Gemeindefinanzen: "Manche können sich mit Rücklagen drüberretten, aber 2026 könnte es dramatisch werden"
Noch bleibt der Tennengau ohne Ausgleichsgemeinde, aber der Druck auf die Gemeinden ist groß wie lange nicht. Man setzt auf diverse Strategien.
BILD: SN/SW/STADT HALLEIN
Mitte Dezember wurde in Hallein ein „Budget der konstruktiven Kräfte“, wie Bürgermeister Alexander Stangassinger es nennt, beschlossen.
Vor allem die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt, etwa die Betreuung von Senioren und Kleinkindern, explodieren. Gleichzeitig sind die Einnahmen der Gemeinden bestenfalls gleichbleibend. Eine Schere klafft auf. Der finanzielle Druck auf die Gemeinden war in den vergangenen 30 Jahren nie so groß wie jetzt.
Es ist damit zu rechnen, dass sich 2025 die Zahl der Gemeinden, die einen Haushaltsausgleich vom Land brauchen, verdoppeln oder sogar verdreifachen wird. Ungefähr zwölf bis 20 Gemeinden werden für das nächste Jahr kein ausgeglichenes Budget schaffen. Im Budgetjahr 2024 gab es sechs solcher Gemeinden.
Ein neues Phänomen ist: Es sind nicht nur die üblichen verdächtigen kleinen Gemeinden, sondern auch mittelgroße mit stabilen Kommunalsteuereinnahmen, die noch vor zwei, drei Jahren sehr gut dagestanden sind.
Im Tennengau kommen 2025 noch alle 13 Gemeinden ohne Landeshilfe über die Runden, aber es ist eng geworden. Jeder schafft auf seine Weise: "Manche werden sich noch mit Rücklagen drüberretten, aber 2026 könnte es wirklich dramatisch werden, wenn sich nichts ändert", erklärte Martin Huber, Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes, in einem Interview in den Salzburger Nachrichten. Auch Friedl Strubreiter (ÖVP), Bürgermeister der Gemeinde Scheffau und Vorsitzender der Tennengauer Bürgermeisterkonferenz teilt diese Meinung, blickt aber auch positiv in die Zukunft: "Ihre Rücklagen müssen eh alle Gemeinden auflösen. Ich bin mir aber sicher, dass es in zwei bis drei Jahren wieder bergauf geht."
"Luxus können wir uns keinen leisten."
Stefan Lanner (SPÖ)
Bgm. Rußbach
Rußbach, als einwohnerschwächste Gemeinde im Bezirk, hat keine Rücklagen, die man auflösen könnte. "Wir haben für 2025 ein Budget hinbekommen. Aber es ist immer knapp. Es reicht auch nicht, um Rücklagen zu bilden", sagt Bürgermeister Stefan Lanner (SPÖ). Der Haushaltsausgleich für finanzschwächere Gemeinden, eine Zulage des Landes, rettet seine Gemeinde finanziell. Doch auch Lanner sieht, dass sich etwas ändern muss. "Unsere Kommunalsteuern stagnieren. Wenn die Ertragsanteile nicht steigen, wird es in Zukunft schwierig", ist der Ortschef überzeugt.
Trotzdem wird in Rußbach ein großes Projekt, inklusive Motorikpark und Kletterturm, beim Sportplatz umgesetzt. "Ohne Förderungen der EU und des Landes wäre dieses Projekt unmöglich. Beim Kletterturm unterstützt uns zusätzlich der Alpenverein - Sektion Lammertal. Dafür bin ich sehr dankbar", so Lanner. Die Gefahr zur Ausgleichsgemeinde zu werden, sieht der Bürgermeister nicht: "Wir dürfen uns glücklich schätzen, ein Budget zusammenzubringen. Das wird uns auch in den nächsten Jahren gelingen, Luxus können wir uns aber keinen leisten."
"Das Budget wird ein Sparbudget, aber es bleibt ein Investitionsbudget."
