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Marterbauers Budgetrede: Gebühren steigen, auch Klimaticket wird empfindlich teurer

Trotz des milliardenschweren Sparpakets sprengt Österreich heuer und auch nächstes Jahr die EU-Defizitgrenzen deutlich. Die Liste der schmerzhaften Einschnitte wird immer länger. Eineinhalb Stunden, bis kurz vor halb 12 Uhr, dauerte die Budgetrede des Finanzministers.

Finanzminister Markus Marterbauer hielt Budgetrede und schwor Bevölkerung auf harten Sparkurs ein.
Finanzminister Markus Marterbauer hielt Budgetrede und schwor Bevölkerung auf harten Sparkurs ein.

Die Budgetrede des Finanzministers in voller Länge:

Schon zu Beginn seiner Budgetrede stellte Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) am Dienstag jene Frage in den Raum, die sich wohl auch viele Bürgerinnen und Bürger stellen: Wie kann es sein, dass der österreichische Staat trotz eines in der jüngeren Geschichte einmaligen Sparpakets im Volumen von 6,4 Milliarden Euro heuer und 8,7 Milliarden Euro im nächsten Jahr weiterhin ein heftiges Minus von jeweils fast 20 Milliarden Euro in den öffentlichen Haushalten einfahren wird? Marterbauers Antwort darauf ist ernüchternd: Die Budgets wären ohne diese Sanierung vollends entgleist. Die Neuverschuldung für heuer und nächstes Jahr wäre dann bei fast sechs Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) gelegen, doppelt so hoch wie es die EU-Vorgaben erlauben. Ein Wert, der in der Geschichte der Zweiten Republik einmalig gewesen wäre. Nun kommt man nach den Planungen des Finanzministeriums zumindest bei 4,5 bzw. 4,2 Prozent in den nächsten zwei Jahren zu liegen. Auch das ist noch immer jenseitig und weit entfernt von der Drei-Prozent-Vorgabe der EU. Diese wird Österreich nach den aktuellen Planungen erst 2029 wieder unterschreiten. Womit zahlreiche wichtige Vorhaben wie die Lohnnebenkostensenkung, die sich die Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos ab 2027 vorgenommen hat, nun in den Sternen stehen. Stand jetzt sind sie nicht finanzierbar, wie Finanzminister Marterbauer bestätigt. Kleine Einschränkung: Sollte ein Ministerium eine alternative Finanzierung dafür finden, könne man darüber reden. Marterbauer geht auch davon aus, dass die EU nun ein Defizitverfahren gegen Österreich eröffnen wird. Die Entscheidung darüber wird im Juli fallen.

Klimaticket wird um 200 Euro teurer

Die Liste der Grauslichkeiten, die die Budgetsanierung für die Bevölkerung parat hält, wird derweil länger und länger: Marterbauer bestätigte am Montagabend, dass auch die Bundeszuschüsse für das Klimaticket um 120 Millionen heuer beziehungsweise 150 Millionen Euro im nächsten Jahr gekürzt werden. Das Öffi-Ticket ist ein Vorzeigeprojekt der Vorgängerregierung von ÖVP und Grünen und ermöglicht die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich zu einem günstigen Preis. Wegen des niedrigeren Zuschusses wird der Preis für das Ticket nun um etwa 200 Euro steigen, so der Finanzminister, der zu Detailinformationen auf das zuständige Verkehrsministerium verwies. Dort will man Dienstagmittag die Öffentlichkeit informieren. Der Preis für das österreichweite Klimaticket war zuletzt schon auf regulär 1179,30 Euro angehoben worden. Für Personen bis einschließlich 25 Jahre, ab 65 Jahren und Menschen mit Behinderung sowie Senioren galt bislang ein reduzierter Preis von 884,20 Euro.

