Die Erleichterung war dem mächtigen ÖVP-Politiker August Wöginger im Gerichtssaal in Linz vor wenigen Wochen anzusehen. In der Causa Postenschacher, in der es um die Postenbesetzung des Finanzamts Braunau geht, war der ursprünglich für elf Tage angesetzte Prozess nach einem Vormittag erledigt. Wöginger hatte zu Verhandlungsbeginn in der Causa Reue gezeigt und vor Gericht gesagt: „Es tut mir leid, was durch mein Handeln ausgelöst wurde. Ich würde das heute so nicht mehr machen.“ Es habe damals ein anderes Politikverständnis gegeben. „Das ist keine Rechtfertigung, aber es war so“, sagte Wöginger. „Ich übernehme die Verantwortung.“ Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stimmte einer Diversion zu, auch das Gericht sah eine Diversion „gerade noch“ als möglich an, wenn Wöginger 44.000 Euro zahlt. Soweit schien die Sache abgeschlossen. Die ÖVP rückte aus, um von der Unschuld ihres wichtigen Klubchefs zu sprechen. Wöginger zahlte die Strafe und gab sich geläutert. Doch er und die Volkspartei haben offenbar die Rechnung ohne den Weisungsrat im rot geführten Justizministerium gemacht. Denn der dürfte die Sache anders sehen und hat nun den Oberbehörden der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) empfohlen, eine Weisung auszusprechen, wonach die Staatsanwaltschaft die Diversion bekämpfen soll. Das bestätigte die WKStA am Donnerstag.
„Hohes Maß an krimineller Energie“
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft verkündete damit auch die Fortsetzung des Strafverfahrens „gegen den Nationalratsabgeordneten August Wöginger und die Beamten Mag. Siegfried M. und Herbert B. wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt. Das Verfahren wird nun vor dem OLG Linz weitergeführt. Die Weisung erfolgte laut WKStA nach Genehmigung durch das Bundesministerium für Justiz und den Weisungsrat. Die Verwirklichung eines Tatbestands mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe signalisiert laut Begründung der Ermittlungsbehörden „ein hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblichen sozialen Störwert und damit einen gesteigerten Unrechtsgehalt. Auch Handlungs- und Gesinnungsunwert erreichen bei allen drei Angeklagten insgesamt ein Ausmaß, das als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist, sodass insgesamt von schwerer Schuld auszugehen ist.“ Die Staatsanwaltschaft sieht zudem, dass das Verhalten der „Angeklagten nicht nur zu einem erheblichen vermögensrechtlichen Nachteil geführt hat, sondern auch das Vertrauen in staatliche Institutionen und in das Handeln ihrer Organe erschüttert hat. Vor diesem Hintergrund sprechen letztlich auch generalpräventive Aspekte gegen ein diversionelles Vorgehen. Deshalb ist eine Überprüfung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht Linz als Rechtsmittelgericht jedenfalls geboten.“
ÖVP steht weiterhin hinter Wöginger
Die ÖVP erklärte in einer Stellungnahme, sie nehme den Instanzenzug zur Kenntnis, am Ball sei nun das Oberlandesgericht Linz. „Wir gehen davon aus, dass die Diversion bestätigt wird“, zeigte man sich zuversichtlich. „Unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger“, betonte die Kanzlerpartei.
Um was ging es bei dem Prozess?
„Echt super! Bin total happy“ – um diese kurze Handynachricht und noch andere Chats drehte sich die Anklage in dem Korruptionsprozess am Landesgericht Linz. Es ging um eine umstrittene Postenbesetzung im Finanzamt Braunau, einen ÖVP-Bürgermeister auf Jobsuche, eine frustrierte Finanzbeamtin und einen besonderen Angeklagten: ÖVP-Klubchef August Wöginger. Neben Wöginger nahmen zwei Beamte des Finanzministeriums vor der Richterin Platz – beide sind ebenfalls ÖVP-Mitglieder. Sie waren ein Mitglied bzw. Vorsitzender der Begutachtungskommission, die über den neuen Vorstand des Finanzamts entschieden hat. Wöginger soll laut Staatsanwaltschaft als Abgeordneter für die Bestellung eines ÖVP-Bürgermeisters aus einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde zum Vorstand des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding interveniert haben. Der Bürgermeister wurde 2017 dabei laut späteren Erkenntnissen der Gleichbehandlungskommission und des Bundesverwaltungsgerichts einer bestqualifizierten Bewerberin vorgezogen. Und das, weil Wöginger es so wollte, zumindest ist das der Vorwurf der Anklage.