Alexander Stangassinger (SPÖ)
Bgm. Hallein
Mitte Dezember wurde in der Halleiner Gemeindevertretersitzung das Budget 2025 beschlossen. "Das Budget 2025 wird ein Sparbudget, aber es bleibt ein Investitionsbudget. Denn sparen heißt für mich sinnvoll zu investieren Trotz der wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist es uns gelungen, ein Budget zu schnüren, das zukunftsweisende Investitionen ermöglicht. Wir haben klare Prioritäten gesetzt, jeder Euro wird gezielt dort eingesetzt, wo er den größten Nutzen für unsere Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger bringt", so Halleins Bürgermeister Alexander Stangassinger (SPÖ), der ergänzt: "Statt wie die Landesregierung bei den Schwächsten zu kürzen, gehen wir in Hallein bewusst einen anderen Weg. Bildung, Infrastruktur und sozialer Zusammenhalt, das sind unsere Prioritäten." Allein für die Sanierung und Aufstockung der Volks- und Mittelschule Burgfried wurden 4,5 Millionen Euro veranschlagt.
Auch 2025 sind umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen in der Bezirkshauptstadt geplant, nämlich am Kothbach (Gesamtvolumen: 2,9 Mio. Euro, städtischer Anteil: 800.000 Euro bis 2027), in Gamp (Gesamtvolumen: 1,8 Mio. Euro, städtischer Anteil: 600.000 Euro bis 2029) sowie in Rif (Gesamtvolumen: 1,7 Mio. Euro, städtischer Anteil: 560.000 Euro bis 2029). Zusätzlich werden 2,1 Millionen Euro für Straßen- und Brückensanierungen sowie 1,2 Millionen Euro für Kanal- und Wasserversorgungsprojekte bereitgestellt. Geplant sind die Sanierung des Babybeckens im Freibad in der Höhe von einer Million Euro, die Erneuerung der Lichtrufanlage im Seniorenheim (290.000 Euro) und die Umstellung des Friedhofs von Gas auf Fernwärme (100.000 Euro). Im Bereich Kultur und Freizeit wird das Keltenmuseum mit 5,1 Millionen Euro ausgebaut, wobei hierbei 50 % vom Land und 25 % aus dem Kommunalen Investitionsprogramm (KIP) finanziert werden. Zudem sind für erste Maßnahmen im Zuge der Öffnung des Forstgartens für die breite Öffentlichkeit als Startbudget 100.000 Euro reserviert.
Wie viele Ausgleichsgemeinden es nächstes Jahr geben wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen, endgültig wohl erst bis März. Der Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes rechnet mit zwölf bis 14, andere Experten erwarten gar 20. Ausgleichsgemeinden sind finanzschwach. Sie stehen quasi unter dem Kuratel des Landes. Die Aufsicht prüft Budgets und einzelne Projekte genau. In den Haushaltsjahren 2018 bis 2024 gab es zwischen drei und acht solche Kommunen. Durchgehend betroffen war Ebenau. Zum Teil dabei waren Mauterndorf, Thomatal, Unternberg und St. Andrä im Lungau sowie Rauris, Lend, Taxenbach, Stuhlfelden und Hüttschlag. Das Land musste zum Beispiel der Gemeinde Ebenau von 2021 bis 2023 mit insgesamt 410.000 Euro unter die Arme greifen.
"Rücklagen müssen eh alle auflösen."
Friedl Strubreiter (ÖVP)
Bgm. Scheffau, Vorsitzender der Tennengauer Bürgermeisterkonferenz
Noch gibt es im Tennengau keine Ausgleichsgemeinde, so manche Kommune steht aber knapp davor, etwa Golling. "Wir haben unsere Rücklagen komplett aufgebraucht, für 2025 aber noch ein Budget erstellt. Wenn sich nichts ändert, schaffe ich das für 2026 aber nicht mehr", ist Bürgermeister Martin Dietrich (SPÖ) ehrlich. Für Golling konnte ein absolutes Sparpaket erstellt werden, investiert wird nur in absolut notwendige Dinge, "nicht aber in sinnvolle", so Dietrich. Für den Ortschef gilt es absolut zu verhindern, eine Ausgleichsgemeinde zu werden. "Die Menschen müssen erst einmal verstehen, was das Bedeutet. Da wird jede Ausgabe, jedes Museum und einfach alles durchleuchtet. Werden wir zur Ausgleichsgemeinde, bringt mir das mein Gemeindeleben um", ist sich Dietrich sicher.
