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Neue Kampagne mit ehrgeizigem Ziel: Salzburg will zur gewaltfreien Stadt werden

"Mensch, mach's möglich" - so lautet der Titel einer Kampagne der Stadt Salzburg. Sie hat zum Ziel, Salzburg zu einer gewaltfreien Stadt zu machen. Gewalt an Kindern und Jugendlichen gilt als Schwerpunkt.

Adelheid Moser, Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe, Patrick Pfeifenberger, Leiter der MA 3 - Soziales, Sozialstadträtin Anja Hagenauer und Frauen-Beauftragte Alexandra Schmidt (v. l. n. r.) präsentierten die Gewaltschutzkampagne „Mensch, mach’s möglich“.
Adelheid Moser, Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe, Patrick Pfeifenberger, Leiter der MA 3 - Soziales, Sozialstadträtin Anja Hagenauer und Frauen-Beauftragte Alexandra Schmidt (v. l. n. r.) präsentierten die Gewaltschutzkampagne „Mensch, mach’s möglich“.

Es ist alarmierend, was die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt vorlegt: Die akuten Gefährdungsabklärungen - das sind Meldungen von Institutionen und Privatpersonen zu Vernachlässigung, Gewalt und sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen - sind 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent gestiegen. Benachrichtigungen über Misshandlungen und Gewalt haben gar um 61 Prozent zugenommen. Die Gründe dafür hängen für Adelheid Moser, Leiterin der Kinder- und Jugendhilfe eindeutig mit dem Beginn der Coronapandemie zusammen: So ist der Konsum von Drogen und Alkohol gestiegen und finanzielle Engpässe durch Arbeitslosigkeit belasten. "Generell beobachten wir angesichts der anhaltenden Situation und den damit verbundenen Einschränkungen der sozialen Kontakte: Hoffnungslosigkeit macht sich breit, gepaart mit erhöhtem Aggressionspotenzial", so Moser.

Ziele der Kampagne

Die Kampagne will zunächst für Aufklärung und Sensibilisierung sorgen - bei den von Gewalt Betroffenen wie auch dem Umfeld. Das Thema Gewalt soll enttabuisiert und ins Bewusstsein gerückt werden. Kindern soll "eine Sprache gegeben werden", für das, was ihnen passiert. Auf den Plakaten der Kampagne steht die Nummer der neuen Krisenhotline der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Beratungstelefons der Kids-Line. Den Betroffenen und Angehörigen, Freunden oder Nachbarn soll so die Hemmung genommen werden, sich bei Problemen zu melden.

Während der gesamten Kampagne ist die Nummer der Kinder- und Jugendhilfe auch am Wochenende und nachts erreichbar. Wer die 0662 8072 3993 wählt, bekommt somit jederzeit Rat und Unterstützung durch geschulte Sozialarbeiter/-innen. Darüber hinaus bietet die Kampagne die Möglichkeit, auch über Instagram und WhatsApp in Kontakt zu treten.

Für Patrick Pfeifenberger von der Sozialabteilung der Stadt Salzburg steht fest, dass auch die Profis beim Thema Gewalt an Kindern und Jugendlichen ihren Blick schärfen und sich die Gefahren immer wieder aufs Neue bewusst machen müssen. "Es liegt in der Natur des Menschen, Dinge auszublenden, gerade wenn sie so abscheulich sind wie die Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Hier ergeht es den Profis oft nicht anders als den Laien, aber Fakt ist: Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist traurige Realität und sie passiert nicht nur vereinzelt, sondern leider viel zu oft. Dieser unangenehmen Wahrheit müssen wir uns als Behörde, als Stadt und als Gesellschaft immer wieder aufs Neue stellen, wenn wir das Problem langfristig in den Griff bekommen wollen."

