Es sei pure Verschwendung, meint Architektin Viola Habicher. "Da parken Autos auf mehreren oberirdischen Etagen in einer Garage in bester Innenstadtlage und schauen auf die Altstadt, die Festung, den Kapuzinerberg. Diesen Blick können sich viele für ihre Wohnungen nur erträumen. Von dieser Lage aus kann man fußläufig alles erreichen, was man zum Leben braucht. Diesen wertvollen Raum wollen wir den Menschen geben", erklärt die projektverantwortliche Planerin von Smartvoll Architekten in Wien.
Salzburgs Autopalast wird zum urbanen Lebensraum: Wohnen mit Blick auf die Altstadt
Der "Salzburger Autopalast", eine 100 Jahre alte Garage in Schallmoos, wird in eine Stadtoase für Wohnen und Arbeiten verwandelt. Das preisgekrönte Architekturbüro schafft grüne Dächer gegen Hitze und Klimafluten. Künftig schauen nicht die Autos, sondern die Menschen in Richtung Altstadt.

Die Autos "schauten" 100 Jahre lang auf die Salzburger Altstadt. Bald werden Menschen sich am Traumblick erfreuen.
Der "Salzburger Autopalast", das Parkhaus mit Panoramablick, wird 100 Jahre nach seiner Errichtung zum urbanen Lebensquartier umgebaut: Auf 8000 Quadratmetern entsteht eine neue, grüne Stadtoase zum Wohnen und Arbeiten.
Architekten beleben Industrieflächen neu
Smartvoll Architekten haben sich auf die Wiederbelebung von Industriebrachen spezialisiert. "Salzburg hat uns auf diese Schiene geworfen", schildert Geschäftsführer und Co-Gründer Christian Kircher. "Wir haben 2013 den Wettbewerb für das Loft in der Panzerhalle gewonnen. Das war die erste Anknüpfung an das große Thema Bauen in Industriebrachen. Wir beschäftigen uns mit der Frage: Wie kann man kreislauffähig bauen, wie kann man bestehende Strukturen wiederbeleben und neu nutzen?" Der Militärbau aus 1939 ist heute ein beliebter Stadtteiltreffpunkt in Maxglan.
2022 folgte das Handelszentrum 16, das am verlassenen Standort der Firma Universalversand in Bergheim realisiert wurde. In den riesigen Hallen tummeln sich junge Start-ups und Selbstständige, die digitale Produkte, Autoteile, zuckerarme Naschereien oder Garnelen in lokaler Aufzucht anbieten und mehr als 200 Menschen beschäftigen. Das junge Smartvoll-Team erhielt für das Projekt den Erdreichpreis, eine Auszeichnung des Klimaschutzministeriums für innovatives, bodenschonendes Bauen. Und nun die alte Autogarage in Salzburg-Schallmoos.
Kernfrage am Anfang: "Soll man das abreißen oder stehen lassen?"
Die Salzburger Firma Mayweg Immobilien & Investment trat an das Wiener Büro heran (Mayweg ist auch am Gusswerk und dem neuen Prestigeobjekt Helix an der Westautobahn beteiligt). Man stieg mit einer Studie zum Bestandsobjekt ein, so Projektleiterin Habicher, die Kernfrage am Anfang: "Soll man das abreißen oder soll man das stehen lassen?" Klar war, dass man "diesen toten Punkt in solch einer Superlage" beleben wollte. Das Projekt wurde in ständiger Abstimmung mit der Sachverständigenkommission und der Baubehörde weiterentwickelt. Der Autopalast liegt in der Pufferzone des Weltkulturerbes, hat jedoch keinen Denkmalschutz - doch der 1920er-Jahre-Bau bleibt nach Prüfung aller Dinge nunmehr in seiner Gebäudehülle bestehen.
Der kantige, "in sich gekehrte Block" markiert die Straßenkreuzung zwischen Rupertgasse und Bayerhamerstraße. Hinter der Fassade öffnet sich ein großer, komplett asphaltierter Innenhof mit Blechbaracken. Sie waren früher Pferdeställe. 1924 hatte der Eigentümer der Liegenschaft, ein Fuhrwerkunternehmer namens Gruber, Pferde und Kutschen verkauft, um eine Garage mit 400 Stellplätzen zu bauen. Das war Pioniergeist, denn damals gab es in Salzburg gerade einmal 25 zugelassene Automobile. Der Autopalast überdauerte die Zeiten und den Zweiten Weltkrieg und wird nun - Pioniergeist reloaded - aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Architektin Habicher: "Es gibt einen kleineren statischen Schaden durch einen Bombentreffer, das müssen wir reparieren. Aber sonst ist die Bausubstanz sehr gut und ideal geeignet, weil der Innenteil entkernt ist und dort nur ein paar Stützen stehen." Raumhöhen von 3,5 Metern eröffnen großzügige Optionen.
