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Bewaffneter 18-jähriger Salzburger in München erschossen: Staatsanwaltschaft Salzburg kontert Kritik

Warum hat die Staatsanwaltschaft im April 2023 ein Verfahren gegen den 18-Jährigen aus Neumarkt am Wallersee eingestellt? Der Tatvorsatz habe sich nicht erhärtet und es hätten sich auch sonst keine Hinweise ergeben, dass der Beschuldigte besonders religiös gelebt habe. Fest steht, der 18-Jährige war in seiner Schule in der Stadt Salzburg bereits aufgefallen. Die Waffe soll er am Vortag der Tat bei einem privaten Waffensammler im Flachgau gekauft haben.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hatte ein Verfahren gegen den Jugendlichen im April 2023 eingestellt. Das bringt ihr nun Kritik ein. Die Behörde reagierte am Freitag mit einer umfassenden Stellungnahme.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg hatte ein Verfahren gegen den Jugendlichen im April 2023 eingestellt. Das bringt ihr nun Kritik ein. Die Behörde reagierte am Freitag mit einer umfassenden Stellungnahme.

Ein 18-Jähriger aus Neumarkt am Wallersee lieferte sich am Donnerstagvormittag in München einen Schusswechsel mit der Polizei nahe dem israelischen Generalkonsulat. Der 18-Jährige wurde getötet. Die bayerische Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft gehen von einem versuchten Terroranschlag aus. Die Ermittlungen dazu laufen auch am Freitag weiter.

Unterdessen geriet am Donnerstag die Staatsanwaltschaft Salzburg in Kritik. Denn der Jugendliche war im Februar 2023 erstmals polizeilich auffällig geworden. Er hatte Mitschüler attackiert und war wegen gefährlicher Drohung und Körperverletzung angezeigt worden. Im Zuge dessen meldete die Schule den Behörden auch, dass es hier radikalislamische Tendenzen geben könnte. Die Polizei beschlagnahmte das Handy des Neumarkters. Darauf fand sich einschlägiges Material. Aus Sicht der Polizei "bestand der Verdacht, dass er sich religiös radikalisiert hatte, online einschlägig aktiv war und sich für Sprengstoff sowie Waffen interessierte". Das Salzburger Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) übermittelte der Staatsanwaltschaft insgesamt fünf Berichte zum 18-Jährigen.

Offenbar Interesse an Bombenbau

Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung, stellte das Verfahren aber im April 2023 ein. Am Freitag reagierte die Behörde nun mit einer schriftlichen Stellungnahme. Demnach habe man aufgrund von Sachverhalten zwischen 2021 und 2023 ermittelt. Der Beschuldigte war damals verdächtigt worden, Mitschüler gefährlich bedroht zu haben. Es sei zu einer Körperverletzung gekommen, und er soll sich für Anleitungen zum Bau von Bomben interessiert haben. Der Verdacht habe auch bestanden, dass er sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt habe.

Was die Hausdurchsuchung 2023 zutage förderte

"Aufgrund der Verdachtslage wurde damals am Wohnort des Beschuldigten eine gerichtlich bewilligte Durchsuchung durchgeführt. Dabei wurden mehrere Datenträger, darunter ein Mobiltelefon und ein Stand-PC, sichergestellt und ausgewertet. Auf dem Mobiltelefon wurden keine relevanten Daten gefunden. Auf dem Stand-PC befanden sich drei Videos, die der damals 14-jährige Beschuldigte im Jahr 2021 selbst aufgenommen hatte." Die Videos hätten Szenen aus einem Computerspiel mit islamistischen Inhalten gezeigt. Nur auf einem dieser Videos seien Symbole der terroristischen Vereinigung Al-Nusra-Front zu sehen gewesen.

"Kein Tatvorsatz nachweisbar"

"Dass der Beschuldigte die angefertigten Videos an andere Personen übermittelte oder sonst zu Propagandazwecken gebrauchte, konnte im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt werden. Allein durch das Spielen eines Computerspiels bzw. das Nachstellen von islamistischen Gewaltszenen war im konkret vorliegenden Fall kein Tatvorsatz nachweisbar und deshalb der Tatbestand der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB nicht
erfüllt", heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Keine Hinweise auf radikalislamische Kreise gefunden

Darüber hinaus hätten sich keine Hinweise ergeben, dass sich der Beschuldigte in radikalislamischen Kreisen bewege oder besonders religiös gelebt habe. "Vielmehr ergaben die Ermittlungen, dass es sich um einen Jugendlichen mit verhältnismäßig wenig sozialen Kontakten handelte. Einvernahmen von Mitschülern des Jugendlichen brachten ebenfalls keine Ergebnisse, welche den Tatverdacht unterstützt hätten. Weitere Gegenstände oder Daten mit Bezug zum Islamischen-Staat konnten bei der Hausdurchsuchung ebenso nicht gefunden werden wie Pläne, Anleitungen oder Sprengstoff für den Bau von Bomben. Ein Tatvorsatz konnte demnach auch bei diesen Sachverhalten nicht nachgewiesen werden." Da die Vorwürfe auf Basis dieser Ermittlungsergebnisse nicht nachgewiesen werden konnten, sei das Verfahren am 23. April 2023 eingestellt worden.