Jährliche Servicegebühr für E-Card steigt

Versicherte zahlen pro Kalenderjahr ein Serviceentgelt für die E-Card, das im Zuge der Lohnabrechnung abgezogen wird. Der Betrag, der jeweils im November abgezogen wird und einer jährlichen Valorisierung unterliegt, wird von 13,8 Euro auf 25 Euro erhöht. Das heißt: Im November 2025 wird für das Kalenderjahr 2026 ein Serviceentgelt in der Höhe von 25 Euro fällig. Die zusätzlichen Einnahmen fließen direkt in das Gesundheitssystem. Pensionistinnen und Pensionisten sind ab 1. Jänner 2026 nicht mehr von der Entrichtung des Serviceentgelts ausgenommen, Mindestpensionsbezieherinnen jedoch schon.

Deutlich höhere Gebühren für neuen Pass oder Führerschein

Für die Bevölkerung deutlich spürbar werden auch weitere Maßnahmen, die zum Teil aber bereits bekannt sind: So wird auch eine kräftige Erhöhung der Bundesgebühren zusätzliche 150 Millionen Euro in die Staatskasse spülen. Laut Koalitionspakt werden die Bundesgebühren, die seit 2011 nicht mehr erhöht wurden, "nachvalorisiert". Nach Angaben der Statistik Austria betrug die Inflation seit 2011 rund 44 Prozent. Für einen neuen Pass wären demnach künftig 109 statt 75,90 Euro zu zahlen, für einen Führerschein 86,90 statt 61,50 Euro. Die Kfz-Zulassung kostet statt bisher 119,8 Euro nun 172 Euro.

Klimabonus ist weg, Pendlereuro wird verdreifacht

Der größte Einsparungsposten (mehr als zwei Milliarden Euro) ist der Klimabonus, der von Schwarz-Grün als Kompensation für den steigenden CO₂-Preis eingeführt wurde. Der Klimabonus wurde an alle ausbezahlt, die in Österreich einen Hauptwohnsitz haben. Im Vorjahr lag er je nach Region und Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zwischen 145 und 290 Euro pro Kopf (bis zum 18. Lebensjahr wurde die Hälfte davon ausbezahlt). Am schmerzhaftesten wirkt die Streichung für Geringverdiener. Als Kompensation hat sich die Regierung im Gegenzug aber auf eine satte Erhöhung des Pendlereuros ab 2026 geeinigt - von derzeit zwei auf sechs Euro pro Kilometer. Das soll für pendelnde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Abschaffung des Klimabonus teilweise kompensieren. Somit steigen ab 2026 die steuerlichen Entlastungen für diese Gruppe deutlich.

Erhöhung von Familienleistungen wird ausgesetzt

Ausgesetzt wird die nächsten zwei Jahre auch die von Schwarz-Grün vor drei Jahren beschlossene Valorisierung von Sozialleistungen. Dies betrifft etwa die Familienbeihilfe, das Kindergeld und Kinderbetreuungsgeld sowie Reha- und Umschulungsgeld. Ausgenommen davon sind das Krankengeld und Pflegegeld wie auch die Sozialhilfe.

Streichkonzert bei Förderungen betrifft besonders den Umweltbereich

Österreich liegt bei Förderungen und Subventionen deutlich über dem EU-Schnitt. Auch deshalb wird es hier besonders starke Einschnitte geben. Heuer und nächstes Jahr wird das Fördervolumen um jeweils knapp 1,3 Milliarden Euro zurückgefahren. Die stärksten Rücknahmen wird es bei den Umweltförderungen geben - nämlich um 557 Millionen heuer und 820 Millionen Euro im nächsten Jahr. Wie berichtet wurde die Mehrwertsteuerstreichung beim Kauf von Solarpaneelen zurückgenommen. Auch die üppigen Förderungen beim Einbau neuer Heizungen oder beim Kauf eines E-Autos sind zuletzt schon ausgelaufen. Die Regierung hat zwar gekürzte Neuförderungen angekündigt, Details dazu hat das zuständige Ministerium von ÖVP-Minister Norbert Totschnig noch nicht bekannt gegeben. Deutliche Einsparungen gibt es auch bei der Breitbandförderung. Das Finanzministerium sieht hier für heuer eine Rücknahme des Fördervolumens um 150 Millionen Euro vor. Im zuständigen Ministerium von Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) wird dazu betont, dass das im Vorjahr beschlossene Fördervolumen nicht endgültig abgesagt sei, sondern in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll.

