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Plötzlich Videostar mit 88 Jahren

Die Seniorwirtin des Hotels Post in Mauterndorf gibt jetzt ihre Backkünste online weiter. Ihren Enkel hat sie zu mehr inspiriert.

Mutter Mayr“ beim Dreh: Wer Jahrzehnte lang Übung hat, kennt auch im Studio keine Nervosität .
Mutter Mayr“ beim Dreh: Wer Jahrzehnte lang Übung hat, kennt auch im Studio keine Nervosität .

"Für einen Diabetiker ist das nix - aber eine gute österreichische Kost", sagt "Mutter Mayr", während sie die Pfanne noch einmal professionell durchschüttelt. Jeder Handgriff sitzt, so, als wäre es nichts Besonderes, mit 88 Jahren erstmals in einer Studioküche vor der Kamera Kaiserschmarren zu machen. "Ich habe immer gern gebacken", sagt Maria Elisabeth Mayr, die Seniorwirtin des Hotels Post in Mauterndorf, die kurz vor Weihnachten mit Online-Backkursen eine späte TV- und Onlinekarriere startete.

Der Grund, warum sie jetzt Familienrezepte im Internet verrät - ausgenommen die berühmte Schokoroulade mit Schlagobers -, ist ihr Enkel: Moriz Piffl-Perčević hatte, inspiriert von den Backkünsten seiner Oma, 2012 die Idee, gemeinsam mit zwei Freunden ein Generationencafé zu gründen. Seniorinnen und Senioren können dort ihre Lieblingskuchen backen, die vor Ort verkauft und verzehrt werden. Nach drei Lehr- und Wanderjahren wurde in Wien das Café Vollpension eröffnet, 2019 ein zweites. 80 Mitarbeiter hatte es bis zur Coronakrise, 45 davon über 60 Jahre, viele mit Mindestpension, die den Zuverdienst gut brauchen können, erzählt Piffl-Perčević

Die Pandemie und die Lockdowns hat das Projekt Vollpension bisher mit Crowdfunding und Kurzarbeit überstanden. Weil es Kurzarbeit für Senioren nicht gibt, haben die Vollpension-Gründer im Herbst beschlossen, mit ihren Backomas und -opas ins Internet zu wechseln und Video-Backkurse anzubieten.

Für die "Backademie" kam auch Mutter Mayr, wie sie von Familie und Gästen genannt wird, ins Spiel. Nervös sei sie beim Dreh im Studio in Wien überhaupt nicht gewesen, erzählt sie. "Wenn man jahrzehntelang Übung hat, da macht es auch nichts, wenn Publikum dabei ist."

Sie habe den Vorteil gehabt, "in ein paar sehr renommierten Häusern gelernt zu haben", erzählt die Lungauerin. Beim Auer-Wirt in Zell am See, wohin sie eine Tante vermittelt hatte, und beim Straubinger in Bad Gastein. Der dortige Küchenchef unterrichtete später in Schloss Kleßheim ihre Töchter. Weil sie schon den Vorsatz hatte, Wirtin des ersten Hauses am Platz zu werden, wollte sie auch gut kochen können.

Im Krieg "war Backen Luxus", erzählt die elegante 88-Jährige, aber sie war damals schon davon begeistert. Mit 13 wollte sie unbedingt eine Muttertagstorte backen - mit ein wenig Unterstützung ihrer Ziehmutter sei sie zu zehn, zwölf Bauern gegangen, um ein Ei und einen Löffel Mehl. "Ich hab tatsächlich zehn Eier zusammengebracht", erinnert sie sich - mehr, als sie gebraucht hatte.

Gelernt hat Mutter Mayr noch ohne elektrische Geräte und am Holzherd. Was ihre Freude am Backen zunächst bremste. An das "Schneller, schneller, schneller" der "wunderbaren Köchin" beim Auer-Wirt, wenn sie Eier, Zucker und Butter schaumig schlagen musste, erinnert sie sich bis heute. Mit dem ersten Mixer sei die Begeisterung zurückgekommen. Auch der E-Herd habe vieles einfacher gemacht. Heute würde sie sich nicht mehr zutrauen, im Holzofen zu backen, sagt sie. Ganz nimmt man es ihr nicht ab.

Im Alltag in dem 500 Jahre alten Haus der Familie mit 30 Zimmern habe sie sich zum Prinzip gemacht, erst dann zu backen, wenn das Hauptgeschäft vorbei war, "sonst geht es daneben". Die Gäste hätten "Gott sei Dank" die Handarbeit immer geschätzt, sagt die Seniorwirtin. "Da war das gekaufte Zeug nie gefragt."

Der Online-Backkurs - der auch auf Servus TV läuft - hat ein enorm gutes Echo: "Das hat mich sehr gefreut. Beim Spazierengehen haben mich Leute angesprochen, die zehn Jahre nichts gesagt haben." Auch viele Stammgäste hätten angerufen. "Ich war sehr stolz", erzählt sie.

Corona findet die lebenserfahrene Frau "schrecklich". Was sie besonders erschüttert: "Dass das nicht alle Leute ernst nehmen", während sie und ihre Familie sich sehr bemühten, "uns an die Vorgaben zu halten".

Ein Geheimnis verrät sie doch: Im Hotel Post werde grundsätzlich kein Backpulver verwendet, "lieber zwei Eier mehr". Und beim Kaiserschmarren? "Da braucht man nichts außer Eiern (fünf für acht Personen) und genug Butter." Auf YouTube findet sich in "Omas Back Einmaleins" noch ein Rat zum Eieraufschlagen, der in Vergessenheit geraten ist. "Ich komme aus einer sparsamen Zeit, da fährt man mit dem Daumen in die leere Eihälfte, und da kommt noch einiges an Eiklar raus."