"Echt super! Bin total happy"- um diese kurze Handynachricht und noch andere Chats wird sich ab Dienstag ein mit Spannung erwarteter Korruptionsprozess am Landesgericht Linz drehen. Es geht um eine umstrittene Postenbesetzung im Finanzamt Braunau, einen ÖVP-Bürgermeister auf Jobsuche, eine frustrierte Finanzbeamtin und einen besonderen Angeklagten: ÖVP-Klubchef August Wöginger.
Für die Volkspartei schupft Wöginger als Klubchef seit 2017 mit kurzer Unterbrechung das parlamentarische Geschäft im österreichischen Nationalrat und ist damit eine der Schlüsselfiguren in der ÖVP. Für elf Prozesstage muss Wöginger nun seinen Abgeordnetensessel gegen die Anklagebank tauschen. Für ihn geht es um viel, immerhin wird er wegen Bestimmung zum Amtsmissbrauch von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeklagt. "Es ist kein angenehmer Termin für mich", erklärte Wöginger am Dienstagvormittag unmittelbar vor dem Prozessbeginn. Wenig später kündigte Wögingers Anwalt im Gerichtssaal an, dass auch der Klubchef eine "Verantwortungsübernahme" bei Gericht deponiert. Das könnte auf eine Diversion abzielen. Einen Tag zuvor hatten bereits die beiden Mitangeklagten einen solchen Schritt gesetzt.
"Es tut mir leid, was durch mein Handeln ausgelöst wurde", sagte Klubchef Wöginger vor Gericht. "Ich würde das heute so nicht mehr machen." Es habe damals ein anderes Politikverständnis gegeben. "Das ist keine Rechtfertigung, aber es war so", sagte Wöginger. "Ich übernehme die Verantwortung."
Weitere ÖVP-Mitglieder involviert
Neben Wöginger werden zwei Beamte des Finanzministeriums vor dem Richter Platz nehmen - beide sind ebenfalls ÖVP-Mitglieder. Sie waren ein Mitglied bzw. Vorsitzender der Begutachtungskommission, die über den neuen Vorstand des Finanzamts entschieden hat. Wöginger soll laut Staatsanwaltschaft als Abgeordneter für die Bestellung eines ÖVP-Bürgermeisters aus einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde zum Vorstand des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding interveniert haben. Der Bürgermeister wurde 2017 dabei laut späteren Erkenntnissen der Gleichbehandlungskommission und des Bundesverwaltungsgerichts einer bestqualifizierten Bewerberin vorgezogen. Und das, weil Wöginger es so wollte, zumindest ist das der Vorwurf der Anklage.
Der aus Oberösterreich stammende ÖVP-Klubchef soll laut den Korruptionsermittlern der WKStA am Beginn der "Bestimmungskette" gestanden sein. Laut Anklage dürfte der ÖVP-Bürgermeister und Parteifreund Wögingers an den Bundespolitiker herangetreten sein, um diesen um Unterstützung zu bitten. Dieser soll sich laut den Ermittlern wiederum an den damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums gewandt haben, "um diese Unterstützung zu gewährleisten", wie es in der Anklage heißt. Der Generalsekretär dürfte daraufhin einen der Beamten der Begutachtungskommission beeinflusst haben.
Schmid forderte per SMS von dem Beamten Hilfe ein
Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium ist ebenfalls bei Weitem kein Unbekannter. Es handelt sich um Thomas Schmid. Jenen Vertrauten des ehemaligen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz, dessen Handychats infolge der Ibiza-Affäre eine ganze Reihe an Ermittlungen auslösten.
Im aktuellen Fall haben die Ermittler nicht nur Chatnachrichten zwischen Schmid und Wöginger gefunden, sondern auch Chats zwischen Schmid und jenem hochrangigen Finanzbeamten, der auf Dienstnehmerseite in der Postenkommission saß. Schmid forderte damals per SMS von dem Beamten Hilfe ein.
Selbst während der Sitzung der Kommission am 13. Februar 2017 zur Postenbesetzung gab es Chatnachrichten. Der Finanzbeamte schrieb an Schmid: "Hi! Mit Bauchweh-aber: (und dann ist Daumen hoch zu sehen)". Schmids Antwort lautete: "Mein Held". Zurück kam: "Man tut was man kann". Umgehend meldete sich Schmid laut den Ermittlungsakten bei Wöginger: "Wir haben es geschafft :-)) Der Bürgermeister schuldet dir was!" Und der ÖVP-Politiker schrieb: "echt super!! Bin total happy". Schmid informierte auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die "Intervention von Wöginger" erfolgreich war.
Schmid belastete ÖVP-Klubchef schwer
Doch nicht nur Chatnachrichten belasten Wöginger in der Causa Postenschacher. Auch Schmid selbst belastete mit seinen Aussagen vor der WKStA den ÖVP-Klubchef schwer. Er erhielt aufgrund dieser Aussage vor der WKStA auch den Kronzeugenstatus und wird im Prozess als solcher Wöginger gegenübersitzen. "Diese Postenbesetzung war für Wöginger wichtig", bestätigte Schmid den Korruptionsermittlern mehrmals bei seiner Befragung. Immerhin sei der ÖVP-Politiker an dieser Personalie "drangeblieben". Zumindest zwei Monate lang soll sich Wöginger bei Schmid für den ÖVP-Bürgermeister starkgemacht haben.
Von Dezember 2016 bis Februar 2017 besprachen die beiden die Personalie - neben anderen Themen - laut Schmid mehrfach. Die fachliche Eignung des Kandidaten sei dabei nie Thema gewesen, so die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: "Sachliche Beweggründe für seine Unterstützung bestanden nicht." Alle drei Angeklagten - für sie gilt die Unschuldsvermutung - bestritten die Vorwürfe. Im Fall einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Wie verteidigt sich der Klubchef?
Wie verteidigt sich der Klubchef? Wöginger gibt an, dass ihm weder die anderen Bewerber noch die Mitglieder der Begutachtungskommission bekannt waren. Ein anderes Motiv, sich für seinen Parteikollegen einzusetzen, als seine Überzeugung von dessen Qualifikation habe es nicht gegeben. "Zwischen ihm und mir bestand und besteht kein Naheverhältnis. Ich war auch sonst in keiner Weise auf seine Gunst angewiesen." Er habe lediglich "ein im Rahmen meiner legitimen Wahlkreisarbeit als Abgeordneter zum Nationalrat herangetragenes Anliegen an die zuständige Stelle weitergeleitet. Ein in der Politik täglicher Vorgang." Damit sei die Sache für ihn abgeschlossen gewesen. Ob der "Rezeption der Situation in der Öffentlichkeit" würde er heute aber anders agieren und ein entsprechendes Anliegen "auf den offiziellen Dienstweg verweisen". Ein Urteil wird im November erwartet.