an der Oberen Donaustraße entlang des Donaukanals. Das nicht mehr betrieblich benötigte Areal wurde 2018 vom Entwickler UBM erworben. "Wir wollten dort ein großes Hotel mit 1252 Zimmern errichten", erzählt Vorstand Peter Schaller, "und dann kam Corona." Das sei der Moment gewesen, das Unternehmen neu auszurichten, denn man erkannte, dass es kein Hotel dieser Größe in Wien mehr brauche.
Also entschied man, ein Quartier zu errichten, mit 25.400 Quadratmetern Bürofläche, 253 Wohnungen im ersten Bauteil und einem Hotel, aber jetzt nur mehr mit 218 Zimmern. Auf einer Gesamtfläche von rund 2,3 ha entstehen also unter dem Namen Leopoldquartier Living hochwertige Wohnungen und unter dem Namen Leopoldquartier Office moderne Büroflächen. Das vielfältige Angebot für Gastronomie und Nahversorgung - eingebettet in großzügige Grün- und Freiflächen - komplettiert das Stadtquartier. Ziel ist es, einen lebenswerten Raum für die Stadt von morgen zu schaffen.
Der Zug fährt Richtung Holzbau
"Die Neuausrichtung der UBM, einem der größten Developer in Europa, ging nun in Richtung Holzbau für Wohnen und Büro", sagt Schaller. Zudem entschlossen sich die Verantwortlichen, voll auf das Thema ESG zu setzen (Environment, Social, Governance). Schaller: "Wir haben uns freiwillig dazu verpflichtet, weil wir der Ansicht sind, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man diesen Weg geht."
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Leopoldquartier Office mit modernen Büroflächen.
Die Holzhybridbauweise des Leopoldquartier Office reduziert den CO₂-Fußabdruck auf ein Minimum. Insgesamt werden im Gebäude rund 2800 Kubikmeter Fichtenholz aus Kärntner Werken verbaut, darunter 17.000 Quadratmeter Holz-Beton-Verbund-Decken aus Brettsperrholz mit Aufbeton und rund 700 Brettschichtholzstützen.
Die ESG-Kriterien der EU sehen vor, dass Europa 2050 klimaneutral sein soll. "Wir haben mit dem Leopoldquartier das erste Stadtquartier in Europa, das in Hybridbauweise errichtet wird und im Betrieb CO₂-frei sein wird", ist Schaller stolz. Und die Lage sei ohnehin sensationell, am Donaukanal mit dem Wettsteinpark gelegen, auch der Augarten ist in der Nähe. Zu Fuß ist man in wenigen Minuten bei der U-Bahn beziehungsweise im ersten Bezirk.
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Grüner Wohnen.
Worauf Schaller noch stolz ist: "Wir haben hier entsiegelt und zwar um 15 Prozent gegenüber dem vorherigen Zustand." Zusätzlich werden Dächer und Terrassen begrünt, zum Teil auch die Fassade. "Da kommt ein grünes Quartier mitten in die Stadt hinein. Die Oberfläche ist zudem autofrei." Im Tiefgeschoß des Büroteils befinden sich 127 Pkw-Stellplätze.
In erster Linie setzt man auf ein Mobilitätskonzept mit Car- und Bikesharing, Lastenrädern und E-Ladestationen als Antwort auf die verringerte Stellplatzzahl, das war eine Vorgabe der Stadt Wien.
Alle Wohnungen sind frei finanziert
Aus Sicht des Entwicklers erfreulich ist auch die Tatsache, dass die Wohnungen komplett frei finanziert sind. Denn aktuell widmet die Stadt Wien nur mehr, wenn zwei Drittel auf geförderten Wohnbau entfallen und ein Drittel frei finanziert ist. Um sich gegenüber der stark befahrenen Oberen Donaustraße abzuschirmen, wurde das Bürogebäude vorn errichtet, ebenfalls in Holzhybridbauweise; lediglich Untergeschoß und Erdgeschoß sind aus Stahlbeton. In den Stockwerken darüber sind die Kerne aus Massivbeton, Leimholzbinder tragen die restliche Holzkonstruktion mit Fertigteilbindern, Holz-Beton-Verbund-Decken (HBV) und Brettsperrholz. Nach außen hin trägt die Gewerbeimmobilie eine Alu-Glas-Fassade. Hohe Decken und natürliche Holzoberflächen schaffen eine gesunde Arbeitsatmosphäre, flexible und effiziente Flächen bieten beste Voraussetzungen für individuelle Bürokonzepte.
Beim Bau konnte durch diese modulare Bauweise ein relativ hoher Grad an Vorfertigung genutzt werden, das betrifft die Stützen ebenso wie die Fassadenteile. Noch während der Errichtung wurden die Fugen in den Fassadenelementen vergossen, wodurch Schlagregendichte dafür sorgte, dass die Holzteile trocken blieben.
"Die Fertigelemente werden im Werk unter den immer gleichen Bedingungen produziert, das garantiert hohe Qualität."
Peter Schaller
Vorstand UBM
Auch die Wohnbauten sind Holzhybridgebäude, auch hier sind das Untergeschoß und das Erdgeschoß in Massivbauweise errichtet. Darüber gibt es tragende Brettsperrholzwand- und -deckenelemente. Auch die Außenhaut besteht aus fertigen Holzelementen inklusive Fenster und Raffstores.
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Die Bäder werden als fertige Module eingesetzt.
