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Kickl kritisiert Nehammer als "beleidigt", die Hand in Richtung ÖVP bleibt ausgestreckt

Nach dem Gespräch mit Karl Nehammer kritisiert Herbert Kickl den ÖVP-Chef als "beleidigten Wahlverlierer" und gibt Einblick in einen Fahrplan zu Sondierungsgesprächen. Seine Hand in Richtung Volkspartei bleibt aber ausgestreckt.

Er wolle nicht der "Steigbügelhalter" von Herbert Kickl sein, hatte Bundeskanzler Karl Nehammer in einer Pressekonferenz am Dienstag nach dem Treffen der Spitzen von ÖVP und FPÖ verkündet. Kickl und Nehammer waren zuvor im ersten von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angeordneten Treffen aufeinandergetroffen. Klar war danach: Der Ton zwischen FPÖ und ÖVP bleibt angespannt. Nehammer erteilte einer Koalition mit Kickl am Dienstag eine erneute Absage. Dieser hatte die ÖVP in einem Pressestatement am Montag zwar scharf kritisiert, allerdings auch dazu aufgefordert, ihre Blockade aufzugeben. Am gestrigen Tag hielt sich Herbert Kickl zunächst bedeckt.

Kickl unterstellt Nehammer, Kanzlerposten nicht verlieren zu wollen

Am Mittwoch lud er nun selbst zum Pressestatement - und verteilte zunächst Mappen. Darin: Eine Nachlese zum - eigentlich vertraulichen - Gespräch zwischen ihm und ÖVP-Chef Karl Nehammer. Er wolle die Dinge einordnen, leitete Kickl ein. Und kritisierte Nehammer für sein rasch organisiertes Statement nach dem gemeinsamen Gespräch. "Warum denn diese Getriebenheit, warum denn diese Hektik?", so Kickl. Er habe das Gefühl, es gehe weiter um persönliche Interessen statt um jene des Landes: "Der Noch-Bundeskanzler ist auch zweieinhalb Wochen nach der Wahl noch in der Wahlkampfrhetorik hängen geblieben." Im gemeinsamen Gespräch habe er einen gekränkten und beleidigten "Wahlverlierer" erlebt, so Kickl. In der klaren Absage an eine Koalition der ÖVP mit Kickl erkenne er eine "vertane Chance", ihr Verhalten zu korrigieren. "Das wäre dann auch Kanzler-like", so Kickl.

Außerdem sei er sicher, dass die Rede, die Nehammer nach dem gemeinsamen Treffen gehalten habe, schon vorher geschrieben worden sei. Deshalb wundere es ihn nicht, dass Karl Nehammer in seinem gestrigen Pressestatement keinen Einblick in die diskutierten Punkte gegeben habe. Der FPÖ-Chef wiederholte auch seine Vermutung, eine "Verliererkoalition" zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sei bereits abgesprochen. "Nicht mal einen Millimeter die Tür aufmachen, es könnte ja etwas Positives herauskommen bei solchen Verhandlungen", sagte Kickl, der Nehammer im gleichen Atemzug unterstellte, seinen Kanzlerposten nicht verlieren zu wollen.

"Eine Zusammenarbeit kann nicht nur unter Freunden möglich sein"

"Mein Zugang ist ein anderer als der, den Karl Nehammer gewählt hat", so Kickl mit Verweis auf seine "ausgestreckte Hand" für Gespräche mit den anderen Parteien. Um Klarheit zu erzeugen, wolle er nun Einblicke in das (eigentlich vertraulich abgehaltene) Gespräch mit Nehammer geben. Bei dem Treffen habe er diesen nicht nur ersucht, die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zu betonen, sondern auch auf emotionaler Ebene gemeinsam in die Zukunft zu blicken. "Eine Zusammenarbeit kann nicht nur unter Freunden möglich sein", so Kickl. Es komme jetzt auf Professionalität an.

Und Kickl betonte die inhaltlichen Gemeinsamkeiten im Gespräch. "Punkt für Punkt" habe es Übereinstimmungen mit Karl Nehammer gegeben, so Kickl. "In was wir uns unterscheiden, ist der Wille."

Kickl legt Fahrplan für Sondierungsgespräche vor

Die Dokumente in der Mappe, die Kickl den bei der Pressekonferenz anwesenden Journalistinnen und Journalisten vorlegte, habe er auch Karl Nehammer am Dienstag vorgelegt. Darin zu finden ist neben einem "Fahrplan Sondierungsgespräche" auch ein Blatt zum Thema "Vertrauen stärken und offen diskutieren", schließlich habe man in der Vergangenheit auch schon gut zusammengearbeitet, so Kickl. Auch erste Positionen, auf die die FPÖ in den Verhandlungen mit der ÖVP scheinbar setzen wollte, sind in den Unterlagen zu finden. Die großen Punkte der "Sofortmaßnahmen": den Schuldenanstieg bremsen, Österreich als Wirtschaftsstandort und die Leistungsbereitschaft stärken. Die Freiheitlichen seien nicht nur von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen überzeugt, sondern auch von ihrer Umsetzbarkeit mit der Volkspartei, betonte Kickl.

Um das zu bekräftigen, habe er Karl Nehammer im gemeinsamen Gespräch auch einen detaillierten Fahrplan zu Sondierungsgesprächen, inklusiver geplanter Termine, vorgelegt. "Ich habe Nehammer gezeigt, dass wir bereit sind zu arbeiten", sagte Kickl. Nach dem ersten Termin habe er diesen ersucht, sich Zeit zu nehmen, über einen Folgetermin nachzudenken. "Er hat das ganz offenkundig nicht gewollt", so Kickl. "Ergänzt hat er das Ganze mit der völlig haltlosen Behauptung, ich wolle keine Verantwortung übernehmen."

"Das Schicksal der ÖVP hat Nehammer in die Hände von Andreas Babler gegeben"

Auch zur Fahrtrichtung der Volkspartei gab der FPÖ-Chef eine klare Meinung ab. "Wenn er sich nicht in unsere Richtung bewegt, bewegt er sich in Richtung der Babler-SPÖ", so Kickl über ÖVP-Chef Nehammer. Dieser "Links-Schwenk" würde dem Land schaden und auch bei Vertretern der Volkspartei nicht auf Zustimmung stoßen: "Das Schicksal der ÖVP hat Karl Nehammer in gewisser Weise in die Hände von Andreas Babler gegeben."

Die Gespräche mit der Volkspartei will Kickl aber noch nicht aufgeben. Für ihn sei der aktuelle Gesprächsstand kein Endergebnis, sondern eine Bestandsaufnahme. Wichtig zu sehen sei nun, wie die ÖVP die Verhandlungen abseits des "aktuellen Obmanns" sehe, so Kickl. "Ich bin Optimist und ich sage: Unsere Hand bleibt ausgestreckt."

Derweil gehen die Gespräche der Parteispitzen weiter. Karl Nehammer trifft heute auf SPÖ-Chef Andreas Babler. Auch Beate Meinl-Reisinger (Neos) soll noch heute auf den Kanzler treffen. Für morgen ist dann ein Gespräch mit dem SPÖ-Chef angesetzt. Der trifft am Donnerstag wiederum auch auf FPÖ-Chef Herbert Kickl. Eine Koalition mit der FPÖ schloss Andreas Babler in der Vergangenheit aber wiederholt aus. Bis zum Ende der Woche haben die Parteispitzen Zeit zu beraten. Dann müssen FPÖ, ÖVP und SPÖ Bundespräsident Alexander Van der Bellen ihre Erkenntnisse übermitteln.