Gefährdungsmeldungen erfolgen oft zu spät oder gar nicht

Immer wieder ist die Sozialabteilung, insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe, in diesem Zusammenhang mit zu spät oder gar nicht erfolgten Gefährdungsmeldungen konfrontiert, die aus falsch verstandener Rücksicht oder der Angst, bei so einem heiklen Thema Fehler zu machen, nicht (rechtzeitig) passieren. Ein Phänomen, das selbst bei Berufsgruppen, die per Gesetz dazu verpflichtet wären, Gefährdungen zu melden, häufig vorkommt. Hier sieht Pfeifenberger einen besonderen Auftrag für die Kampagne: "Es muss uns einerseits gelingen, Betroffenen Mut zu machen, sich zu melden, aber es ist mindestens genauso wichtig, auch den Menschen, die die Zeichen von Gewalt erkennen, das Rüstzeug in die Hand zu geben, ohne Angst vor Fehlern zu helfen."

Für die Frauen- und Gewaltschutzbeauftragte der Stadt, Alexandra Schmidt, ist die Kampagne hochaktuell: "Corona und kein Ende in Sicht: Wer arge Sorgen hat, vielleicht finanziell in einer aussichtslosen Lage ist, wer zu eng wohnt und nicht gut mit Computern ausgerüstet ist für Homeschooling oder Telearbeit, wird leichter gewalttätig. Denn das alles ist oft schwer zu ertragen. Man kommt unter Druck, wird wütend und weiß nicht weiter. Das ist nur allzu menschlich. Doch es gibt Auswege für Betroffene - auch für jene, die Gewalt ausüben."

Sexueller Missbrauch als Form der Gewalt

Dabei gehe es auch um sexuellen Missbrauch als Form der Gewalt, so Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ). Eine Studie von SOS-Kinderdorf zeige, dass knapp 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von sexueller Gewalt im Internet betroffen sind. Nur wenige erstatten Anzeige. Es hänge im Prinzip von der Initiative von Zeugen im privaten Umfeld der Betroffenen, in schulischen oder Fürsorgeinstitutionen ab, wie sehr Polizei und Justiz tätig würden. Ein weiteres Problem: Die Politik reagiere oftmals nur auf Skandale - das komme für die Kinder zu spät. Es brauche frühzeitiges "aktives Hinschauen" und eine breite Kommunikationsoffensive, die für die Zielgruppe leicht verständlich ist. "Wir wollen den Menschen helfen, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Aber auch, wenn sie überfordert sind, wenn sie nicht weiterwissen, wenn alles aussichtslos erscheint. Wir wollen außerdem Handlungsmöglichkeiten für all jene aufzeigen, die Gewalt beobachten oder vermuten - mit Zivilcourage und jenseits von Vernaderung."

Gewalt gegen Kinder passiert (immer mehr) im Netz

Es braucht außerdem mehr Ressourcen für die Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz und aktive Ermittlungen gegen Straftäter online. So stiegen der deutschen Kriminalstatistik nach im Jahr 2019 die Straftaten bei Kinderpornografie um unglaubliche 65 Prozent.

"In Österreich können z. B. Delikte wie Cybergrooming (= die aktive Anbahnung strafbarer Handlungen an Minderjährigen durch die Täter via Internet) in der Regel nicht durch verdeckt ermittelnde Beamte nachgewiesen werden, sondern gelten nur, wenn die Taten tatsächlich an Kindern und Jugendlichen begangen werden, als strafbar" berichtet Stadträtin Hagenauer. "Das muss sich schnellstens ändern, wenn man dem Missbrauch im Netz Einhalt gebieten will. Darüber hinaus sollte die Justiz sensibilisiert werden, hier verstärkt in den Austausch zu gehen, um das Problem der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche besser wahrzunehmen."

Neben der Aufklärungsarbeit richtet die Stadt eine eigene "Taskforce Kinderschutz" ein. Koordiniert durch das Team Vielfalt werden hier neben der Kinder- und Jugendhilfe auch Vereine aus dem Bereich Kinder- und Jugendarbeit und Gewaltschutz eingebunden. Ziel der Taskforce soll es sein, ein Präventionskonzept zu erarbeiten, das für Schulen und Vereine einfach adaptierbar ist und in der Praxis eingesetzt werden kann. Es soll aber nicht allein bei der Konzepterstellung bleiben. Die Sozialabteilung wird zukünftig die Einhaltung solcher Präventionskonzepte zu einem fixen Bestandteil der Fördervoraussetzungen machen.

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