Verschärfung bei Pensionen: Marterbauer hat für Unmut Verständnis

Auch im Pensionssystem, dessen langfristige Finanzierung durch den starken Anstieg der Pensionsbezieher zunehmend infrage steht, wird es erste Reformen geben. Wie berichtet werden die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionistinnen und Pensionisten mit Juni von 5,1 auf 6 Prozent angehoben. Eine Maßnahme, die bei niedrigen Pensionen deutlich schmerzhafter wirkt, wie Berechnungen der Agenda Austria zeigen. Bei einer Bruttopension von 1400 Euro sinkt die Nettopension um 174,9 Euro, bei einer Bruttopension von 2500 Euro ist der Nettoverlust mit 203 Euro nur unmerklich höher. Dies deshalb, weil der höhere Krankenversicherungsbeitrag parallel die Lohnsteuerlast senkt, was bei höheren Pensionen zwangsläufig stärker wirkt. Ein großer Gewinner der Neuregelungen im Pensionsbereich sind übrigens jene, die in der Pension arbeiten. Da gilt künftig nämlich eine Pauschalbesteuerung (Flat Tax) von nur 25 Prozent für Pension und Verdienst. Für arbeitende Pensionisten werden auch die Sozialversicherungsbeiträge gestrichen. An dieser Neuregelung wird noch gearbeitet, während Verschärfungen bei der Korridorpension schon in Begutachtung geschickt wurden und mit Jahresbeginn 2026 in Kraft treten sollen. Demnach wird das frühestmögliche Antrittsalter für die Korridorpension schrittweise von 62 auf 63 Jahre angehoben, wie auch die notwendigen Versicherungsjahre von 40 auf 42. In Quartalsschritten sollen die Werte so lang um zwei Monate steigen, bis das Ziel erreicht ist. Marterbauer zeigt Verständnis für die aufgekommene Kritik, weil damit sehr kurzfristig in die Lebensplanung der Menschen eingegriffen werde. Die kurze Begutachtungsfrist begründete Marterbauer mit dem hohen Zeitdruck. Die Maßnahmen verteidigt er damit, dass es unbedingt nötig sei, das Pensionssystem langfristig abzusichern. "Wir haben eines der besten Pensionssysteme der Welt, umso mehr müssen wir darauf schauen, dass wir es erhalten können", sagte Marterbauer.

Neue Steuern treffen nicht nur Banken und Energiekonzerne

Etwa zwei Drittel des Sanierungspakets für heuer und nächstes Jahr entfallen auf Einsparungen und Kürzungen. Ein Drittel aber kommt durch höhere Steuern in die Staatskasse. Die Bankenabgabe wird heuer und nächstes Jahr um 350 Mill. Euro erhöht, auch Energiekonzerne müssen 200 Mill. Euro zur Budgetsanierung beitragen. Finanzminister Marterbauer meinte am Montagabend, er bedanke sich für diesen Beitrag der betroffenen Unternehmen, stellte aber zugleich klar, dass es nicht so sei, dass Banken und Energiekonzerne die Budgetsanierung allein schultern würden. Ihr Beitrag entspreche etwas mehr als fünf Prozent des gesamten Sanierungsbedarfs. Frisches Geld spült auch die Einführung der Versicherungssteuer für E-Autos in die Staatskasse (65 Mill. Euro heuer und 130 Mill. Euro im nächsten Jahr). Zudem müssen Raucherinnen und Raucher durch höhere Tabaksteuern, die nun auch für Tabak zum Erhitzen gelten, mit 50 Mill. (heuer) und 100 Mill. Euro (nächstes Jahr) zur Budgetsanierung beitragen. Auch die Anhebung von Wettgebühren bringt dem Staat ab nächstem Jahr zusätzliche 100 Millionen Euro an Einnahmen.

