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Künstlich beworben - und natürlich erfolgreich?

KI hat das Potenzial, die Werbebranche auf den Kopf zu stellen. Wie die Folgen positiv sein können - für Kunden und Branchenvertreter.

Eine Billion. Also tausend Milliarden. In Ziffern: 1.000.000.000.000. Vor wenigen Tagen veröffentlichte das World Advertising Research Center (WARC) seine Prognose für den Werbemarkt. Demnach dürften die weltweiten Werbeausgaben 2024 um 8,2 Prozent steigen - und somit erstmals die Grenze von einer Billion US-Dollar nehmen. Und das nach einem Marktplus von 4,4 Prozent in diesem Jahr.

Goldgräberstimmung in der Werbebranche? Wie so oft lohnt ein zweiter Blick: Der Kuchen wird laut der WARC-Prognose zwar größer. Aber er ist ungleich verteilt - in Europa wird das Wachstum im Gegensatz etwa zum Nahen Osten moderat ausfallen. Und es bedienen sich primär einige wenige am Kuchenblech: Die fünf Techriesen Alibaba, Alphabet (Google), Amazon, ByteDance (TikTok) und Meta (Facebook) werden 2024 rund 52 Prozent der globalen Werbebudgets einstreichen.

Es wird also innovative Ansätze brauchen, um im Wettkampf mit den IT-Giganten mithalten zu können. Und solche Ansätze haben dieser Tage beinahe zwangsweise mit künstlicher Intelligenz zu tun.

"KI wird helfen, das Zielvorhaben, das Treffen der Zielgruppe, die Anzeige an sich und die Werbegebote zu optimieren."
Sebastian Gückelhorn
SN

KI habe das Potenzial, die Art und Weise, wie Werbung gemacht werde, fundamental zu prägen, ist sich etwa Sebastian Gückelhorn sicher, Onlinemarketing-Leiter bei den "Salzburger Nachrichten". Konkret macht Gückelhorn vier Bereiche fest, auf die sich künstliche Intelligenz auswirken werde: "Sie wird helfen, das Zielvorhaben, das Treffen der Zielgruppe, die Anzeige an sich und die Werbegebote zu optimieren." In Sachen Zielvorhaben könne KI Conversion-Ziele besser identifizieren, also klarer festmachen, wohin die Reise einer Kampagne gehen soll, führt Gückelhorn aus. Dafür könne man Textbots wie ChatGPT befragen - ebenso wie zu der Frage, wie Unternehmen, Institutionen etc. die anvisierten Zielgruppen am besten erreichen können.

Die Anzeige selbst könne hingegen von Bildgeneratoren erstellt werden. Etwa von Tools wie Canva, die eine Schnittstelle zu Dall-E haben, einer Software, die von der ChatGPT-Mutter OpenAI lanciert wurde. Der Output der Plattformen sei beeindruckend. Aber Gückelhorn warnt auch: "Interne Unternehmensdaten dürfen nie im Datenpool landen." Wer also von derartiger Software Sujets, Werbekonzepte etc. erstellen lässt, sollte zuvor akribisch prüfen, was mit den gespeisten Daten passiert. "Am besten mit den kostenpflichtigen Versionen arbeiten - und in den Einstellungen den Datentransfer ändern", empfiehlt Gückelhorn.

"Je mehr KI für uns erledigt, umso mehr braucht es zusätzliche Arbeit auf anderen Ebenen – zum Beispiel Techspezialisten."
Ulrich Loibl
YOC

Ein weiterer Punkt mit viel KI-Potenzial ist, wie Werbung gehandelt und schlussendlich verteilt wird. Ein Unternehmen, das dieses Potenzial bereits nutzt, ist YOC. Das Berliner Adtech-Unternehmen - mit Nebensitz in Wien und einer Reihe an Salzburger Kunden - bietet eine Plattform, auf der Werbeformate auftragsbasiert und programmatisch, also im Grunde per Auktionsverfahren vollautomatisiert, verteilt werden. "Mit der Hilfe von KI kann man die Art der Werbeausspielung steuern", beschreibt Ulrich Loibl, verantwortlich für das Publisher Management beim Zentral- und Osteuropa-Arm von YOC. Historische Daten und Infos in Echtzeit wiesen aus, welche Werbemittel am besten funktionierten, um die Schlüsselkennzahlen zu erreichen. Loibl skizziert ein Beispiel: "Wenn wir auf einer Nachrichtenseite im Ressort Sport den zweiten Werbeplatz mit einem Werbevideo bespielen, wird erkannt, wie das Video aufgemacht sein muss, damit die User nicht skippen (das Video überspringen, Anm.)." Die KI setze hier automatisiert Elemente zusammen, "um den bestmöglichen Effekt zu erzielen". Doch können das die erwähnten Techriesen nicht besser? Denn schließlich haben Google & Co. viel mehr Daten zur Verfügung, auf deren Basis sie Werbung ausspielen können. Die breitere Datengrundlage sei nicht wegzudiskutieren, gesteht Loibl ein. Deshalb brauche es einen USP, also ein Alleinstellungsmerkmal, um im ungleichen Wettrennen zumindest mitlaufen zu können. Bei YOC seien dies "High-Impact-Formate", also gewisse Sonderwerbeformen, die den Nutzer, die Nutzerin besonders gut abholen und so wenig wie möglich stören.

Auch Online-Marketer Gückelhorn verweist auf den USP seiner Marke, der "Salzburger Nachrichten": "Freilich haben wir nicht Milliarden Daten, um die KI zu füttern. Aber zu unseren Stärken gehören etwa die Regionalität und die gute Betreuung unserer Kunden, also der Service." Dass KI diesen oder weitere Services der Werbeindustrie obsolet machen wird, glaubt er nicht. Im Gegenteil: "Für kleine Kunden war es früher oft unerschwinglich, eine aufwendige Kampagne ausarbeiten zu lassen." Dank KI könnten die Kampagnen nun schneller, effektiver und somit günstiger aufgezogen werden. "Das erschließt neue Zielgruppen."

Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Werbeagenturen und -abteilungen sei KI primär eine Chance, sind sich die Experten einig. "Es macht Ressourcen für anderes frei", sagt Gückelhorn. Und Loibl ergänzt: "Je mehr KI für uns erledigt, umso mehr braucht es zusätzliche Arbeit auf anderen Ebenen - zum Beispiel Spezialisten mit starkem technischen Verständnis." Die Folge ist bei YOC eine nachweislich positive. Denn: "Wir suchen stark nach Personal. Pro Jahr kommen ein, zwei Stellen dazu."