Mit dem Konzept, ökologisch leben zu können und auch bei Strom, Wasser und Wärme autark zu sein, hat sich die Firma Wohnwagon aus Gutenstein erfolgreich auf dem Markt etabliert. Nach zehn Jahren wird ein breites Spektrum vom Tiny House bis zum mehrgeschoßigen Wohnbau angeboten.
BILD: SN/WOHNWAGON
Autarkes Leben im natürlichen Kreislauf und im naturnahen ökologischen Umfeld hat Wohnwagon ermöglicht. Der Erfolg gibt den Pionieren recht.
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Produktion in Gutenstein in einer ehemaligen Schraubenfabrik.
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Die Gebäude ruhen auf Schraubfundamenten.
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Die Wohnelemente sind fertig ausgestattet.
Oskar, das ist nicht nur der Name des bedeutendsten Filmpreises der Welt, sondern auch der Name für ein ganz außergewöhnliches Wohnobjekt aus Österreich. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass Theresa Mai und Christian Frantal ihre Ideen von einem neuen, ökologischen, naturnahen und autarken Leben in Form des ersten "Wohnwagons" umsetzten. Schon damals machte sich der Autor dieser Zeilen auf den Weg nach Wien in die Seestadt Aspern. Dort konnte man den Prototyp dieses "Gebildes auf Rädern" weit draußen in Staub und Hitze das erste Mal betreten.
Heute führt Theresa Mai den Betrieb, der inzwischen in Gutenstein angesiedelt ist und 50 Beschäftigte hat. 200 Projekte wurden in der Zwischenzeit realisiert und längst ist Oskar nicht mehr der alleinige Star im Angebot. "Wir bieten Wohnraum von klein bis groß, also vom Tiny House über das Mehrfamilienhaus bis zum mehrgeschoßigen Wohnbau", sagt Mai. Je nach Kundenwunsch reicht der Stil von modern bis rustikal. "Wichtig ist das vollwertige Wohnen in einem langlebigen Gebäude aus Massivholz, das Schutz vor Wärme und Kälte bietet", betont die junge Chefin. Ganz konkret wird mit Lärchenholz gebaut.
In Gutenstein wurde eine alte Nagelfabrik für die eigenen Zwecke adaptiert. Dort bekommt nicht nur Oskar seine Räder, damit man den Wohnraum quasi mitnehmen kann. Auch die Produktion in der Werkstatt erfolgt auf Rädern. "Das ist eine Erfahrung mit unseren Tiny Houses", sagt Mai, allerdings gebe es kein klassisches Fließband.
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Gründerduo Theresa Mai und Christian Frantal.
Modularer Wohnbau optimiert Raumnutzung
Der große Unterschied zu anderen Hauskonzepten sind neben dem ökologischen Denken vor allem der modulare Aufbau und die perfekte Raumausnutzung. Mai: "Ein ,klassisches' Einfamilienhaus ist bei uns circa 30 Prozent kleiner durch eine entsprechende Planung." Sind die herkömmlichen Häuser 150 bis 200 Quadratmeter groß, kommen die Entwürfe von Mai mit 80 bis 90 Quadratmetern aus. "Da gibt es trotzdem drei Schlafzimmer. Wir profitieren enorm von unserer Erfahrung in kleinem Bauen." Im Haus sei alles vorhanden, nichts werde vermisst und es schaut auch nicht klein aus. Wer sich für so ein Haus entscheidet, bekommt gleich alles mitgeliefert, also Küche, Bad, WC etc. Der entscheidende Punkt ist aber die Modularität. Menschen brauchen in verschiedenen Lebenslagen verschiedene Wohnformen. Gerade wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist dieses meist viel zu groß für die verbleibenden Eltern. "Wir haben in Bayern ein Haus mit 120 Quadratmetern entworfen, das sich auf drei Wohnungen aufteilen lässt. Der erste Stock wird zur eigenen Wohneinheit und im Erdgeschoß ist auch noch eine Einliegerwohnung, etwa für Pflegepersonal. Dazu müssen wir nichts umbauen, es braucht auch kein neues Stiegenhaus, der Zugang erfolgt über einen gemeinsamen Eingangsbereich", erzählt die Expertin. "Wozu also 150 Quadratmeter putzen und heizen?"
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Autarkie ist ein wesentliches Merkmal.
Autarkie ist der zentrale Punkt
Ein weiteres Merkmal der Wohnwagon-Häuser ist die Autarkie. "Wir betrachten Strom, Wasser und Wärme gemeinschaftlich." Den Autarkiegrad kann der Kunde/die Kundin selbst wählen. Mai: "Wir haben Kunden, die 100 Prozent wollen, aber meist sind es 80 bis 90 Prozent Autarkiegrad. Das kann man im Alltag gut integrieren." Damit verfüge man über Versorgungssicherheit und Komfort.
