Rechtsgutachter: Den S1-Plänen im Bundesstraßengesetz fehlt die Grundlage
Universitätsprofessor Müller kam in dem von Virus beauftragten Gutachten zum Schluss, dass Projekte, die unionsrechtswidrig keiner Strategischen Umweltprüfung unterzogen wurden, nicht umgesetzt werden dürften. Daher könne sich das zuständige Ministerium nicht auf einen solchen Eintrag im Bundesstraßengesetz berufen. Der Rechtsmeinung von Virus habe sich im Verfahren vor dem EuGH auch die Europäische Kommission angeschlossen, "während der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts wenig überraschend der Asfinag die Mauer macht", sagte Virus-Sprecher Rehm. Der staatliche Straßennetzbetreiber betonte dazu anlässlich des BVwG-Vorabentscheidungsersuchens, diese Frage sei "auf nationaler Ebene 2018 bereits einmal geprüft und damals bestätigt" worden.
"Strategische Umweltprüfung darf nicht umgangen werden"
Unter Hankes Vorgängerin Gewessler sei eine solche Strategische Umweltprüfung begonnen worden, diese sei fast abgeschlossen und habe eine Streichung des Projekts S1 Wiener Außenringschnellstraße aus dem Bundesstraßengesetz vorgeschlagen. Die Ausarbeitung eines neuen Plans ohne Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse der SUP zum Zweck einer nachträglichen Legalisierung "wäre als unionsrechtswidrige Umgehung zu werten", erklärt Rechtsgutachter Müller.
Der Lobautunnel käme erst in einem weiteren Schritt
Fest steht ohnehin, dass mit dem auf rund 2,5 Milliarden Euro geschätzten Lobautunnel nicht sofort begonnen werden kann. Denn nur für den nördlichen Abschnitt der S1 zwischen dem Knoten Süßenbrunn und Groß-Enzersdorf gibt es gültige Bewilligungen, auch wenn diese aus Sicht der Gegner mit dem oben beschriebenen unionsrechtlichen Mangel behaftet sind. Hier werde man einen Baubeginn nicht verhindern können, räumt auch Wolfgang Rehm ein. Wenn aber der EuGH im Sinne der Gegner entscheide, drohe ein großer Torso stehen zu bleiben. In Verbindung mit der Spange (Stadtstraße) zur Seestadt Aspern wäre das nichts als ein Riesenkreisverkehr, der erst recht wieder zur überlasteten Südosttangente führe.
Die rechtlichen Hürden gelten auch für S8 (Marchfeld) und S34 (Traisental)
Ergänzend führt Virus an, dass für die ebenfalls umstrittenen Schnellstraßenprojekte durch das Marchfeld (S8) und das Traisental (S34) diese rechtlichen Probleme ebenfalls gelten. Die S8 wurde allerdings vom Bundesverwaltungsgericht bereits abgelehnt. Hier laufen noch außerordentliche Rechtsmittel des Landes Niederösterreich, der Asfinag und des Infrastrukturministeriums beim Verwaltungsgerichtshof sowie - von Land NÖ und Asfinag - beim Verfassungsgerichtshof.