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Schreibt der Computer bald die bessere Hausübung?

Die Software ChatGPT erstellt erstaunlich gute Texte. Macht das Aufgaben und Tests an Schulen und Unis bald obsolet? Und gefährdet es Tausende Jobs?

Künstliche Intelligenz produziert immer bessere Texte. Was heißt das für Bildungseinrichtungen, aber auch viele Berufe?
Künstliche Intelligenz produziert immer bessere Texte. Was heißt das für Bildungseinrichtungen, aber auch viele Berufe?
Barbara Buchegger ist pädagogische Leiterin der Initiative saferinternet.at in Wien.
Barbara Buchegger ist pädagogische Leiterin der Initiative saferinternet.at in Wien.

Ist eine Software, die basierend auf künstlicher Intelligenz (KI) sowohl Aufsätze, Seminararbeiten und Referate schreiben als auch Mathematik-Aufgaben lösen kann, Fluch oder Segen für unser Bildungssystem? Der Chatbot ChatGPT des US-Start-ups OpenAI ist erst seit November kostenlos verfügbar. Seitdem treibt er Bildungseinrichtungen in aller Welt um. Und es stellt sich auch die Frage, ob so ein Programm nicht überhaupt die Jobs vieler Tausender Menschen, die in schreibenden Berufen arbeiten - von Werbe- und PR-Agentur bis hin zu Pressesprechern und Journalisten -, gefährdet oder zumindest verändert.

ChatGPT ist ein sogenannter Chatbot, also ein textbasiertes Dialogsystem. Die Software wurde mit riesigen Datenmengen aus dem World Wide Web auf dem Stand von 2021 gefüttert und kann Informationen immer neu zusammenstellen.

Lehrkräfte, Schulen und Unis fragen sich aktuell daher, wie sie die Eigenleistung von Schülern und Studierenden erkennen sollen und ob die Prüfungsbedingungen angepasst werden müssen. In Australien haben acht Unis angekündigt, wegen ChatGPT ihre Prüfungsbedingungen zu ändern. Für 2023 planen sie eine "vermehrte Rückkehr zu Papier und Stift". In New York haben staatliche Schulen den Zugriff auf ChatGPT über ihre Netzwerke eingeschränkt. In einigen EU-Ländern wird über mögliche Verbote diskutiert. Experten wie der Pariser IT-Forscher Antonio Casilli raten aber zu Gelassenheit: "ChatGPT ist eine wichtige Innovation, aber nicht mehr als die des Taschenrechners oder des Texteditors", die mittlerweile einen festen Platz in der Schulbildung haben. Lernende müssten den Suchergebnissen von ChatGPT immer noch die richtige Form geben, sagt er.

Auch Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin der Initiative SaferInternet, hält ein mögliches Verbot von ChatGPT weder für sinnvoll noch für durchsetzbar. Das Schreiben von Aufsätzen und Seminararbeiten werde dennoch nicht ganz obsolet werden, sagt sie: "Auch wenn Bots beeindruckende Texte schreiben können, werden diese nicht immer zur Aufgabenstellung der Schule passen. Daher muss man die Aufgabenstellungen ändern und einen persönlichen Bezug herstellen lassen - und etwa die eigene Meinung abfragen. Das sind Dinge, die der Chatbot nicht wissen kann." An den Unis werde man zudem künftig nicht nur die Seminararbeit beurteilen, sondern das gesamte Lernprojekt an sich, also etwa auch das Konzept zur Arbeit und Zwischenergebnisse der Recherche, meint Buchegger. Wichtig sei weiters: "Wenn Lernende KI-Programme verwenden, müssen sie im Anhang der Arbeit schreiben, welche Fragen sie dem Bot gestellt haben. Das wäre ein Schritt zur Quellentransparenz."

Aber: Müssen Schulen und Unis künftig nicht andere Ziele haben als den reinen Wissenserwerb - Stichwort Quellenkritik? Und wie lernt man diese? Auch Buchegger, die viele Workshops in Schulen und Kindergärten hält, sieht das so, ortet aber noch zahlreiche Defizite: "Wir sehen oft bei den Jugendlichen, dass sie nicht beurteilen können, welche Quellen bei Google vertrauenswürdig sind - weil sie etwa viele Qualitätsmedien oder öffentlich-rechtliche Sender nicht kennen." Probleme gebe es auch bei der Recherche zu Gesundheitsfragen, bei denen man unterscheiden müsse, welche Infos nachgeprüft seien und welche möglicherweise Pharmawerbung; auch, weil das immer schwerer zu unterscheiden sei. Bucheggers Tenor: "Den richtigen Umgang mit Informationen zu lehren ist Kernaufgabe der Schule." Gefragt seien aber auch die Eltern, die beim gemeinsamen Internetsurfen mit den Kindern ihre Meinung zu den Quellen äußern könnten. Sie appelliert: "Mindestens ein Mal am Tag sollten sich alle Schüler mit Quellenkritik beschäftigen." Eine spezielle Fortbildung der Lehrer sei dafür nicht nötig; hier reichten Allgemeinwissen und Lebens- sowie Medienerfahrung, sagt sie.

Ein sinnvoller Einsatz von KI-Schreibsoftware wie ChatGPT in der Schule sei zudem möglich, sagt Buchegger: "Manche Lehrer verwenden sie schon jetzt in der Unterrichtsvorbereitung - etwa als Basis für Lückentexte oder auch, um Content für den naturwissenschaftlichen Unterricht zu generieren." Auch die Suchmaschine you.com sei hier sehr brauchbar.

Am Anfang eines neuen Stoffkapitels sei es etwa hilfreich, den Bot zu fragen, was er generell zum Thema wisse: "Daraus kann man dann gemeinsam mit den Schülern weitere Fragen entwickeln." Denn der Bot habe die Stärke, in wenigen Sätzen die ganze Welt zu erklären: "Aber das In-die-Tiefe-Gehen muss die Lehrkraft machen", sagt Buchegger.

Es gibt aber auch heftige Kritik an ChatGPT: Sie kommt etwa von der auf das Aufdecken von Fake News spezialisierten Onlineplattform NewsGuard, die seit 2022 auch in Österreich tätig ist. Anlass ist ein Experiment, bei dem der KI-Chatbot bewusst mit Suggestivfragen gefüttert wurde. In diesem Fall könne die Software "zum Superspreader von Falschinformationen" werden, heißt es von NewsGuard.

Diese Gefahr sieht auch Josef Trappel, Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg: "Chatbots verwenden nur Daten aus der Vergangenheit und bauen sie neu zusammen. Daher ist es hochgradig wahrscheinlich, dass falsche und richtige Infos zusammengemixt werden." Der Bot könne die Infos nicht bewerten, daher seien KI-generierte Texte generell ein Risiko. Trappels grundsätzliche Kritik: "Schon die Bezeichnung künstliche Intelligenz ist irreführend. Denn die Maschine hat keine eigene Intelligenz, sondern ist ein datengetriebener Entscheidungsroboter, der Material zur gegebenen Frage sucht, die Antworten zusammenbaut und grammatikalisch richtig formuliert."