Die EU strebt einen Netto-Null-Bodenverbrauch bis 2050 an. Österreich liegt dabei derzeit noch im internationalen Spitzenfeld. Jeden Tag werden rund 5,5 Hektar Boden verbaut, mit negativen Auswirkungen auf Umwelt und Menschen. Gleichzeitig stehen in manchen Städten fast 20 Prozent der Gewerbe- und Industrieflächen leer. Das rechnete Greenpeace bei dem Brachflächen-Gipfel des Umweltministeriums im Herbst 2024 vor.
Nachnutzung von Gewerbefläche in Grödig
Auch kleinere Gemeinden müssen sich immer öfter mit der Thematik auseinandersetzen. Es geht um Beschränkung von Siedlungsgrenzen, Verdichtung der aussterbenden Ortskerne und Nachnutzung von Gewerbeflächen. So auch in Grödig, südlich der Stadt Salzburg, an dessen Hauptstraße bis vor vier Jahren die auf Schwerlasttransporte spezialisierte Logistikfirma Knoll angesiedelt war. Seit der Übersiedlung nach Puch steht das ehemalige Gewerbeareal leer und nach einer sinnvollen Nachnutzung der Brachfläche wurde gesucht.
Gemeinde und Gestaltungsbeirat Grödig sprachen sich für ein gemischt genutztes Wohnquartier mit einem hohen architektonischen und städteräumlichen Anspruch aus.
Bis 2027 entstehen nun auf der 18.200 Quadratmeter großen Fläche 78 Wohnungen sowie ein großes Büro- und Geschäftsgebäude. Das spanisch-österreichische Architektenduo Roberto Rodríguez Paraja und Bernd Haslauer wurde mit den Plänen beauftragt. Zusammen mit Eidos Architektur gewann ihr Büro auch den Wettbewerb für Besucherzentrum, Archäologisches Museum und Iuvavum Museum beim Salzburger DomQuartier. Neben solchen Kulturprojekten und Revitalisierungen verfügen die zukünftig gemeinsam firmierenden Eidos.Haro-Architekten auch über eine ausgewiesene Expertise im Bereich Wohnbau.
Menschen statt Maschinen: Büros, Geschäfte und Wohnungen
Der Entwurf für das Grödiger Knoll-Areal war laut Roberto Rodríguez Paraja "eine reizvolle Aufgabe für uns als Architekten ebenso wie für die Gemeinde und die Einwohner, weil damit dringend benötigter Wohnraum geschaffen wird". Als Schutzschild zur Hauptstraße entsteht ein lang gezogenes, viergeschoßiges Büro- und Geschäftsgebäude mit mehr als 10.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche. Der mehrachsige, polygonale Solitär mit auskragenden Geschoßen und unterschiedlichen Höhen soll ein echter Blickfang werden. Die Büroflächen haben durch die vor- und zurückspringenden Gebäudeteile Licht von drei Seiten, großflächige Fensterflächen in Richtung Westen und Untersberg sowie große grüne Terrassenzonen. Markante, hochgestellte Lamellen vor der Fassade sorgen für Privatheit und Sonnenschutz ebenso wie für Transparenz.
Dazu der Architekt: "Wir wollten hier keines der gängigen Businesscenter, sondern besonders attraktive Büroflächen, um innovative Firmen anzusprechen."
Flanierzone für alle
Im Erdgeschoß ist der Grundriss des Bürobaus verjüngt und bietet durch breite Überstände eine Art öffentlichen Raum. Besucher können ungestört von Wind und Wetter flanieren, fast wie in einem Shoppingcenter. Hier sollen ein Nahversorger, Shops und ein Café einziehen. Vorgelagert an der Hauptstraße entstehen eine Allee und Parkflächen für die Besucher. Der lang gezogene Bau wird fast die gesamte Westgrenze des Grundstücks entlang der Hauptstraße einnehmen und damit für die zukünftigen Bewohner des Wohnquartiers eine effektive Sicht- und Schallbarriere zur Hauptstraße sein.
Von der Wohnsiedlung ist der Verkehr auch physisch weitestgehend ausgeschlossen. Das Areal ist als großzügiger, autofreier Wohnpark konzipiert. Zwischen den sieben massiv gebauten Wohnkörpern sollen ausschließlich Fußgänger, Räder und Scooter unterwegs sein.
Die Autos parken in einer Tiefgarage unter der Siedlung. Die Ab- und Auffahrtsrampe liegt unmittelbar neben dem Büro- und Geschäftsgebäude.
Gewachsene Architektur
Laut Roberto Rodríguez Paraja beschäftigen sich die Haro-Architekten seit Jahren intensiv mit dem Design von Wohnungen: "Die Wohnbauvorschriften sind für uns kein Hindernis, sondern vielmehr ein Anreiz, weiter zu forschen und optimale Lösungen zu finden - insbesondere in Bezug auf Privatsphäre und Sonnenausrichtung innerhalb einer Siedlung." Die sieben Wohngebäude werden wie auf einem Schachbrett versetzt verteilt, um größtmöglichen Durchblick und natürliche Belichtung ohne gegenseitige Beschattung zu gewährleisten.
Sie bestehen jeweils aus drei zusammenhängenden Bauteilen nach dem Vorbild einer Blume, die ihre Blätter rund um den Stängel anlegt, um maximale Lichtausbeute für ihre Photosynthese zu erhalten. Der Stängel ist in diesem Fall das Stiegenhaus mit umlaufenden Treppen. Es wird durch eine durchgehende Fensterzone von Norden erhellt.
Die "Blätter" sind die drei über diese Mittelachse zusammenhängenden und je nach Wohnungsgröße unterschiedlich großen Baukörper. Auf jeder Ebene gebe es je eine 55, 65 und 95 Quadratmeter große Wohnung, beschreibt Paraja: "Der Grund für die Häuserform ist nicht nur ein architektonischer Einfall. Wir wollten, dass eine Wohnung nicht einfach nur eine Fensterzone auf einer anonymen Gebäudefassade ist. Alle zukünftigen Bewohner sollen ihre Wohnung sofort von außen erkennen können. Die Form ergibt sich zudem aus einer präzisen Berechnung des lokalen Sonnenverlaufs, um für jede Einheit das optimale Licht und den besten Ausblick zu gewährleisten."




