Dürre, kein Zugang zu sauberem Wasser, kriegerische Konflikte: Der Alltag in Äthiopien ist gerade für Menschen in ländlichen Gegenden oft sehr schwierig. Seit nunmehr 40 Jahren arbeitet die von dem Schauspieler Karlheinz Böhm gegründete Äthiopienhilfe "Menschen für Menschen" (MfM) in dem Land und leistet dort Hilfe zur Selbsthilfe.
In diesem Jahr nahm MfM Österreich die Arbeit in einem neuen Projektgebiet in der Region Albuko auf. Bahritu Seyoum, die Direktorin für Projektimplementierung, sprach mit den SN über die Herausforderungen. "Zuerst geht es in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung um grundlegende Dinge wie die Errichtung von Brunnen in der Nähe von Ansiedelungen." Denn in der Region hat fast die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Meist sind es Mädchen und Frauen, die kilometerlange Strecken zurücklegen, um Wasser von einer ungeschützten Quelle zu holen. Oft bleibt deshalb ein Schulbesuch buchstäblich auf der Strecke. Dazu haben 75 Prozent der Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. "Es geht aber auch um Familienplanung, die Arbeit mit Frauen und Bauern sowie um die Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche", sagt Seyoum.
Bis zum Jahr 2025 sollen 1300 Bauern und Bäuerinnen an landwirtschaftlichen Trainings teilnehmen, sie bekommen auch Saatgut für Obst und Gemüse und können so ihren Ertrag steigern. 250 Frauen erhalten zudem einen Mikrokredit und entsprechende Schulungen. 1000 Haushalte bekommen holzsparende Öfen, um den Verbrauch von Brennmaterialien zu halbieren.
Die gebirgige Region macht es schwierig, das Land zu bebauen. So ist auch das letzte Stückchen Land genutzt. Dazu kommt starke Bodenerosion. In einer Region wie vielen anderen in Äthiopien, in denen die Menschen hauptsächlich von der Landwirtschaft leben, bleibt da für junge Menschen kaum eine Perspektive. Um zu verhindern, dass sie in größere Städte abwandern, erhalten sie eine Ausbildung über die klassische Landwirtschaft hinaus, etwa zu Zucht von Hühnern oder Fischen.
All diese Maßnahmen brauchen Zeit für die Umsetzung, so ist auch der Ansatz von MfM ein langfristiger und auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Die Arbeit in den Projektregionen umfasst mindestens zehn Jahre und wird in dieser Zeitspanne auch regelmäßig evaluiert. Die verschiedenen Maßnahmen, die immer in Abstimmung mit der Bevölkerung zu einer verbesserten Situation führen - in der Landwirtschaft und bei Einkommen, dem Zugang zu Wasser, Bildung und Gesundheitsversorgung -, greifen ineinander.
Doch auch Äthiopien ächzt unter der Inflation, die im September bei etwas mehr als 28 Prozent lag. "Die Preise für Treibstoff und Energie sind stark gestiegen und auch für Baumaterialien", sagt Seyoum. Das hat auch Folgen für die Arbeit von MfM. Der Bau von Schulen hat sich empfindlich verteuert. Musste man zuvor mit rund 360.000 Euro pro Schule rechnen, liegen die Kosten nach Angaben von MfM nun bei 480.000 Euro. "Neben der Inflation haben auch die Konflikte im Norden des Landes Auswirkungen auf den Transport von Baumaterialien." Daher müssten wiederum mehr Spenden gesammelt werden.
MfM zufolge musste wegen aufständischer Gruppen auch die Projektarbeit in einigen von Österreich finanzierten Projektregionen aus Sicherheitsgründen eingeschränkt oder pausiert werden. "Wir hoffen, dass wir bald zurückkehren können", sagt Bahritu Seyoum.
Trotz der mitunter schwierigen Lage bleibt sie optimistisch, was die Zukunft Äthiopiens anbelangt. "Es ist ein großes Land mit einer jungen Bevölkerung. Es ist zwar auch ein armes Land, aber es gewinnt an Stärke. Wir können den jungen Menschen mehr Möglichkeiten bieten, damit sie nicht das Land verlassen. Es sind auch die kleinen Dinge, die Veränderung bringen." Dies sei dank vieler Spenden aus Österreich auch möglich, erklärt sie und auf Deutsch sagt sie im SN-Gespräch: "Danke!"
SN-Info: Der heutigen Ausgabe der SN liegt ein Zahlschein von "Menschen für Menschen bei.