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Die Erfahrung der vergangenen zehn Jahre macht es möglich, dass jeder Zentimeter optimal genutzt wird.
Doch wie funktioniert so ein Konzept in der Praxis? "Das Herzstück ist die Photovoltaikanlage", erklärt Mai. "Das ist eine Inselanlage, die auch bei Stromausfall funktioniert." Das Konzept wurde stark weiterentwickelt mit einem Batteriespeicher und Managementsystem, das mit dem Netz gekoppelt ist. "Aber das ist nur das Backup, wenn die Batteriekapazitäten doch nicht ausreichen." Das gesamte System ist so eingerichtet, dass der Kunde von den Abläufen im Hintergrund nichts merkt. "Er kann natürlich nachschauen und wer sich selbst einbringt, hat sicher die Möglichkeit, den Autarkiegrad noch zu erhöhen", betont die Geschäftsführerin.
Beispiel aus dem Bereich mehrgeschoßiger Wohnbau: Wer hier eine Wohnung zum Vermieten hat, kann ein "enttechnisiertes Konzept" haben, das dafür sorgt, dass man im Alltag nichts falsch machen kann. Auch sonst wird versucht, so wenig Technik wie möglich einzusetzen. In Hinblick auf die Autarkie habe man deshalb zuletzt wieder viel Technik herausgenommen, weil sie zu kompliziert für die Benutzerinnen und Benutzer wurde.
PV-Anlage benötigt Genehmigung in Österreich
Die PV-Anlage müsse in Österreich jedenfalls baurechtlich genehmigt sein. Grundsätzlich sieht das Konzept eine Insellösung vor, die ohne Einspeisung auskommt, aber natürlich könne man sich auf Wunsch mit dem öffentlichen Netz verbinden. "Mit den Batterien kommt man drei bis vier Tage durch", weiß die Expertin. "Allerdings schaffen wir zwischen Dezember und Februar nicht 100 Prozent Autarkie, dafür haben wir im Sommer 20 bis 30 Prozent Überschuss."
Wie schaut die Autarkie bei der Wärmeversorgung aus? Mai: "Die Gebäudehüllen werden laufend besser und bieten eine gute Dämmung mit Schafwolle an. Man muss bedenken, dass wir generell heute ein Zehntel des Heizaufwandes brauchen gegenüber den 70er-Jahren." In ihrem eigenen Wohnbereich mit 50 Quadratmetern komme sie mit 1,5 Festmetern Holz aus. In der Regel handelt es sich dabei um Scheitholz oder Pellets, dazu kommen Infrarotpaneele mit Sonnenstrom etwa im Bad. Beliebt sind auch Ofenmodelle mit Backrohr und Kochfläche, sodass man auch bei Stromausfall kochen kann und gleichzeitig den Wohnraum beheizt.
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Die Objekte können auch rasch wieder abgebaut werden.
Wie wird das Thema Autarkie im Bereich Wasser und Abwasser gelöst? "Echte Wasserautarkie ist nicht etwas für jeden, das sind echte Fans", erzählt Mai aus dem Firmenalltag. Die meisten wählen ganz klassisch eine externe Wasserversorgung und einen Kanalanschluss. Wer die autarke Lösung wählt, kann etwa ein Bio-WC einsetzen. "Das spart 12.000 Liter Wasser pro Person im Jahr", rechnet die Jungunternehmerin vor. Dabei werden im WC-Sitz flüssige und feste Stoffe abgeschieden, die Feststoffe werden kompostiert und ergeben hochwertige Erde. Der Urin wird in einem Tank gesammelt, mit Wasser verdünnt ergibt er einen guten Dünger. Dafür kann man an ein Regenwassersystem andocken. 50 Prozent ihrer Kunden entscheiden sich für eine solche Lösung, für den täglichen Einsatz brauche es aber ein großes Maß an Pionierdenken.
Regenwasser filtern und nutzen
Beim Wasser könne man schon selbst auch aus Regen- oder Brunnenwasser mit einer Membranfiltration Trinkwasser herstellen. Ein noch auf dem Oskar-Prototyp-Dach installiertes System mit Pflanzen habe sich als zu aufwendig erwiesen. Auch wenn man also an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen ist, empfehle es sich, Regenwasser zu nutzen und auf dem Grundstück zu speichern, sagt Mai.
Und was kosten nun Oskar & Co.? Den Wohnwagon gibt es ab 126.000 bis 140.000 Euro. Ein 130-Quadratmeter-Haus kommt auf 350.000 bis 400.000 Euro. Damit liege man zwar im oberen Feld, doch Mai gibt zu bedenken, dass ihre Häuser schon mit Vollholz-Tischlerküchen, Autarkiepaket für Strom, Wärme und Wasser und Bad/WC geliefert werden. Und das Haus wird nach einem halben Jahr Lieferzeit in nur wenigen Tagen bezugsfertig aufgebaut.