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Wertvolle Bohne: Als der Schmuggel in Großgmain blühte

In Großgmain lag einst das Geld sprichwörtlich auf der Straße. Wie Bauernsöhne zu Königen des Schmuggels wurden.

 Alltag der Zollbeamten am Grenzübergang Walserberg. Wenige Kilometer entfernt wurde nach dem zweiten Weltkrieg im großen Stil Kaffee und Zigaretten über die deutsch-österreichische Grenze geschmuggelt.
Alltag der Zollbeamten am Grenzübergang Walserberg. Wenige Kilometer entfernt wurde nach dem zweiten Weltkrieg im großen Stil Kaffee und Zigaretten über die deutsch-österreichische Grenze geschmuggelt.

Zwei Warnschüsse sollen die Zollbeamten abgegeben haben. Beim dritten Schuss durchbohrte die Kugel die Rückseite des Wagens, das Projektil glitt mühelos durch den Polster und traf den Mann, der auf dem Beifahrersitz saß. Er starb sofort, im Kofferraum des Wagens fanden die Beamten kiloweise Kaffee und Zigaretten.

"Offensichtlich haben die Zollbeamten Wind davon bekommen, dass sich im Auto Schmuggelware befand", sagt Johannes Lang. Der Leiter des Stadtarchivs in Bad Reichenhall hat sich mit den Geschichten der Schmuggler beschäftigt. "Sie haben sich in der Nähe es heutigen Freilichtmuseums positioniert und wollten den Wagen anhalten." Doch die Schmuggler dürften wohl nicht daran gedacht haben, stehen zu bleiben. Die "Salzburger Nachrichten" berichteten am 23. Juni, zwei Tage nach dem tödlichen Vorfall: "Die Haltzeichen der Zollbeamten wurden von den Insassen nicht beachtet; in voller Fahrt sauste das Auto weiter."

Noch 72 Jahre später erinnert ein Marterl am Straßenrand der Großgmainer Landesstraße an den Tod des Schmugglers. Der Gedenkstein ist so unscheinbar, dass Vorbeifahrende schon genau wissen müssen, wonach sie suchen. Es ist auch einer der wenigen Orte in Salzburg, die an die Schmugglerzeit nach dem zweiten Weltkrieg erinnern.

Das Echo auf den Tod des Großgmainer Schmugglers im Juni 1950 soll emotional gewesen sein, sagt der Historiker. Zusammen mit dem Bad Reichenhaller Albin Kühnel hat Lang Interviews mit zahlreichen ehemaligen Schmugglern und Zollbeamten geführt und deren Geschichten zu einem Buch zusammengetragen. "Der Wagen, mit dem der getötete Schmuggler unterwegs gewesen war, wurde noch tagelang in Großgmain zu Schau gestellt", sagt Lang. Außerdem sei die Beerdigung des jungen Mannes eine Machtdemonstration des organisierten Schmuggels gewesen. "Eine derart große Trauerkundgebung hatte Großgmain zuvor noch nicht gesehen."

Bild: SN/privat
„Der Schmuggler zündete sich die Zigarette mit einem Geldschein an.“
Johannes Lang, Historiker

Sechs Milliarden Zigaretten in einem Jahr geschmuggelt

Und dennoch: Solche tödlichen Zwischenfälle gab es nur wenige in der Schmugglerzeit, obwohl die Zollverwaltungen in Österreich und Deutschland versuchten, den illegalen Warentransport zu bekämpfen. Sei es durch mehr Personal, eine bessere technische Ausstattung oder später auch durch den Einsatz von Hunden entlang der Grenze. Doch sie konnten nicht verhindern, dass nach dem Zweiten Weltkrieg eine Blütezeit des organisierten Schmuggels entstand. "Vor allem Kaffee und Zigaretten wurden ab 1946 im großen Stil geschmuggelt", sagt Albin Kühnel. Schon bald diktierte der Schwarzhandel die Gesellschaft in der Grenzregion. "Das Geld lag sprichwörtlich auf der Straße, viele haben in dieser Zeit ein Vermögen verdient." Ein geschmuggelter 50 Kilogramm schwerer Sack Kaffee soll 50 Mark eingebracht haben. Für ein Gebinde mit 10.000 Zigaretten bekam ein Schmuggler 100 Mark, berichtet Kühnel. "In einer Nacht konnte ein Schmuggler also den Lohn eines halben Monats verdienen."

Die Zollbeamten setzten auch Spürhunde ein, um die Schmuggler zu erwischen.  SN/kühnel
Die Zollbeamten setzten auch Spürhunde ein, um die Schmuggler zu erwischen.
In speziell gefertigten Mänteln wurde der Kaffee über die Grenze geschmuggelt.  SN/kühnel
In speziell gefertigten Mänteln wurde der Kaffee über die Grenze geschmuggelt.

Allein im Jahr 1949 sollen sechs Milliarden Zigaretten und 30.000 Tonnen Kaffee nach Deutschland geschmuggelt und damit Zölle und Verbrauchssteuern in Höhe von mehr als einer Milliarde DM hinterzogen worden sein. "Die schlaueren Schmuggler haben sich ihr Geld aber nicht anmerken lassen", sagt Kühnel, "sondern das meiste investiert, etwa in landwirtschaftliche Maschinen." Dennoch sei es auch vorgekommen, dass manche von ihnen mit ihrem Erfolg geprahlt hätten und sich mit ihrem verdienten Geld Luxusgegenstände wie beispielsweise Motorräder gekauft hätten.

Stadtarchivar Johannes Lang erzählt auch von einem Schmugglerkönig, der sich auf einer Faschingsfeier mit einem Hundertmarkschein eine Zigarette angezündet haben soll. "Wenn man den ehemaligen Schmugglern zuhörte, bekam man den Eindruck, dass die Schmugglerzeit jahrzehntelang ging", sagt Lang. Tatsächlich dauerte die Blütezeit drei bis vier Jahre. Nachdem Steuern für Zigaretten und Kaffee in Deutschland gesenkt worden waren, war auch der Schmuggel nicht mehr attraktiv. Noch heute werden zwar immer wieder Zigarettenschmuggler am Flughafen erwischt, an der EU-Binnengrenze zwischen Großgmain und Bayerisch Gmain kehrte jedoch wieder Ruhe ein. Oder wie es Lang und Kühnel in ihrem Buch formulieren: "Aus ehemaligen Schmugglern wurden wieder brave Bürger, die ihren Lebensunterhalt nunmehr auf ehrliche Art und Weise verdienten."

Das Grenzgebiet. Kühnel und Lang markierten die Schmuggelschwerpunkte rot.  SN/kühnel/lang
Das Grenzgebiet. Kühnel und Lang markierten die Schmuggelschwerpunkte rot.
Albin Kühnel interviewte für sein Buch ehemalige Schmuggler.   SN/boschner
Albin Kühnel interviewte für sein Buch ehemalige Schmuggler.