Mitte Dezember soll im Parlament ein Gesetz verabschiedet werden, das noch für viele Diskussionen sorgen wird: das Sterbeverfügungsgesetz. Es soll dann mit Jänner 2022 in Kraft treten. Der Verfassungsgerichtshof hatte im Vorjahr entschieden, dass die Bestrafung der Mithilfe am Suizid "dem Recht auf Selbstbestimmung" widerspricht. Das Höchstgericht gab der Regierung ein Jahr Zeit, um eine gesetzliche Regelung zu finden und so auch den möglichen Missbrauch der Straffreiheit zu verhindern. In 15 Paragrafen, die von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Samstag in einem Hintergrundgespräch vorgestellt wurden, hat die türkis-grüne Regierung die straffreie Mithilfe zum Suizid nun geregelt. Das Grundgerüst bildet die sogenannte Sterbeverfügung. Sie ist an die bereits bestehende Patientenverfügung angelehnt.
Was ist die Sterbeverfügung?
Die Sterbeverfügung dient als Nachweis dafür, dass sich eine Person aus freien Stücken und im Wissen um die Konsequenzen für die Möglichkeit des assistierten Suizids entschieden hat. Sie kann von jeder dauerhaft schwer oder unheilbar kranken Person beantragt werden. Im Gesetzestext wird dies so definiert: "Eine Sterbeverfügung kann nur eine Person errichten, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffenen Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen; wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt."
Die Person muss volljährig und entscheidungsfähig sein. Sie muss außerdem von zwei Ärzten aufgeklärt werden, wobei ein Arzt eine palliative Qualifikation haben muss. Die Ärzte müssen auch die Krankheit und die Entscheidungsfähigkeit unabhängig voneinander bestätigen. Falls einer der Mediziner Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit des Patienten hat, muss ein Psychiater oder Psychologe die Entscheidungsfähigkeit nochmals prüfen. Alle Ärzte müssen all die genannten Schritte freiwillig machen.
Auch ist vor der Errichtung der Sterbeverfügung eine Frist von zwölf Wochen einzuhalten. Ziel ist die Überwindung von akuten Krisenphasen. Sollten Personen allerdings nur eine sehr geringe Zeit (etwa wenige Wochen) zu leben haben, dann verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.
Trifft all das zu, kann eine Sterbeverfügung bei einem Notar oder Patientenanwalt erstellt werden. Die Sterbeverfügung wird verschlüsselt in einem eigens geschaffenen Register geführt, wobei auch die Polizei Einblick haben soll, um diese bei etwaigen Ermittlungen zu berücksichtigen.
Was kann man mit dieser Sterbeverfügung tun?
Eine aufrechte Sterbeverfügung berechtigt schließlich sterbewillige Personen, ein letales Präparat in einer Apotheke abzuholen. In der Verfügung kann auch eine Person bestimmt werden, die dieses Mittel für den Betroffenen abholt, etwa wenn dieser nicht mobil ist. Auch eine Zustellung durch die Apotheke ist möglich.
Das Präparat (das der Gesundheitsminister per Verordnung festlegt) muss selbstständig eingenommen werden. Sollte man nicht in der Lage sein, das Mittel oral einzunehmen (z.B. bei Schluckproblemen), ist auch eine andere Gabe, etwa über eine Sonde möglich. Allerdings muss in diesem Fall der Betroffene selbst diese Sonde auslösen. Dieser Punkt ist wichtig, da es dabei um die Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe geht. Diese bleibt weiterhin verboten.
Betont wurde am Samstag seitens der Regierung außerdem mehrmals, dass niemand verpflichtet ist, Sterbehilfe zu leisten. Auch Apotheker dürfen nicht zur Abgabe des Präparats verpflichtet werden.
Was bleibt verboten?