Der Modulbauweise bleibt die UBM auch in den Bädern treu. Während kleine Bäder konventionell gefertigt werden, sind die größeren Bäder Fertigelemente, die komplett eingehoben werden. Das mache einen Riesenunterschied von der Bauweise und der Qualität her. Schaller: "Die Elemente werden im Werk unter den immer gleichen Bedingungen produziert, das garantiert eine höhere Qualität." Er sieht in solchen Verfahren die Zukunft am Bau, das werde sich bald etablieren.
Holzbau sei ganz generell aus seiner Sicht ohnehin die Zukunft, sagt Schaller, deshalb müsse man auch aus der Praxis wissen, wie man damit umgehe und wie man ihn einsetze. "Das Thema Brandschutz kann man relativ leicht in den Griff bekommen", sagt Schaller: "Wenn es brennt, dann immer gleich und damit kontrollierbar, etwa einen Millimeter pro Minute." Ein anderes Thema ist die Feuchte. Hier sei es wichtig, keine unkontrollierte Feuchtigkeit etwa im Sanitärbereich zuzulassen. Deshalb gebe es dafür Sensoren, die Auffälligkeiten sofort anzeigen. Eine gleichmäßige, konstante Raumluft trage auch dazu bei, dass es keine Feuchtigkeitsschäden in der Holzkonstruktion gibt.
Gesamtes Quartier steht Investoren offen
Im Wohnbau werde es einen Kindergarten mit fünf bis sechs Gruppen geben, das sei eine Vorgabe der Stadt Wien, die den Kindergarten zu einem am Beginn schon festgesetzten Preis kaufen und einen Betreiber einsetzen wird.
Die UBM werde das gesamte Leopoldquartier errichten und dann alles verkaufen. Bei den Büros würden Investoren in der Regel ab einer Belegung von mehr als 90 Prozent einsteigen. Die derzeit anfallenden Kosten von Kauf, Bau und Errichtung müsse die UBM finanzieren. Investoren würden natürlich auf die Rendite schauen, in Summe fünf bis sechs Prozent würden erwartet.
Bei den Wohnungen stehe man im Einzelvertrieb, sagt der Vorstand. Preislich liege man im Durchschnitt bei 9500 Euro pro Quadratmeter, die Nachfrage sei gut. Im Durchschnittsmix verfügt eine Wohnung im Leopoldquartier über 60 Quadratmeter, das Angebot reicht von der 1,5-Zimmer-Wohnung bis zur Vierzimmerwohnung. Alle sind mit Terrasse oder Balkon ausgestattet. Schaller: "Eine Wohnung in einem Holzhybridhaus zu erwerben, ist, wie Eier von freilaufenden Hühnern zu kaufen. Es bedeutet: wohnen ohne schlechtes Gewissen."
Interessant dabei ist, dass die lange Zeit für ein Auslaufmodell gehaltene Garçonnière wieder ein Revival feiert. Schaller: "Es gibt immer mehr Singlehaushalte, gegenüber früheren Kleinwohnungen werden Lift, Balkon und Fußbodenheizung erwartet." Dafür seien die Grundrisse besser, so komme man mit weniger Quadratmetern an Wohnfläche aus.
Günstiger Betrieb
Bemerkenswert am Leopoldquartier ist auch das Thema Betriebskosten. "Wir schaffen einen CO₂-freien Betrieb", betont der UBM-Vorstand: "Dafür wurden 200 Tiefensonden 150 Meter tief gebohrt." Mithilfe von neun Wärmepumpen wird im Winter die Wärme aus dem Boden geholt, im Sommer wird die Wärme wieder zurückgeführt. Die Büros werden mit der Wärmepumpe gekühlt, bei den Wohnungen wird ein stabiles Temperaturniveau über die Fußbodenheizung erzielt.
Um die Energie für den Betrieb der Wärmepumpen zu erzeugen, wurden ein Photovoltaik-Kraftwerk mit 1000 Paneelen und einer Leistung von 380 kW/Peak errichtet. "Damit decken wir 65 Prozent des Strombedarfs für Heizung und Kühlung ab", sagt Schaller. Der Rest ist zugekaufter Grünstrom. Um die CO₂-Freiheit zu gewährleisten, wird mit den Mietern im Bürobereich ein "Green-Lease-Vertrag" abgeschlossen. Bei den Wohnungen gebe es aber für die Wahl des Stromanbieters keine Vorgaben.
Pufferspeicher mit 300 Kubikmetern
Als Energie-Pufferspeicher im Keller wird ein Wasserspeicher mit 300 Kubikmetern genutzt. Und noch eine Weltneuheit kann UBM beim Leopoldquartier Office präsentieren: Die Firma XAL aus Graz hat eine Stehleuchte entwickelt, die gleichzeitig die gesamte Steuerung und Sensorik für die Büros übernimmt, also Feuchtigkeit, Temperatur und Präsenz der Menschen. Diese Steuerung kann also auf ganz individuelle Anforderungen direkt reagieren.
DATEN & FAKTEN
Begrünung Mehr als die Hälfte der gesamten Liegenschaft ist Grünfläche. Die Dächer tragen mit ihrer semi-intensiven, biodiversen Bepflanzung zu einem angenehmen Stadtklima bei.
CO₂-neutral Durch die Nutzung von Erdwärme, Erdkälte und Photovoltaik ist das Leopoldquartier im Betrieb CO₂-neutral. Die Energie stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen.
Pufferspeicher Der Energiespeicherung dient ein Pufferspeicher im Keller in Form eines thermodynamisch aktivierten Sprinklertanks mit 300 Kubikmetern.