"Bringen sie uns um, bringt das die Wirtschaft um."
Martin Dietrich (SPÖ)
Bgm. Golling
Große gemeindeübergreifende Projekte wie einen gemeinsamen Bauhof oder dergleichen sucht man im Tennengau vergebens. Neben langjährigen gemeinsamen Reinhalteverbänden sind es Schulen und Altersheime, für die sich die Gemeinden die Kosten teilen. Eine Besonderheit ist die in Golling beheimatete Therme "Aqua Salza". Seit Jahren beteiligen sich, neben dem Land, alle 13 Tennengauer Gemeinden an den Kosten. "Über die zukünftige Landesbeteiligung wird aktuell diskutiert", verrät Scheffaus Bürgermeister Friedl Strubreiter.
Zwischen den 13 Tennengauer Ortschefs gibt es den Grundsatzbeschluss, zukünftig an der Therme festzuhalten. "Es ist wichtig einen Ort zu haben, an dem unsere Kinder schwimmen lernen können. Ohne den Zuschuss vom Land geht es für uns finanziell nicht", so der Vorsitzende der Bürgermeisterkonferenz. Gleich sieht es Gollings Bürgermeister: "Den Abgang trägt Golling zur Gänze, was für uns zukünftig nicht möglich ist. Für die Beteiligung der anderen Gemeinden bin ich sehr dankbar. Die Signale vom Land sind gut. Angesichts dessen, dass in Seekirchen ein Hallenbad mit 70% gefördert wird, sollte auch die Sanierung der Therme in solch einer Größenordnung möglich sein."
Für kleinere Projekte helfen die Gemeinden zusammen. "Wenn ich etwa Verkehrsschilder brauche, rufe ich einen Kollegen einer anderen Gemeinden an und leihe sie mir. Das funktioniert innerhalb des Bezirks problemlos", erklärt Strubreiter.
Eine Lösung der Problematik
Die Bürgermeister fordern eine Reform der Gemeindefinanzierung. Es wird auf Landes- und Gemeindeebene jeweils eine Gruppe geben, die sich mit der Reform der Aus- und Aufgabenteilung beschäftigen wird. Manfred Sampl, St. Michaels Bürgermeister und neuer Präsident des Salzburger Gemeindeverbands, betont, dass die Gemeinden finanziell nicht deshalb so schwach da stehen, weil sie schlecht gewirtschaftet hätten. "Es sind uns immer mehr Aufgaben aufgebürdet worden. Da gehört repariert - mit fairer Verteilung der Gelder statt einzelner Hilfspakete."
Der zuständige LH-Stv. Stefan Schnöll (ÖVP) betont die noch gute Lage Salzburgs. Als Notfallhilfe habe das Land im Vorjahr 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und jüngst ein weiteres Gemeindepaket in der Höhe von 20,5 Millionen Euro geschnürt. Sampl bemüht sich aber auch die Zuversicht nicht zu verlieren: "Das ist halt jetzt weniger die Zeit zum Betonieren und Asphaltieren. Dafür können wir sie nutzen, den Menschen zuzuhören."
Für Friedl Strubreiter ist auch ein Umdenken der Bürgerinnen und Bürger notwendig. "Die Menschen müssen lernen, dass die Vollkaskomentalität der letzten Jahre nicht mehr geht. Man muss einzelne Projekte zur Zeit eben aufschieben. Eine Gemeinde bricht zum Beispiel nicht zusammen, weil eine Straßenentwässerung erst ein Jahr später kommt", so der Vorsitzende. Sein Gollinger Bürgermeisterkollege appelliert an Bund und Land in der Hoffnung, dass die Gemeindefinanzierungen reformiert werden, um die Gemeinden im Bundesland nicht sterben zu lassen, denn "wenn sie uns umbringen, bringen sie die Wirtschaft um."