SN.AT / Leben / Wohnen

OGH-Urteil ändert Spielregeln: Keine Betriebskosten mehr

Ein neues OGH-Urteil könnte massive Folgen haben. Unpräzise Formulierung im Mietvertrag befreit Mieter komplett von den Betriebskosten.

Sind im Mietvertrag nicht exakt die zu zahlenden Betriebskosten angeführt, entfallen sie für den Mieter komplett.
Sind im Mietvertrag nicht exakt die zu zahlenden Betriebskosten angeführt, entfallen sie für den Mieter komplett.

Am Anfang stand eine persönliche Freundschaft, die dazu führte, dass Herr Pichler von Herrn Pfeiffer (beide Namen von der Redaktion geändert, Anm.), dem Geschäftsführer einer Immobilienfirma, eine Eigentumswohnung mietete. Die Freundschaft dürfte spätestens jetzt endgültig beendet sein, denn ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) hat nun festgestellt, dass dem Mieter alle bisherigen Betriebskosten zurückzuerstatten sind und er künftig auch keine Betriebskosten zahlen muss.

"Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit von Präzision und Transparenz."
Johannes Garstenauer
Rechtsanwalt Salzburg

Eine mehr als bittere Pille für den Vermieter. Doch der Reihe nach: Im Mietvertrag wurden die Betriebskosten nur beispielhaft angeführt und nicht exakt aufgelistet. "Da kann dann aber alles Mögliche reinfallen", sagt der Salzburger Rechtsanwalt Johannes Garstenauer. Eine genaue Auflistung ist nur in der sogenannten "Vollanwendung" des Mietrechtsgesetzes (MRG) verpflichtend, in der Teilanwendung aber nicht. Das führt laut Garstenauer dazu, dass Kosten auf den Mieter abgewälzt werden, die diesen gar nicht betreffen. So war es auch im vorliegenden Fall, in dem der Anwalt den Mieter vor Gericht vertrat.

OGH stärkt Mietvertrags-Transparenz

"Dass eine beispielhafte Aufzählung unzulässig ist, da gab es schon früher Aufhebungen", erklärt Garstenauer: "Jetzt hat der OGH in einer bedeutenden Entscheidung die Relevanz klarer und verständlicher Vertragsklauseln hervorgehoben und bekräftigt, dass das Transparenzgebot auch auf Textbausteine in Mietverträgen anzuwenden ist."

Das heißt, dass eine (nur) beispielhafte Aufzählung von Betriebskosten in einem Mietvertrag, der in den Teilanwendungsbereich des MRG fällt, gegen das Transparenzgebot verstößt. "Die Kläger, Mieter einer Wohnung in Salzburg, waren laut Mietvertrag verpflichtet, sogenannte ,Bewirtschaftungskosten' zu tragen. Diese wurden jedoch nur beispielhaft aufgezählt und enthielten Formulierungen wie ,Bewirtschaftungskosten sind: Insbesondere [..]'." Nach der Rechtsprechung des OGH widersprechen Klauseln, die Mieter im Unklaren darüber lassen, welche Kosten konkret auf sie zukommen, dem Transparenzgebot des § 6 Abs. 3 Konsumentenschutzgesetz (KSchG).

Der Oberste Gerichtshof gab den Mietern in letzter Instanz recht. Die Kernaussagen des Urteils sind laut Rechtsanwalt:

1. Rückerstattung aller bezahlten Betriebskosten: Die gewerbliche Vermieterin wurde verpflichtet, die gezahlten Betriebskosten samt Zinsen zurückzuzahlen.
2. Unwirksamkeit der Klausel: Die beispielhafte Aufzählung der Bewirtschaftungskosten wurde als intransparent eingestuft, da sie den Mietern keine klare Auskunft über die auf sie zukommende finanzielle Belastung gab.
3. Zukünftige Befreiung von Betriebskosten: Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel sind die Mieter künftig weder zur Zahlung von Betriebskosten, Heizkosten noch von öffentlichen Abgaben verpflichtet.

Laut Garstenauer bedeutet dies, dass durch die Unwirksamkeit der Klauseln das Ganze unwirksam wird, weshalb gar keine Betriebskosten zu zahlen sind. "Der OGH hat festgestellt, dass Mietverträge, die Textbausteine aufweisen, als Formularverträge zu qualifizieren sind", erklärt der Rechtsexperte: "Wenn Vorformulierungen verwendet werden, vor allem von gewerblichen Vermietern, sind diese nach dem Transparenzgebot zu überprüfen und es muss für den Verbraucher möglichst klar sein, was er zahlen muss."

Urteil des OGH stärkt Rechte der Mieter

Dass Vermieter Mustermietverträge heranzögen, sei an sich eine übliche Vorgehensweise. Nur müssten diese der jeweils aktuellen Judikatur angepasst werden, weil sonst Schlupflöcher zugunsten des Vermieters entstünden. Garstenauer: "Das Urteil des OGH hat weitreichende Konsequenzen für Vermieter und Mieter. Es unterstreicht die Notwendigkeit von Präzision und Transparenz in der Vertragsgestaltungen gegenüber Konsumenten, insbesondere bei der Überwälzung von Betriebskosten auf Mieter. Für die betroffenen Mieter bedeutet das Urteil nicht nur eine erhebliche finanzielle Erleichterung durch die Rückerstattung der gezahlten Beträge, sondern auch eine Befreiung von künftigen Betriebskosten."

Das Urteil zeige, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung von Mietverträgen ist. Für Mieter lohne es sich, gegen intransparente Klauseln vorzugehen - auch wenn der Rechtsweg bis zur letzten Instanz führt. "Vermieter hingegen sollten sicherstellen, dass ihre Verträge den gesetzlichen Vorgaben entsprechen."

Mieter sollten Mietverträge prüfen lassen

Was heißt das in der Praxis? Mieter sollten ihren Mietvertrag samt Auflistung der Betriebskosten überprüfen lassen. "Dafür gibt es entsprechende Stellen, etwa den Mieterschutz, die Arbeiterkammer oder eine persönliche juristische Beratung", sagt Garstenauer. Auch für Vermieter gebe es Organisationen, die Muster auf dem aktuellen Stand der Judikatur anbieten. "Eines ist aber klar: Es wird für den Vermieter, vor allem den gewerblichen Vermieter, immer komplizierter, er darf nichts vergessen. Für den Mieter wird es hingegen einfacher."

Betriebskosten/Miete

  • Wer eine monatliche Pauschale für Betriebskosten bezahlt, muss bis 30. Juni des Folgejahres eine Betriebskostenabrechnung bekommen.
  • In der Abrechnung müssen die einzelnen Betriebskosten übersichtlich aufgelistet werden, zum Beispiel "Wasserversorgung", "Müllabfuhr" etc. Dazu ist jeweils anzugeben, welche Kosten für das gesamte Haus angefallen sind, und der Anteil, der auf die betreffende Mietwohnung entfällt.
  • Dieser Aufteilungsschlüssel richtet sich grundsätzlich nach der Nutzfläche der Wohnung. Hat die Mietwohnung zum Beispiel 50 Quadratmeter und das gesamte Haus 500 Quadratmeter, beträgt der Anteil an den Gesamtbetriebskosten zehn Prozent.
  • Manche Betriebskosten müssen zusätzlich nach dem Verbrauch abgerechnet werden. Wenn das Heizkostenabrechnungsgesetz zur Anwendung kommt, sind die Kosten für Heizung und Warmwasser zum Teil nach Nutzfläche und zum Teil nach Verbrauch abzurechnen.