Werden Energydrinks für Jugendliche verboten?
Nachdem in mehreren europäischen Ländern Red Bull & Co. an unter 15-Jährige nicht mehr verkauft werden, spricht sich nun auch das österreichische Gesundheitsministerium für ein Mindestalter aus.

Wer unter 18 ist, darf sich keine Energydrinks kaufen - und zwar nirgends. Hält sich ein Jugendlicher nicht daran - und holt er sich auch nur eine einzelne Dose -, drohen Strafen bis zu 115 Euro. Und reicht ein Erwachsener einen Energydrink an einen unter 18-Jährigen weiter, wird das ebenso mit einer Geldstrafe geahndet.
Fast auf den Tag genau seit zehn Jahren gelten in Litauen diese strikten Auflagen für den Konsum von Energydrinks. Als das Land im Baltikum 2014 das Gesetzespaket verabschiedet hat, konnten sich nur wenige Expertinnen und Experten auf SN-Anfrage vorstellen, dass Ähnliches auch in anderen Teilen Europas umgesetzt wird. Im vergangenen Jahrzehnt jedoch sind Lettland, Polen, Rumänien und Großbritannien der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation gefolgt und haben Verbote unter 18 Jahren nachgelegt. In Estland ist mittlerweile der Verkauf bis zum 16. Geburtstag verboten, in Norwegen bis zum 15. Und erst vergangene Woche brachte in Tschechien die liberalkonservative Regierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der den Verkauf und die Ausschank von Energydrinks an unter 15-Jährige verbieten soll.
Debatte um Red Bull & Co. kocht nun auch in Österreich hoch
Damit kocht die Debatte just zum zehnten Jahrestag der litauischen Novelle neuerlich hoch. Und zwar auch hierzulande. Denn Foodwatch Österreich - ein Verein, der sich mit Lebensmittelqualität beschäftigt - hat eine Petition gestartet, die "keine Energydrinks für Kinder" fordert. Die Petition mit bislang etwas mehr als 4000 Unterschriften adressiert die Gesundheitssprecherinnen und -sprecher der Parteien und fordert: "Nehmt die Gesundheit unserer Kinder ernst und sorgt für eine Altersgrenze." Bislang gibt es in Österreich kein Alterslimit für den Verkauf und/oder Konsum von Energydrinks. Seit rund zehn Jahren muss jedoch auf jeder Dose etc. der Hinweis "Erhöhter Koffeingehalt. Für Kinder und schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen" aufgedruckt sein.
Gesundheitsministerium spricht sich für Verbot aus
Der Ruf scheint gehört zu werden - zumindest von Noch-Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne): "Angesichts der problematischen Effekte von Energydrinks spricht sich das Gesundheitsministerium für ein Mindestalter von 18 Jahren aus, wie es manche EU-Staaten bereits eingeführt haben", verlautbarte das Presseteam des Ministeriums auf SN-Anfrage. Es ergänzte aber: "Die Umsetzung fällt in die Kompetenz der Bundesländer, die für den Jugendschutz zuständig sind." Was im Einflussbereich des Ministeriums liege, sei bereits umgesetzt worden - etwa eine entsprechende Empfehlung in der Leitlinie für Schulbuffets. Da die Drinks aber "nicht akut gesundheitsgefährdend" seien, habe man als Gesundheitsministerium keine rechtliche Handhabe und könne lediglich an das Jugendstaatssekretariat und die Bundesländer appellieren. Den weitergespielten Ball will zumindest das Jugendstaatssekretariat nicht aufnehmen - dieses verweist auf Anfrage ebenso auf die Zuständigkeit der Länder. Aus dem Büro der in Salzburg für Jugendschutz zuständigen Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek heißt es indes, dass nur eine bundeseinheitliche Lösung Sinn ergebe.
