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Als die Kommunisten Hallein regierten

Die Stadt Hallein hat eine ganze besondere kommunistische Geschichte. Sie geht weit über die bekannte Widerstandskämpferin Agnes Primocic hinaus, die aktuell mit einem Gedenkprojekt geehrt wird.

Über die Dürrnbergstraße und den Oberen Markt marschieren deutsche Gebirgsjäger am 12. März in Hallein ein.
Über die Dürrnbergstraße und den Oberen Markt marschieren deutsche Gebirgsjäger am 12. März in Hallein ein.
Der Kommunist Karl Nedomlel war von Mai 1945 bis zur ersten Wahl im Frühjahr 1946 Bürgermeister von Hallein
Der Kommunist Karl Nedomlel war von Mai 1945 bis zur ersten Wahl im Frühjahr 1946 Bürgermeister von Hallein

Die neue KPÖ plus war bei der vergangenen Landtagswahl viertstärkste Kraft im Bezirk noch vor den Grünen, die Stadt Hallein war mit 14,28 Prozent eine "Hochburg" für die KPÖ plus (quasi Platz zwei hinter der Stadt Salzburg (21,51 %), fast gleichauf mit Koppl (14,6 %) und Elsbethen (14,4 %)). Das war einerseits so überraschend wie das KPÖ-Ergebnis im Rest des Landes - andererseits aber auch nicht, denn Hallein hat eine ganz spezielle Geschichte mit der kommunistischen Partei.

Denn die Kommunisten in Hallein, das war nicht nur die 2007 verstorbene Widerstandskämpferin Agens Primocic, die aktuell gerade mit einer Gedenkaktion ins Bewusstsein der heutigen Halleiner Bevölkerung zurückgeholt wird. Bis Mitte der 1990er saßen Vertreter der KPÖ in der Halleiner Gemeindevertretung. Und direkt nach dem 2. Weltkrieg hatte Hallein mit dem Papierarbeiter Karl Nedomlel sogar ein Jahr lang einen kommunistischen Bürgermeister.

Historiker Wolfgang Wintersteller vom Halleiner Stadtarchiv erklärt im TN-Gespräch die Hintergründe: "Am 5. Mai hatte sich eine große Menschenmenge vor der Bäckerei Schmidhammer am Oberen Markt versammelt, Gebäck war Mangelware, es gab Tumulte. Aber Nedomlel hat die Leute beruhigt, er war eine anerkannte Respektsperson, er hat gesagt: ,Beruhigt euch, ich bin euer Bürgermeister.' Das haben französische Offiziere beobachtet und am Nachmittag haben sie ihn dann auch offiziell zum Bürgermeister gemacht." Als solcher führte er ein Jahr lang eine provisorische Stadtregierung an, die aus ihm und KPÖ-Genossin Primocic bestand sowie aus je zwei Mitgliedern der Christlich-Sozialen und der Sozialdemokraten.

"„Die Kommunisten haben in der ersten Phase nach dem Krieg viel geleistet.“"
Wolfgang Wintersteller
Historiker, Stadtarchiv Hallein

Nachdem die Nazis jahrelang die "rote Gefahr" heraufbeschworen hatten, hatten viele Halleiner Angst vor einem kommunistischen Bürgermeister, und bei der ersten Nachkriegswahl 1946, als auch der Kalte Krieg schon nach Österreich hereinzuwirken begann, erhielten die Sozialdemokraten die Mehrheit. "Aber Nedomlel hatte einen unglaublich guten Nachruf, auch die politischen Gegner haben sich höchst positiv geäußert, als er nach der Wahl 1946 zurücktrat", betont Historiker Wintersteller. "Er hat in der ersten Phase gemeinsam mit Primocic für Ruhe und Ordnung gesorgt und für vernünftige Entwicklungen die Weichen gestellt, das war wirklich anerkennenswert. Die Kommunisten haben in dieser ersten Phase viel geleistet."

Die vielleicht sogar noch außergewöhnlichere Tatsache ist aber, dass damit die Zeit der Kommunisten in der Halleiner Stadtgemeindevertretung noch lang nicht vorbei war - Nedomlel selbst saß noch bis zur Wahl 1959 im Stadtparlament und noch bis 1994 war dort mindestens ein kommunistischer Mandatar vertreten. Diese Langlebigkeit hing vor allem an der Person von KPÖ-Urgestein Ernst Gold: "Er war anerkannt in Hallein, weil er Leuten Wohnungen vermittelt hat und sehr bürgernah gewirkt hat", sagt Wintersteller. 1958 wurde Gold erstmals in den Halleiner Gemeinderat gewählt und blieb dort bis 1991. Von 1978 bis 1990 war er KPÖ-Landesobmann von Salzburg und gehörte auch dem Zentralkomitee der KPÖ an. Später war er auch in die Gründung der Bürgerliste "Bündnis für Hallein" involviert, die von 1999 bis 2004 im Gemeindeparlament vertreten war.

"„Seit zwei, drei Jahren gibt es wieder verstärktes Interesse aus Hallein.“"
Kay-Michael Dankl
KPÖ-Landesvorsitzender

Aktuell gebe es zwar einige Unterstützerinnen und Unterstützer der neuen KPÖ plus in Hallein, aber keine eigenständige Ortsgruppe, sagt der aktuelle Spitzenkandidat und künftige Landtagsabgeordnete Kay-Michael Dankl aus der Stadt Salzburg: "Seit zwei, drei Jahren gibt es wieder verstärktes Interesse aus Hallein, wir haben auch demnächst ein Interessiertentreffen, für das sich schon mehr als 20 Leute angemeldet haben." Ob die KPÖ plus auch mit eigenen Tennengauer bzw. Halleiner Kandidat/-innen bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl im Frühjahr 2024 antreten werde, ist noch unklar: "Wir werden voraussichtlich im September eine Landeskonferenz abhalten, bei der wir diese Weichenstellung treffen werden. Natürlich sind auch Antritte außerhalb der Stadt Salzburg möglich."

Wie zweischneidig ein Engagement für die kommunistische Partei sein konnte, kennt Historiker Wolfgang Wintersteller aus der eigenen Familie - Altbürgermeister Nedomlel war der Onkel seiner Frau Monika: "Nedomlel und Agnes Primocic reisten 1933 mit einer österreichischen Delegation nach Moskau, da haben sie sich einiges angeschaut und wurden wohl auch ein bisschen eingewickelt. Seine Erzählungen gipfelten dann immer in dem Höhepunkt, dass er eines Tages im gleichen Raum wie Stalin stand und ihm mit Wodka zugeprostet hat." Dieses positive Bild des Kommunismus in der Sowjetunion relativierte nach dem Krieg sein Bruder, Winterstellers Schwiegervater: "Er war in russische Kriegsgefangenschaft geraten, und als er zurückkam, stand sein kommunistischer Bruder, der Bürgermeister, am Bahnhof mit Blumen und fragte, ,Wie war's denn?', weil er glaubte, mein Schwiegervater würde jetzt ins Schwärmen geraten. Aber der meinte nur: ,Steig ein in den Zug und schau's dir selbst an.'"


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