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Terror in München: "Mitschüler sagten, dass er sehr gläubig ist"

Am Tag nach dem vereitelten Anschlag in München, bei dem der Täter - ein 18-jähriger Salzburger - erschossen wurde, berichteten Ermittler des Staatsschutzes über die Hintergründe, die zur Tat führten.

Polizeieinsatz in Neumarkt am Wallersee.
Polizeieinsatz in Neumarkt am Wallersee.

Der Schock nach dem vereitelten Terroranschlag in München, bei dem am Donnerstagvormittag der Täter - ein 18-Jähriger aus Neumarkt am Wallersee - von Sicherheitskräften erschossen wurde, saß sowohl in Deutschland als auch in Österreich am Freitag noch tief. Unterdessen gewährten Staatsschützer im Innenministerium Einblicke in den bisherigen Erkenntnisstand. Als gesichert gilt, dass der ehemalige Schüler der HTL Salzburg-Itzling am Tag vor dem versuchten Anschlag ein Gewehr der Kategorie C bei einem Waffenhändler gekauft hat. Dieser hatte die vermutlich 100 Jahre alte Langwaffe Schweizer Bauart etwa zwei Wochen zuvor online zum Verkauf angeboten, der 18-Jährige trat mit dem Mann in Kontakt. Schließlich kam es zur Übergabe, inklusive 50 Schuss Munition. Verkaufspreis: 350 Euro plus 50 Euro für ein aufgepflanztes Bajonett. Der Käufer muss in so einem Fall lediglich angeben, dass er Sammler ist. Die Vorlage von Waffenscheinen oder anderen Zertifikaten ist nicht nötig. Die Bestätigung der Volljährigkeit reichte. Der Verkäufer muss den Käufer darauf hinweisen, dass die Waffe innerhalb von sechs Wochen registriert werden muss - was der Händler auch tat.

Am Donnerstag schließlich erschien der junge Mann nicht an seinem Arbeitsplatz. Erst Tage zuvor hatte der 18-Jährige eine Lehre bei einem Metallverarbeitungsbetrieb begonnen. Die HTL hatte er im Frühjahr abgebrochen. Sein Lehrherr rief daraufhin bei der Familie in Neumarkt am Wallersee an, woraufhin die Eltern des 18-Jährigen beim örtlichen Polizeiposten eine Abgängigkeitsanzeige erstatteten, da er auch telefonisch nicht erreichbar war. Zu diesem Zeitpunkt war der wenig später erschossene Teenager bereits auf dem Weg nach München.

Eltern stellten "Verhaltensauffälligkeiten" fest

Zur Vorgeschichte: Wie die Ermittler im Zuge der Befragungen herausgefunden haben, dürfte die Corona-Pandemie dem Burschen schwer zugesetzt haben. Er entwickelte sich zum Einzelgänger und zog sich zurück. In der Schule mutierte er zum Außenseiter und wurde gehänselt, es kam zu Sticheleien. Als ihm alles zu viel wurde, schlug er zu und sprach eine gefährliche Drohung gegen einen Mitschüler aus. Die Polizei schaltete sich ein und führte Befragungen durch. Im Zuge dieser meinten etliche Schüler, der (heute) 18-Jährige sei "sehr gläubig". Lehrer gaben an, vom Tatverdächtigen gefragt worden zu sein, wie man eine Bombe baut. Auch zu Hause, so berichtete der Vater, habe der junge Mann plötzlich heftig reagiert, wenn man ihn beim Gebet störte. Die Eltern machten sich ohnehin schon länger Sorgen um den psychischen Zustand ihres Sohnes, bei dem sie "Verhaltensauffälligkeiten" feststellten, und vereinbarten einen Termin bei einem Psychologen. Ein Treffen dürfte jedoch nicht stattgefunden haben. Von einer Radikalisierung sei - zumindest rein äußerlich - nichts zu erkennen gewesen.

Weil aber mittlerweile gegen den Burschen nach Paragraf 278 StGB (Kriminelle Vereinigung) ermittelt und ein Waffenverbot bis 2028 ausgesprochen wurde, kam es schließlich im Februar 2023 zu einer Hausdurchsuchung im Einfamilienanwesen in Neumarkt. Bei dieser stellten die Ermittler drei Videos auf dem PC sicher, die der damals 14-Jährige im Jahr 2021 selbst aufgenommen hatte. Sie zeigten Szenen aus einem Computerspiel mit islamistischen Inhalten. Nur auf einem dieser Videos war eine Flagge mit dem Symbol der terroristischen Vereinigung Al-Nusra-Front For the People of the Levant, auch Hay'at Tahir al-Sham (HTS) genannt, zu sehen. Diese soll der Bursch, der als überaus IT-affin galt, selbst programmiert haben.

Darüber hinaus ergaben sich jedoch keine Hinweise, dass sich der Beschuldigte in radikalislamischen Kreisen bewegt oder besonders religiös gelebt hätte. Soll heißen: Für die Einstufung als Gefährder seien schlicht zu wenig Sachverhalte vorgelegen, die Informationslage sei zu dünn gewesen, hieß es am Freitag seitens des Salzburger Landesamts Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE). Das Terror-Verfahren gegen den Burschen wurde von der Staatsanwaltschaft daher am 23. April 2023 eingestellt. Seither war der junge Mann nicht mehr auffällig geworden - weder in der realen noch in der virtuellen Welt. In den sozialen Medien fand man keinerlei Hinweise auf eine Radikalisierung oder die Planung eines Anschlags. Bei dem 18-Jährigen habe es sich, so die Ermittler am Freitag, um "keinen klassischen Islamisten" gehandelt.

Neun Schüsse abgefeuert

Der 18-Jährige hat bei dem Anschlag auf das israelische Generalkonsulat insgesamt neun Schüsse abgegeben. Das sagte Polizei-Einsatzleiter Christian Huber in München. Mehrere Schüsse seien auf Gebäude, weitere auf Polizisten abgefeuert worden. Das Magazin der Waffe, einer jahrzehntealten Schweizer Armeewaffe, habe sechs Patronen gefasst. Im Auto des 18-Jährigen sei eine Packung gefunden worden, die 50 Schuss Munition fasst und fast leer gewesen sei. Wo der Rest der Munition geblieben sei, sei noch Gegenstand der Ermittlungen. Ein Polizist und eine Passantin hätten jeweils ein Knalltrauma erlitten, weitere Verletzte habe es nicht gegeben.