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„Hohes Maß an krimineller Energie“: WKStA bekämpft Diversion für Wöginger

ÖVP-Klubchef August Wöginger muss in der Causa Postenschacher noch einmal vor Gericht. Es gibt eine Weisung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Diversion zu bekämpfen.

August Wöginger vor Gericht Anfang Oktober.
August Wöginger vor Gericht Anfang Oktober.

Die Erleichterung war dem mächtigen ÖVP-Politiker August Wöginger im Gerichtssaal in Linz vor wenigen Wochen anzusehen. In der Causa Postenschacher, in der es um die Postenbesetzung des Finanzamts Braunau geht, war der ursprünglich für elf Tage angesetzte Prozess nach einem Vormittag erledigt. Wöginger hatte zu Verhandlungsbeginn in der Causa Reue gezeigt und vor Gericht gesagt: „Es tut mir leid, was durch mein Handeln ausgelöst wurde. Ich würde das heute so nicht mehr machen.“ Es habe damals ein anderes Politikverständnis gegeben. „Das ist keine Rechtfertigung, aber es war so“, sagte Wöginger. „Ich übernehme die Verantwortung.“ Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stimmte einer Diversion zu, auch das Gericht sah eine Diversion „gerade noch“ als möglich an, wenn Wöginger 44.000 Euro zahlt. Soweit schien die Sache abgeschlossen. Die ÖVP rückte aus, um von der Unschuld ihres wichtigen Klubchefs zu sprechen. Wöginger zahlte die Strafe und gab sich geläutert. Doch er und die Volkspartei haben offenbar die Rechnung ohne den Weisungsrat im rot geführten Justizministerium gemacht. Denn der dürfte die Sache anders sehen und hat nun den Oberbehörden der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) empfohlen, eine Weisung auszusprechen, wonach die Staatsanwaltschaft die Diversion bekämpfen soll. Das bestätigte die WKStA am Donnerstag.

„Hohes Maß an krimineller Energie“

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft verkündete damit auch die Fortsetzung des Strafverfahrens „gegen den Nationalratsabgeordneten August Wöginger und die Beamten Mag. Siegfried M. und Herbert B. wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt. Das Verfahren wird nun vor dem OLG Linz weitergeführt. Die Weisung erfolgte laut WKStA nach Genehmigung durch das Bundesministerium für Justiz und den Weisungsrat. Die Verwirklichung eines Tatbestands mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe signalisiert laut Begründung der Ermittlungsbehörden „ein hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblichen sozialen Störwert und damit einen gesteigerten Unrechtsgehalt. Auch Handlungs- und Gesinnungsunwert erreichen bei allen drei Angeklagten insgesamt ein Ausmaß, das als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist, sodass insgesamt von schwerer Schuld auszugehen ist.“ Die Staatsanwaltschaft sieht zudem, dass das Verhalten der „Angeklagten nicht nur zu einem erheblichen vermögensrechtlichen Nachteil geführt hat, sondern auch das Vertrauen in staatliche Institutionen und in das Handeln ihrer Organe erschüttert hat. Vor diesem Hintergrund sprechen letztlich auch generalpräventive Aspekte gegen ein diversionelles Vorgehen. Deshalb ist eine Überprüfung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Oberlandesgericht Linz als Rechtsmittelgericht jedenfalls geboten.“

ÖVP steht weiterhin hinter Wöginger

Die ÖVP erklärte in einer Stellungnahme, sie nehme den Instanzenzug zur Kenntnis, am Ball sei nun das Oberlandesgericht Linz. „Wir gehen davon aus, dass die Diversion bestätigt wird“, zeigte man sich zuversichtlich. „Unverändert stehen wir geschlossen hinter August Wöginger“, betonte die Kanzlerpartei.

Um was ging es bei dem Prozess?

„Echt super! Bin total happy“ – um diese kurze Handynachricht und noch andere Chats drehte sich die Anklage in dem Korruptionsprozess am Landesgericht Linz. Es ging um eine umstrittene Postenbesetzung im Finanzamt Braunau, einen ÖVP-Bürgermeister auf Jobsuche, eine frustrierte Finanzbeamtin und einen besonderen Angeklagten: ÖVP-Klubchef August Wöginger. Neben Wöginger nahmen zwei Beamte des Finanzministeriums vor der Richterin Platz – beide sind ebenfalls ÖVP-Mitglieder. Sie waren ein Mitglied bzw. Vorsitzender der Begutachtungskommission, die über den neuen Vorstand des Finanzamts entschieden hat. Wöginger soll laut Staatsanwaltschaft als Abgeordneter für die Bestellung eines ÖVP-Bürgermeisters aus einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde zum Vorstand des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding interveniert haben. Der Bürgermeister wurde 2017 dabei laut späteren Erkenntnissen der Gleichbehandlungskommission und des Bundesverwaltungsgerichts einer bestqualifizierten Bewerberin vorgezogen. Und das, weil Wöginger es so wollte, zumindest ist das der Vorwurf der Anklage.

August Wöginger vor Gericht Anfang Oktober.
August Wöginger vor Gericht Anfang Oktober.

Der aus Oberösterreich stammende ÖVP-Klubchef soll laut den Korruptionsermittlern der WKStA am Beginn der „Bestimmungskette“ gestanden haben. Laut Anklage dürfte der ÖVP-Bürgermeister und Parteifreund Wögingers an den Bundespolitiker herangetreten sein, um diesen um Unterstützung zu bitten. Dieser soll sich laut den Ermittlern wiederum an den damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums gewandt haben, „um diese Unterstützung zu gewährleisten“, wie es in der Anklage heißt. Der Generalsekretär dürfte daraufhin einen der Beamten der Begutachtungskommission beeinflusst haben.

Schmid forderte Hilfe ein

Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium ist ebenfalls bei Weitem kein Unbekannter. Es handelt sich um Thomas Schmid. Jenen Vertrauten des ehemaligen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz, dessen Handychats infolge der Ibiza-Affäre eine ganze Reihe an Ermittlungen auslösten. Im aktuellen Fall haben die Ermittler nicht nur Chatnachrichten zwischen Schmid und Wöginger gefunden, sondern auch Chats zwischen Schmid und jenem hochrangigen Finanzbeamten, der auf Dienstnehmerseite in der Postenkommission saß. Schmid forderte damals per SMS von dem Beamten Hilfe ein. Selbst während der Sitzung der Kommission am 13. Februar 2017 zur Postenbesetzung gab es Chatnachrichten. Der Finanzbeamte schrieb an Schmid: „Hi! Mit Bauchweh – aber: (und dann ist Daumen hoch zu sehen)“. Schmids Antwort lautete: „Mein Held“. Zurück kam: „Man tut, was man kann“. Umgehend meldete sich Schmid laut den Ermittlungsakten bei Wöginger: „Wir haben es geschafft :-)) Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Und der ÖVP-Politiker schrieb: „echt super!! Bin total happy“. Schmid informierte auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die „Intervention von Wöginger“ erfolgreich war. Schmid belastete ÖVP-Klubchef schwer. Doch nicht nur Chatnachrichten belasteten Wöginger in der Causa Postenschacher. Auch Schmid selbst belastete mit seinen Aussagen vor der WKStA den ÖVP-Klubchef schwer. Er erhielt aufgrund dieser Aussage vor der WKStA auch den Kronzeugenstatus. Den behält er auch, wenn das Verfahren mit einer Diversion endet.