Teilweise Rückkehr der kalten Progression

Alle unselbstständig Beschäftigten trifft auch die teilweise Rückkehr der schleichenden Steuererhöhungen bei der Lohnsteuer. Die Vorgängerregierung hatte die kalte Progression bekanntlich abgeschafft. Nun fließt ein Drittel davon wieder ins Budget, was dem Staat hohe zusätzliche Einnahmen bringt. Für nächstes Jahr sind 440 Millionen Euro budgetiert, bis 2029 wird der Betrag, der den Arbeitnehmern dann wieder entgeht, auf 1,5 Milliarden Euro steigen.

Einsparungen in Ministerien von 1,1 Milliarden Euro

Noch eher eine Blackbox sind die Einsparungen von 1,1 Milliarden Euro in den Ministerien. Wie berichtet sollten 15 Prozent des Sachaufwandes in den Ministerien gestrichen werden. Die größten Summen bringen das Verkehrsministerium (178 Mill. Euro) und das Wirtschaftsministerium (150 Mill. Euro) auf. Die Liste der eingeleiteten Maßnahmen reiche von der Verschiebung von Projekten über die Senkung von Kommunikationskosten bis zum Abbau von Personal, meinte Marterbauer. Details dazu müssten aus den jeweiligen Ministerien kommen. Das Finanzministerium kürzt den Sachaufwand um etwa 70 Millionen Euro. Marterbauer nannte auch symbolische Beiträge wie den Umstand, dass erstmals das Budget nicht mehr in Papierform im Parlament verteilt werde. Der Wegfall dieser "Papierziegel" würde die Druckkosten um 100.000 Euro senken.

Doppelbudget ist "Riesenschritt", aber nicht Ende der Sanierung

Zweifel, dass die anvisierten Einsparungen nicht vollständig umgesetzt werden, versuchte Marterbauer am Dienstag zu zerstreuen. Er sei zuversichtlich, dass dies gelinge und werde den vollständigen Vollzug der Maßnahmen auch akribisch verfolgen. Das Doppelbudget für 2025/2026 nannte Marterbauer "einen Riesenschritt" bei der Bewältigung des Sanierungsprogramms, räumte aber ein, dass weitere Maßnahmen folgen müssten. Laut Budgetpfad des Finanzministeriums soll das Defizit 2029 wieder knapp unter die Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung fallen. Die Gesamtschulden sollen dann bei 87 Prozent der Wirtschaftsleistung stabilisiert werden. Ohne das Sparpaket wären diese bis 2029 knapp an die 100-Prozent-Marke herangekommen. Der Marschplan enthält freilich noch einige Unwägbarkeiten. Er basiert auf der mittelfristigen Wachstumsprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts, das bis 2029 ein Anziehen des Wachstums auf über ein Prozent prognostiziert. Derzeit schrumpft die Wirtschaft im Land schon das dritte Jahr in Folge. Noch ausverhandelt werden müssen auch die Sanierungsbeiträge der Bundesländer. Die sollen ihre Defizite von derzeit ein Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2029 auf 0,2 Prozent zurückführen, was etwa fünf Milliarden Euro an Konsolidierung bedeutet. Auch die Sozialversicherungen sollen ihr Defizit von derzeit knapp einer Milliarde Euro noch heuer auf null zurückführen. Ob dies gelingt, ist ebenfalls mit einem Fragezeichen behaftet.

Ohne Sanierung würden Zinslasten explodieren

Zum Sparpaket gebe es angesichts der ausufernden Defizite keine Alternative, machte Marterbauer erneut deutlich. Die Zinslasten der Republik beliefen sich 2024 auf 7,5 Milliarden Euro oder 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bis 2029 werden sie trotz Sanierung um ein weiteres Prozent des BIP steigen, die Zinslast auf etwa zehn Milliarden Euro steigen lässt. Das beeinträchtige den Handlungsspielraum für Zukunftsinvestitionen, so Marterbauer. Statt Zinsen abzustottern, müsse der Staat in Kindergarten oder die Pflege investieren, so der Finanzminister.