Die Grünen haben am Sonntag bei der Landtagswahl zwar mit 9,3 Prozent das zweitbeste Ergebnis eingefahren. Das ist ihnen aber vermutlich nur ein schwacher Trost. Ihr Stimmenanteil hat sich mehr als halbiert. Astrid Rössler will deshalb am Montagnachmittag wohl ihren Rücktritt anbieten.
Politikwissenschafter Reinhard Heinisch sagt, er verstehe die persönliche Enttäuschung Rösslers. "Aber ich würde mir den Rücktritt an ihrer Stelle noch einmal überlegen. Natürlich war der Wahlkampf auf ihre Person zugeschnitten und die Partei war größtenteils außen vor. Aber Rössler auszutauschen, halte ich für extrem problematisch."
Erfahrene Regierungspolitikerin als Kapital
Rössler sei von allen Grünpolitikern mit Regierungserfahrung die bekannteste. "Sie kann glaubhaft sagen: ,Ich kann regieren.' Dieses Kapital würde ich nicht leichtfertig vergeben."
Heinisch hat für die Grünen ein Vorschlag parat: "Sie sollten sich überlegen, nicht grundsätzlich alles über den Haufen zu werfen. Es könnte auch an der grünen Wahlkampagne gelegen sein."
Kampagne sei "unglücklich" gewählt gewesen
Denn diese Wahlkampagne sei aus mehreren Gründen unglücklich gewählt gewesen, betonte Heinisch. "Eine Regierungspartei muss auf Erreichtes hinweisen. Aus den Plakaten der Grünen ist nicht einmal hervorgegangen, ob sie in den vergangenen fünf Jahren in der Regierung oder in der Opposition waren." Dabei hätten die Grünen durchaus Erfolge zu verzeichnen gehabt: Luftreinheit, Raumordnung, Stärkung der Ortskerne.
Das Plakatsujet "Ich bin keine Politikerin" habe außerdem für Irritationen gesorgt. "Natürlich ist Astrid Rössler eine Politikerin", sagte Heinisch.

"Sympathische Kandidaten haben andere Parteien auch"
Er verstehe jedoch, warum die Grünen den Wahlkampf auf die Person Rösslers zugeschnitten hätten: "Die Marke Grün war durch die Vorkommnisse auf Bundesebene und in Kärnten beschädigt." Doch die klassischen Grünwähler seien eher aufgrund von Themen zu bewegen. "Sympathische Spitzenkandidaten, die nette Dinge versprechen, haben auch die anderen Parteien." Das sei laut Heinisch wohl der Hauptgrund, warum die Grünen 11.000 Stimmen an die Nichtwähler verloren haben.
Warum verloren die Grünen 11.000 Stimmen an die Neos?
Dass 11.000 Stimmen von den Grünen zu den Neos gewandert sind, liege daran, dass Salzburg "bürgerlich-grün" und nicht "links-grün" sei. "Die Grünen waren 2013 im Speckgürtel um die Stadt Salzburg extrem erfolgreich. Dort wohnen eher Gutverdienende, liberale Wähler. Denen ist die ÖVP zu verzopft und die FPÖ zu intolerant. Sie sind aber keine grünen Stammwähler. Die Neos konnten diese Stimmen holen, weil sie stimmungsmäßig einen Aufwärtstrend haben und relativ konsequent gegen die FPÖ und gegen Intoleranz aufgetreten sind. Außerdem haben sie - anders als die Grünen - nicht dieses Image als Verbots- und Bevormundungspartei." Das bedeute nicht, dass Rössler dies verkörpert habe, sondern dass die Grünen ein Imageproblem hätten. "Sie werden empfunden als eine Partei der Oberlehrer. Das kommt überhaupt nicht gut an."
Grünen Frauen schlage starker Sexismus entgegen
Heinisch ortet auch eine andere Tendenz, vor allem in sozialen Netzwerken: "Grünpolitikerinnen sind viel stärker Anfeindungen ausgesetzt. Ihnen schlägt Kritik entgegen, die nicht unbedingt gerechtfertigt ist. Das müsste man einmal genauer untersuchen."
Grüne Männer hätten es leichter, obwohl sie dieselben Themen in ähnlichen Zeiten vertreten. "Van der Bellen ist ein gutes Beispiel. Er wirkt modern, väterlich, urban, breit aufgestellt. Das kommt gut an. Genauso ist es auch beim grünen Innsbrucker Bürgermeisterkandidaten Georg Willi."
Grüne Frauen würden hingegen als zu links und feministisch empfunden, vor allem in sozialen Medien.