"In keinster Weise empfehlenswert"
Als Begründung für ein mögliches Verbot unter 18 nennt das Gesundheitsministerium "die möglichen negativen Effekte übermäßigen Konsums" auf die Gesundheit. Aber sind Energydrinks für Kinder und Jugendliche tatsächlich schädlich? "Sie sind jedenfalls in keinster Weise empfehlenswert", sagt Holger Förster, Kinderarzt in der Stadt Salzburg und Leiter der Arbeitsgemeinschaft Jugend- und Sportmedizin bei der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Der Experte verweist auf den Kaloriengehalt, der "wie bei allen Softdrinks das Risiko erhöht, dass Kinder übergewichtig werden". Auch Substanzen wie Taurin werden immer wieder hinterfragt. Vor allem sei aber der Koffeingehalt problematisch: "Unter zwölf Jahren sollte man gar kein Koffein konsumieren, übrigens auch nicht über Kaffee, Tee oder Ähnliches", sagt Förster. Für alle mit mehr als zwölf Lebensjahren gelte eine tägliche Maximalmenge an Koffein von drei Milligramm pro Kilo Körpergewicht. "Das ergibt bei einem Gewicht von 50 Kilo (ein durchschnittlicher 12- bis 13-Jähriger, Anm.) maximal 150 Milligramm. Eine Dose Red Bull hat 80 Milligramm - mit zwei Dosen ist man also schon drüber."
Expertin: Zu viel Koffein ist schädlich
Zu viel Koffein könne Kopfschmerzen und Schlafstörungen verursachen, aber auch dauerhaft hohen Blutdruck oder Herz-Rhythmus-Störungen. "Und das kann lebensgefährlich werden - gerade in Kombination mit Sport", sagt Förster. Der Mediziner erklärt: "Durch den Sport steht der Körper sowieso schon unter Stress und schüttet etwa Adrenalin aus. Wenn ich dann noch etwas drauflege, zum Beispiel einen Energydrink, kann es sein, dass ich meinen Körper überlaste."
In eine ähnliche Kerbe schlägt Maria Benedikt: "Nach dem Sport sind Energydrinks das Schlechteste", sagt die Salzburgerin, die jahrelang leitende Diätologin am Uniklinikum Salzburg war und aktuell eine Praxis für medizinische Ernährungsberatung in Wals führt. Keinesfalls solle man Energydrinks gegen den Durst trinken. Auch Benedikt verweist primär auf die schädliche Wirkung des Koffeins.
Marktführer Red Bull wehrt sich
Marktführer Red Bull wehrt sich: Eine Tasse Kaffee enthalte ebenso rund 80 Milligramm Koffein. "Es gibt keinen Grund, das Koffein in Energydrinks anders zu behandeln als das Koffein in Kaffee und anderen koffeinhaltigen Getränken", gab die Red-Bull-Pressestelle zu Protokoll. Und sie ergänzte: "Wir achten weltweit nationale und regionale Gesetzgebungen."
Den Vergleich mit Kaffee will Maria Benedikt so nicht stehen lassen: "Ein Kind würde schon allein wegen des bitteren Geschmacks nie diese Menge an Kaffee trinken, wie manche Energydrinks konsumieren". Einen hohen Konsum von Energydrinks legt auch die HBSC-Studie nahe, die größte europäische Erhebung zu Kindergesundheit: 8 Prozent aller Jugendlichen zwischen 11 und 17 konsumieren täglich zumindest einen Energydrink. Bei der vorherigen Erhebung 2018 waren es 5 Prozent - in vier Jahren legte der Konsum also um rund zwei Drittel zu.
Warnung vor Kombination aus Energydrinks und Alkohol
Benedikt und Förster warnen auch vor der Kombination aus Energydrinks und Alkohol. Die Energydrinks würden den Alkoholeffekt verschleiern - man fühle sich nüchterner, als man sei, sagt Benedikt. Und Förster ergänzt: Es seien zwei stimulierende Substanzen, die in Summe zu "Abbauproblemen in Leber und Niere" führen könnten.
Aber welche Regelung ist nun empfehlenswert? Schließlich sind die Regularien im Detail unterschiedlich; in Rumänien etwa gibt es beim Verkauf von Energydrinks an Jugendliche Strafen von bis zu 6000 Euro. Diätologin Benedikt hält ein Verbot unter 14 für sinnvoll. Eltern von Jugendlichen zwischen 14 und 18 sollten mit ihren Kindern das Gespräch suchen und probieren, sie zu einem moderaten Konsum zu bewegen. Holger Förster hingegen spricht sich für eine Altersbeschränkung bis 16 aus, in Kombination mit stärkeren Warnhinweisen auf den Dosen. Eine solche Regelung ergebe aber nur Sinn, gebe es auch strikte Kontrollen. Denn: "Es bringt wenig, wenn sich in den Supermärkten dennoch alle an Selbstbedienungskassen die Dosen kaufen können." Entsprechende Kontrollmechanismen für Selbstbedienungskassen gibt es etwa bereits für alkoholische Getränke.