Klargestellt wird im Strafgesetzbuch, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Hilfe zur Selbsttötung strafbar bleibt. Unter §78 ("Mitwirkung zur Selbsttötung") wird festgeschrieben, dass zu bestrafen ist, wer einer minderjährigen Person "physische Hilfe leistet, sich selbst zu töten". Ebenso unter Strafe steht, wenn man diese Hilfe aus "einem verwerflichen Beweggrund" (z.B. Habgier) leistet - oder gegenüber einer nicht schwer kranken oder einer ärztlich nicht aufgeklärten Person. Der Strafrahmen beträgt dann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe. Straffrei ist die Sterbehilfe künftig definitiv nur über den Weg des in den Apotheken künftig erhältlichen Medikaments und über den skizzierten Ablauf.
In den Bereich des Strafrechts begibt man sich auch weiterhin, wenn man jemanden bei einer anderen Art des Selbstmordes hilft. Denn dann ist es eine Frage der Beweiswürdigung, ob nachgewiesen werden kann, dass der Betroffene auch wirklich nicht in den Selbstmord gedrängt oder gar ermordet wurde.
Es gibt außerdem ein Werbeverbot für den assistierten Suizid. Außerdem darf es keinen wirtschaftlichen Vorteil für Beteiligte geben. Es dürfen auch keine Sterbehilfe-Vereine mit Gewinnabsichten gegründet werden.
Hospiz- und Palliativbereich werden ausgebaut
Begleitend zum Sterbeverfügungsgesetz kommt es zu einem Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung. Dazu soll ein eigener Fonds errichtet werden. Ab dem Jahr 2022 stellt der Bund den Ländern jährlich einen Zweckzuschuss zur Verfügung, vorgesehen ist eine Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Gemeinden. 2021 gibt es vom Bund 21 Millionen Euro, 2023 dann 36 Millionen Euro und 2024 51 Millionen Euro. Schöpfen Länder und Gemeinden die vollen Mittel aus, stünden damit etwa 2024 insgesamt 153 Millionen Euro zur Verfügung. Aktuell gibt es laut Regierungsinformationen seitens des Bundes sechs Millionen Euro pro Jahr, inklusive Land - und Gemeindemitteln also 18 Millionen Euro.
Kurze Begutachtungsfrist wird für Kritik sorgen
Für drei Wochen soll das Gesetz begutachtet werden. Diese kurze Frist für so ein heikles Gesetz wird noch für viel Kritik sorgen. Das ist der Regierung auch bewusst. Allerdings verweist man auf zahlreiche Dialogforen und den ständigen Austausch mit jenen Einrichtungen, die sich bereits bisher mit dem Thema beschäftigt haben. Wird bis zum Jahresende kein Gesetz beschlossen, so wäre die Beihilfe zum Selbstmord ab dem kommenden Jahr schlicht erlaubt gewesen. Konservative Organisationen und Religionsgemeinschaften haben auf eine rechtliche Absicherung gedrängt, damit es nicht zu Missbrauch kommt.
"Sehr sensibles Thema"
Justizministerin Zadic sprach von einem "sehr sensiblen Thema". Das Gesetz solle "Rechtssicherheit bringen", damit helfende Personen nicht unter Strafe gestellt werden, "sondern wirklich schwer kranken Menschen bei ihrem Entschluss in Würde zu sterben, helfen und unterstützen können", sagte sie.
Edstadler betonte, dass das Credo der ÖVP stets gewesen sei, "dass Menschen nicht durch die Hand eines Menschen sterben sollen, sondern an der Hand". Wie auch Mückstein verwies sie auf den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung. "Wir gehen davon aus, dass mit diesem massiven Ausbau der Hospizbewegung viele Menschen auf einen anderen Weg gebracht werden, dass sie gar nicht mehr das Bedürfnis haben, vom assistierten Suizid Gebrauch machen zu müssen".
Mückstein sah ein "ausgewogenes Gesetz". "Ziel ist, das flächendeckende, wohnortnahe Angebot zu stärken", sagte er zum geplanten Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung. Er wisse auch aus seiner Zeit als Hausarzt um die Schwierigkeit des Themas - "nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen."