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Allerheiligen und Allerseelen: Würdig klingt das Ableben

Der liebe Gott ist nicht mehr in jedem Musikstück zu finden, das auf Beerdigungen erklingt. Rock und Pop haben längst Einzug am Grab gehalten. Mittlerweile gibt es sogar Hitlisten der meistgewünschten Begräbnis-Lieder.

Welches Lied soll erklingen, wenn man einmal zu Grabe getragen wird? Dieser Gedanke schleicht sich automatisch ein, umso länger man mit Michael Jankowitsch, Geschäftsführer der Wiener Konzertvereinigung "Festklang", spricht.

Der eines von Anfang an klarstellt: Der deftige Text von Wolfgang Amadeus Mozarts "O du eselhafter Martin" wird auf Trauerfeiern nicht angestimmt. Auch, wenn Angehörige danach fragen. Was bereits geschehen ist. Dasselbe gilt für beleidigende Rap-Texte. "Da steigen wir aus", sagt Jankowitsch. Mehr als 100 Musiker arbeiten bei "Festklang" als Friedhofssängerinnen und -sänger oder spielen Instrumente. Von Geige über Trompete bis Cello. Im Repertoire haben sie mehr als 10.000 Stücke, von der Wiener Klassik bis zu Rock und Pop aus den aktuellen Charts.

Welche Funktion Musik bei Begräbnissen hat? "Sie lässt Trauer zu", erklärt Jankowitsch. Familie und Freunde seien bei einem Todesfall oft derart unter Stress, dass sie in den ersten Tagen kaum Zeit hätten, Trauer auszuleben. Zu viel gebe es zu organisieren. "Mit den ersten Tönen der Orgel oder des Wunsch liedes löst sich der Stress. Tränen fließen, die Trauerarbeit kann beginnen", sagt er. Veränderungen in der musikalischen Begräbnis-Gestaltung nimmt auch Michael Jankowitsch wahr. Der Wiener erzählt, dass es früher viel Ensembleliteratur gegeben habe. Schubert, Mozart, Wiener Lieder. Volks- und Kirchenlieder selbstverständlich. Der liebe Gott soll auch heute nicht ganz außen vor gelassen werden.

"Derzeit wollen die Menschen oft solistische Leistungen von uns", sagt der Festklang-Geschäftsführer. Auf der Homepage kann man deshalb Hörproben anklicken. Ein Sänger gibt mit tiefer Stimme "Nothing else matters" zum Besten. Das Original stammt von der US-Band Metallica aus dem Jahr 1991. Bei Festklang wandelt sich das kräftige Heavy-Metal-Stück zu einem würdevollen Bestandteil eines Begräbnisses.

Doch die Truppe, die zu zwei Dritteln aus Staats- und Volksopern-Sängern besteht, kann nicht immer zaubern. Jankowitsch erinnert sich an einen Auftrag vor einigen Jahren, bei dem "Veni creator spiritus" aus Gustav Mahlers achter Symphonie erklingen sollte. Üblicherweise singen bei einer Bestattung acht bis 16 Damen und Herren. "Für Mahler hätte es 50 bis 60 gebraucht, damit es rüberkommt. Das sprengt jeden Kosten- und Künstler-Rahmen, anzahlmäßig", sagt er.

Wer unter den 10.000 angebotenen Liedern nicht das Richtige findet, kann Festklang auch etwas komponieren lassen. Das käme selten vor. Wie viele Lieder es für ein Begräbnis braucht? "Ein bis zwei im Normalfall, maximal drei", erklärt der Wiener. Immerhin: Es soll ja ein Begräbnis sein. Und kein Konzert.

In dieselbe Kerbe schlägt Michael Max, Salzburger Liturgiewissenschafter und Rektor des Bildungshauses St. Virgil: "Beim klassischen Requiem ist ein Priester an die Liedfolge in der Eucharistie gebunden." Am besten gelinge eine Feier, wenn alle Verständnis hätten. Der Priester für den Chor, die Musiker für den Priester und alle für die Angehörigen der Verstorbenen. "Wenn das Lieblingslied erklingen soll, gibt es immer Raum dafür. Auch, wenn es nicht direkt in die Liturgie passt. Entweder beim Auszug aus der Kirche, wenn die Messe vorbei ist, oder dann am Grab", erklärt Max.

Szenenwechsel nach Graz. Bei Trauerfeiern in der Feuerhalle gibt es bei den Musikstücken derzeit eine "Hitliste": Ganz oben rangiert "Amol seg' ma uns wieder" von Andreas Gabalier, gefolgt von "My Way" (Frank Sinatra), "Time to say goodbye" (Bocelli/Brightman) und dem Gefangenenchor aus der Verdi-Oper "Nabucco". "Natürlich gibt es auch Klassiker wie ,Ave Maria' oder ,Ich hatt einen Kameraden' zu hören, aber Pop dringt immer mehr ein", sagt Gregor Zaki, Geschäftsführer der Graz Bestattung. So habe er erst kürzlich eine Verabschiedung besucht, bei der drei Songs zu hören waren. "Sailing" von Rod Stewart, "Schifoan" von Wolfgang Ambros, "Knockin' on heavens door" von Bob Dylan. "Musik kann mehr über einen Menschen ausdrücken als so manche Trauerrede", sagt Zaki. Und: "Es gibt Lieder, die werden dem Verstorbenen gerecht und andere, die sind mehr für die Hinterbliebenen gedacht."

In der Feuerhalle sei alles erlaubt, sofern nicht Würde und Anstand verletzt werden: "Es könnte ,Highway to hell' gespielt werden, das kam aber bislang nicht vor." Rund 2800 Begräbnisse werden von der Grazer Bestattung jährlich durchgeführt. "Auf einem haben die Leute fast schon getanzt. Ein DJ hat Discohits aus den 1970er-Jahren aufgelegt", berichtet Zaki. Sehr gefragt sei auch Live-Musik: vom Organisten bis zum Streichquartett aus dem Opernhaus. Auch ungewöhnliche Klänge können als letzter musikalischer Gruß dienen - Meeresrauschen etwa oder Vogelstimmen.

Allerheiligen und Allerseelen

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