Bildungsdirektion verhängt Nachrichtensperre

Der 18-Jährige besuchte bis 1. Februar 2024 eine Schule in der Stadt Salzburg. Der Jugendliche dürfte dort bereits Anzeichen gezeigt haben, wie zu erfahren war. So soll er sich einmal für das Bombenbauen interessiert und sich erkundigt haben. Auch eine Schulkonferenz wurde 2023 einberufen, um ein Ausschlussverfahren gegen den Schüler zu prüfen. Sämtliche Berichte wurden der Bildungsdirektion übermittelt. "Wir haben sehr viel unternommen. Wir haben eigentlich alles getan", heißt es vonseiten der Schule.

Auf Nachfrage sagt Bildungsdirektor Rudolf Mair, dass man eine Nachrichtensperre verhängt habe und keinerlei Medienanfragen beantworte. Nur so viel: Die Bildungsdirektion habe die Informationen von der Schule damals erhalten und empfohlen, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. "Das ist ja dann auch passiert." Der Rest sei Angelegenheit polizeilicher Ermittlungen. Generell gebe es an den Schulen die Möglichkeit für Workshops mit dem Verfassungsschutz. "Es gibt seit Kurzem auch Extremismuspräventionsbeamte, die von Schulen angefordert werden können."

Nach dem Wintersemester 2023/24 meldete sich der 18-Jährige jedenfalls von der Schule ab und wollte eine Lehre beginnen. Ob das tatsächlich geschah, dazu liegen keine Infos vor.

Waffenhändler sagt, Kauf wäre in Geschäft nicht möglich gewesen

Deutsche Medien berichteten unterdessen, dass der 18-Jährige das Gewehr einen Tag vor der geplanten Tat gekauft haben soll - und zwar in Salzburg. Und das, obwohl gegen den Flachgauer laut Polizei bis 2028 ein Waffenverbot bestand.

Der Salzburger Waffenhändler und Branchensprecher Reinhold Sodia sagt, dass der Täter die Waffe nicht in einem Geschäft hätte kaufen können. "Wenn ein Waffenverbot gegen eine Person besteht, ist der Kunde im zentralen Waffenregister gesperrt. Wir sehen zwar nicht den Grund, aber uns wird angezeigt, dass das Rechtsgeschäft nicht möglich ist." Wenn die Waffe von einem privaten Besitzer erworben wurde, müsste sie ebenfalls im zentralen Register erfasst sein. Das gelte auch für Weltkriegswaffen. "Zwar haben die Alliierten alle Waffenfabriken zerbombt und die Waffen waren nicht mehr erfassbar. Es wurde aber ein Gesetz erlassen, die alten Waffen ins Register einzumelden." Bei einem privaten Kauf einer historischen Langwaffe müsse sich der Verkäufer allerdings lediglich von der Volljährigkeit des Käufers überzeugen und diesen darauf hinweisen, dass er den Kauf binnen sechs Wochen zu melden habe. "Bei Pistolen geht der private Kauf in jedem Fall nur über die Behörde."

Waffe bei privatem Waffensammler gekauft

Die mutmaßlich rund 100 Jahre alte Tatwaffe hatte der 18-Jährige am Mittwoch - am Tag vor der Tat - bei einem privaten Waffensammler im Flachgau gekauft. Wie Freitagmittag bei einem Hintergrundgespräch im Innenministerium erläutert wurde, hatte der Verkäufer die Kategorie-C-Waffe älterer Bauart, die repetiert werden musste, rund 14 Tage vor der Tat auf einer Online-Plattform, auf der Schusswaffen gehandelt werden, angeboten. Der 18-Jährige meldete sich bei dem Sammler. Für 350 Euro und weitere 50 Euro für ein aufgepflanztes Bajonett wechselte die Waffe den Besitzer, teilte Franz Ruf, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, mit. Der 18-Jährige erwarb auch 50 Schuss Munition.

Die Polizei hat das Einfamilienhaus der Familie in Neumarkt am Wallersee am Donnerstag stundenlang durchsucht. Weiteres Material oder gar Waffen sollen aber nicht zum Vorschein gekommen sein.