"Das Gebäude hat Patina, Geschichte und ein Leben. Das ist durch einen Neubau nie ersetzbar", ergänzt Smartvoll-Chef Christian Kircher.
Nutzungsoffen planen: Wiener Gründerzeithäuser inspirieren zum nachhaltigen Bauen
Das Parkhaus hat Raumhöhen von fast vier Metern. Das eröffnet großzügige Nutzeroptionen.
Ein Tool für Nachhaltigkeit sei, nutzungsoffen zu planen. Die Wiener Gründerzeithäuser dienten als Vorbild. "Unser Büro ist in einem Gründerzeithaus, wir haben 4,50 Meter hohe Räume, das ist Luxus, das ist Freiheit. Dieses Haus erlebt gerade seinen fünften Nutzungszyklus, da sind Wohnen, ein Kaffeehaus, eine Bank und wir. Zu dieser Art von Bauen müssen wir zurückkehren, anstatt immer weitere Mietskasernen hinzustellen."
Das künftige Quartier Autopalast wird von 6000 auf 8000 Quadratmeter Nutzfläche ausgebaut. In den oberen Etagen entstehen 65 Wohnungen, ebenerdig sind Büros, Werkstätten oder Läden geplant. Sie befürchte keine Nutzerkonflikte, sagt Viola Habicher, "wir reden hier ja nicht von Tischlereien oder Autowerkstätten. Die Trennung von Wohnen und Arbeiten ist nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen keinen Ort, der nur am Abend belebt ist." Der Plan: Im Quartier können mindestens 130 Menschen wohnen, 150 einem Job nachgehen, es wird 257 Fahrradstellplätze und 200 Quadratmeter Fläche zum Spielen geben. Eine Gebäudelücke an der Bayerhamerstraße wird geschlossen. Der angrenzende Park an der Rupertgasse wird durch offene Gehwege in das Ensemble hereingeholt.
Dachgärten schlucken 1,6 Millionen Liter Regenwasser

Das Bestandsobjekt erhält ein fächerförmiges Dachgeschoß, die Wohnungen haben den berühmten Altstadtblick. Im Innenhof entstehen quaderförmige Baukörper mit Holzfassaden und spezieller Dachbegrünung. Üblicherweise werden als Begrünung im Bau 30 bis 40 Zentimeter Humus aufgeschüttet, der in heißen Sommermonaten austrocknet und ökologisch wenig bringt.
"Wir machen eine Substratschicht von einem Meter, wir schaffen Retentionsdächer", erklärt Architekt Kircher. "Wir haben gesagt, das sind unsere Blumenvasen, eigentlich sind es überdimensionierte Pflanzentröge. Sie kühlen im Sommer und erhöhen die Dämmung im Winter. Außerdem wirkt sich der Faktor Grün positiv auf die Gemütslage des Menschen aus." Die Strauchbeete auf den Dächern können pro Quadratmeter bis zu 450 Liter Regen aufnehmen. Pro Jahr regnet es 1,9 Millionen Liter Wasser auf das bestehende versiegelte Areal, die im Kanal versickern. Die "Blumenvasen" auf den Baukörpern schlucken 1,6 Millionen Liter und verbessern das Wassermanagement erheblich. Zusätzlich werden Sauerstoff und Kühle produziert sowie der Heizbedarf verringert.
Soziale Preise beim Autopalast-Quartier: "deutlich unter 9000 Euro"
Die bestehenden Parkplätze wandern von der Oberfläche unter die Erde. Das Salzburger Baurecht schreibt den Bau einer Tiefgarage mit 226 Stellplätzen vor (aktuell sind es 227). Hinsichtlich der "überbordenden Bodenversiegelung" sei das herausfordernd, meinen Smartvoll Architekten. "Eine Tiefgarage kann man nicht ohne neuerliche Versiegelung bauen. Gleichzeitig wissen wir, dass die Klimaextreme zunehmen", sagt Christian Kircher. In jedem Fall, ergänzt Viola Habicher, "muss die Fläche nachher mehr können als vorher". Das Areal im Innenhof soll zwischen den Baukörpern entsiegelt werden.
Und der Preis für so viel städtebaulichen Luxus? Die Wohnungen werden im Baurechtsweg verkauft, was die Grundkosten reduziert. Vereinbart mit der Stadt ist zudem, dass alles, was aus der zusätzlichen Baudichte entsteht, unter die Kategorie "leistbares Wohnen" fällt. Diese Preise würden "deutlich unter den 8000, 9000 Euro" liegen, die für Neubau in der Stadt Salzburg verlangt werden, so Kircher. Baubeginn für das Projekt ist 2025. Sonja Wenger