ÖVP, SPÖ und Neos präsentierten Regierungsprogramm: "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich"
ÖVP, SPÖ und Neos haben sich auf eine Regierungszusammenarbeit geeinigt. Am Donnerstagvormittag präsentierten die Parteichefs das gemeinsame Papier. Das Motto für die kommenden Jahre: "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich". Was im Programm steht.

151 Tage nach der Wahl ist es nun tatsächlich so weit: Ein Regierungsprogramm steht. ÖVP, SPÖ und Neos haben sich geeinigt. Bereits am frühen Vormittag hatten die Parteichefs Christian Stocker, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger Bundespräsident Alexander Van der Bellen das gemeinsame Papier in einem persönlichen Gespräch präsentiert und ihn über die finalen Schritte der Regierungsbildung informiert.
Betont positiv traten die drei Parteichefs dann um kurz nach 11 Uhr vor die Presse, um das Papier auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. "Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen", leitete ÖVP-Chef Christian Stocker ein und erinnerte damit an die vielen Verhandlungsrunden der vergangenen Monate zurück.
Zum Regierungsprogramm kommen Sie hier.
Oft hätten die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos bis in die Nacht angedauert. Nun habe man einen Durchbruch gefunden. "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich", so lautet der Titel des Regierungsprogramms. Möglich gewesen sei eine Einigung nur durch Kommunikation, damit, dass man über den eigenen Schatten gesprungen sei. Geeint habe die Verhandler "der gemeinsame Wille, jetzt das Richtige für Österreich zu tun".
Stocker: "Gemeinsamer Wille, jetzt das Richtige für Österreich zu tun"
In Zeiten großer Herausforderungen habe Österreich seine Stärke stets aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte gewonnen. Konsens und Pragmatismus würden nicht Stillstand bedeuten, sondern seien "Schlüssel für mutige Entscheidungen, die Basis für nachhaltigen Fortschritt".
Es gehe nun nicht mehr um parteipolitische Interessen. "Die Dimension der Aufgaben, die vor uns liegen, ist dafür viel zu groß", so Stocker. Man lebe in einer Zeit der Umbrüche, die wirtschaftliche Situation sei schwierig - besonders im Hinblick auf das Budget. "Es braucht daher in Österreich eine Bundesregierung, die auch die Kraft hat, diesen Herausforderungen zu begegnen."

Härtere Maßnahmen im Asylbereich
Auch erste Einblicke in das Regierungsprogramm stellte Stocker in der Pressekonferenz vor. Die Koalition bekenne sich zu einem starken Wirtschaftsstandort. Die Lohnnebenkosten wolle man so schnell wie möglich senken. Die Entbürokratisierung wolle man vorantreiben. "Wer dauerhaft bei uns leben will, muss auch unsere Werte verinnerlichen", so Stocker. Dafür wolle man ein Integrationsprogramm ab dem ersten Tag starten. Auch ein Kopftuchverbot für junge Mädchen soll umgesetzt werden, der Familiennachzug mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden. Die Kinderbetreuung wolle man ausbauen, mit einem Fokus auf der Wahlfreiheit. Auch zum Klimaschutz bekenne sich die Koalition.
Babler: "Ich bin froh und stolz, hier stehen zu dürfen"
Stocker dankte seinen Verhandlungspartnern und dem Bundespräsidenten, dann übernahm SPÖ-Chef Andreas Babler das Wort. "Ich bin froh und stolz, heute mit euch hier stehen zu dürfen", sagte er mit Blick auf Stocker und Meinl-Reisinger. Nicht nur, weil die Koalition Herbert Kickl als Kanzler verhindert habe, nicht nur, weil sie die Demokratie sichere und die lange Koalitionssuche nun endlich beendet sei. "Weil wir gemeinsam das Richtige tun", so Babler. Auch der SPÖ-Chef widmete sich dann ersten konkreten Inhalten. Das Budget werde man ausgewogener sanieren, als noch von FPÖ und ÖVP geplant. Ein Transformationsfonds soll die Wirtschaft klimafitter machen. Die Beschäftigungssituation von Fachkräften soll verbessert werden.

Mietpreisstopp soll kommen
Der Mietpreisstopp, den die SPÖ seit Langem gefordert habe, soll kommen, ebenso ein Sozialtarif bei der Energie. Im Gesundheitsbereich soll die Telemedizin ausgebaut, Krankenhäuser sollen entlastet werden. Die Medienlandschaft wolle man stärken. "Für alle jungen Menschen soll es ein sogenanntes 'Meine Zeitung'-Abo geben", so Babler. Damit wolle man der Verbreitung von Fake News entgegentreten. Auch der Radikalisierung müsse man entgegentreten. Dafür wolle man Kanäle und Plattformen, etwa TikTok, stärker in die Pflicht nehmen. "Es sind nicht nur Hinterhöfe, wo Jugendliche radikalisiert werden", warnte Babler. Hier werde es schnelle Lösungen geben. Auch Babler wies auf die Integrationspflicht ab dem ersten Tag hin: "Diese Regierung wird Sicherheit zur Priorität machen." Das Programm, das heute präsentiert werde, sei ein Kompromiss: "Im besten Sinne des Wortes". Man habe das große Ganze im Blick, "um Österreich wieder auf Kurs zu bringen", so der SPÖ-Chef.
Meinl-Reisinger: "Wir wissen, dass wir liefern müssen"
"Was lange währt, wird endlich gut", ergriff dann auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger das Wort. Am Samstag sei man gemeinsam beim Bundespräsidenten gewesen. Van der Bellen habe "mal mehr oder weniger sorgenvoll" auf den Regierungsbildungsprozess geschaut, gab die Neos-Chefin Einblick in die Gespräche der vergangenen Tage. Sie sei daher mehr als stolz, dass man heute, am Donnerstag, "mit leichten Augenringen" ein Programm präsentieren könne. Die Staatsverantwortung zu übernehmen würde auch bedeuten, über den eigenen Schatten zu springen. "Eigentlich geht es darum, dass die Menschen Antworten brauchen", so Meinl-Reisinger. Das Programm biete diese Antworten. "Wir wissen, dass wir liefern müssen."

Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr kommt
Besonders wichtig gewesen sei den Neos stets das Thema Bildung. Zum ersten Mal werde der Kindergarten mit einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr jetzt als wichtiges Thema im Regierungsprogramm verankert. Auch die Deutschförderung soll in den kommenden Jahren im Fokus stehen. Dafür sollen in den kommenden zwei Jahren 420 Millionen Euro im Bildungsbereich bereitstehen.
Wichtig sei in Fragen des Budgets, nachhaltig zu denken. Die nächsten zwei Jahre würden hart werden, betonte Meinl-Reisinger. Die Bürokratiekosten wolle man "ab Tag eins" senken. "Das Vertrauen in die Demokratie lebt vom Vertrauen in die Institutionen", so Meinl-Reisinger. Deswegen freue sie sich besonders, dass es gelungen sei, eine unabhängige Weisungsspitze in der Justiz festzuzurren.
Ressortverteilung ist fix
Offiziell ist damit nun auch die Verteilung der Ressorts. Die ÖVP besetzt das Bundeskanzleramt, das Innenministerium, jenes für Landesverteidigung, das für Wirtschaft, Energie und Tourismus und das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft. Staatssekretariate soll es im Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium für Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus geben.
Der SPÖ fällt - neben dem Finanzministerium, wie bereits zuvor kolportiert wurde - das Justizministerium zu. Auch die Ministerien für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, jenes für Frauen, Wissenschaft und Forschung, jenes für Verkehr, Innovation und Technologie und das für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gehen zur SPÖ. Staatssekretäre soll es für die SPÖ im Arbeitsministerium, dem Innenministerium und dem Ministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport geben.
Bleiben noch die Neos, die, auch das war bereits zuvor bekannt, das Bildungs- sowie das Außenministerium besetzen werden. Zudem erhalten sie einen Staatssekretär im Außenministerium, hier gilt der Salzburger Gastronom Sepp Schellhorn als gesetzt. Konkrete Namen für diese Posten wollen die Neos am Abend im Vorstand diskutieren.
Die umfassende Regierung, es wird insgesamt sieben Staatssekretäre geben, verteidigten die Verhandler am Donnerstag auf Nachfrage. Man müsse beachten, dass die Probleme komplexer geworden seien, betonte ÖVP-Chef Stocker. Auch die Ministerien seien groß und erforderten ausreichend Personal, so SPÖ-Chef Babler.

Neos-Mitgliederversammlung am Sonntag letzte Hürde
Der Weg zur Regierung war, wir erinnern uns zurück, kein leichter gewesen. Die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos waren im Jänner nach einer ersten Verhandlungsrunde geplatzt. Die ÖVP nahm dann die Gespräche mit der FPÖ auf. Bekanntlich scheiterte auch dieser Versuch. Im dritten Anlauf hat es nun geklappt. Das gemeinsame Programm steht. Eine Hürde ist aber noch zu nehmen. Am Sonntag werden es die Mitglieder der Neos sein, die das letzte Wort darüber haben, ob die schwarz-rot-pinke Regierung zustande kommt oder nicht. Gemäß dem pinken Parteistatut müssen zwei Drittel der am Sonntag anwesenden Mitglieder für das Paket stimmen. Gibt es hier grünes Licht, könnte es (vergleichsweise) schnell gehen: Schon am Montag könnte die neue Regierung angelobt werden. Die Parteichefs zeigten sich positiv, dass das gelingen könne. "Ich gehe davon aus, dass wir am Montag zu dritt diese Regierung bilden können", betonte Stocker am Donnerstag.
Personalbesetzung der Ministerien bleibt vorerst offen
Weiter offen bleibt weiterhin, wer welches Ministeramt bekleiden wird. Insbesondere bei der SPÖ dürfte diesbezüglich noch einiges an Gesprächsbedarf vorhanden sein. In den vergangenen Tagen war das Gezerre um die Ministerposten auch öffentlich ausgetragen worden. Vor allem zwischen SPÖ-Chef Andreas Babler und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig dürfte es Auffassungsunterschiede geben, was etwa die Besetzung des Finanzministeriums betrifft. Der zwischenzeitlich für die Position des Finanzministers gehandelte Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) könnte in der künftigen ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition nun wohl doch eher Ressortchef im Infrastrukturministerium werden, wie am Donnerstagvormittag bekannt wurde. Er sei gefragt worden und er wäre offen für die Position, sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage. Freilich müsse man noch die Parteigremien abwarten, die bei der SPÖ am Freitag ab 11 Uhr tagen. Die Rolle des Finanzministers soll der AK Wien-Chefökonom Markus Marterbauer übernehmen.
Bei der ÖVP gab es keine derartigen öffentlichen Debatten. Dort dürften mit Gerhard Karner (Inneres), Klaudia Tanner (Verteidigung) und Norbert Totschnig (Landwirtschaft) die bisherigen Minister ihre Posten behalten. Über die übrigen Besetzungen sollte nach den Sitzungen am Freitag Klarheit herrschen.
Bei den Neos dürfte das Regierungsteam bereits fix sein. Abgeordneter Josef Schellhorn bestätigte am Mittwoch im ORF, dass er Staatssekretär für Deregulierung (im Außenministerium) werden solle. Fix wäre demnach auch, dass der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr Bildungsminister werde. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wird wohl Außenministerin.