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In der Regel geht es um ein Tabu

Über Menstruation wird nicht gern geredet und auch Statistiken dazu waren bisher rar. Nun gibt es erstmals einen Bericht, der Frauen und ihre Periode in den Mittelpunkt rückt.

Menstruation ist nach wie vor ein Thema, mit dem sich viele schwertun.
Menstruation ist nach wie vor ein Thema, mit dem sich viele schwertun.
Auszug aus dem Menstruationsgesundheitsbericht.
Auszug aus dem Menstruationsgesundheitsbericht.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bringt es bei einer Pressekonferenz am Donnerstag gleich zu Anfang auf den Punkt: "Es fühlt sich ein bisschen schräg an, als Mann einen Menstruationsbericht vorzustellen. Ich muss das sagen, auch wenn ich Gesundheitsminister bin. Es ist aber auch Teil des Problems, weil Männer darüber schon gar nicht reden und gesellschaftlich Menstruation immer noch ein Tabuthema darstellt." Dabei menstruieren Frauen in ihrem Leben durchschnittlich rund 450 Mal. Doch dieser körperliche Prozess führt dazu, "dass Frauen und Mädchen mancherorts während der Periode immer noch als unrein und schmutzig gelten und auch hierzulande Scham in Bezug auf die Menstruation vorherrscht", erklärt Rauch. Nun legt das Gesundheitsministerium erstmals den "Menstruationsgesundheitsbericht" vor, der am Donnerstag im Zuge der Pressekonferenz präsentiert wurde. Der Bericht soll dazu beitragen, das Tabu zu bekämpfen.

Grundlage für politische Entscheidungen

Studienautorin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH betont: "Erstmals stehen uns repräsentative Daten im Zusammenhang mit Menstruation, Wechseljahren und Endometriose zur Verfügung." Der Bericht soll daher auch eine Grundlage für politische Entscheidungen bieten. An der repräsentativen Erhebung beteiligten sich 1332 Mädchen und Frauen (14 bis 60 Jahre). Die Hälfte habe sich subjektiv ganz gut informiert gefühlt, als ihre Periode das erste Mal einsetzte. 19 Prozent traf es völlig unvorbereitet.

Rund zwei Drittel der Frauen benutzen Tampons während der Regel, am zweithäufigsten werden Binden und Slipeinlagen verwendet (58 Prozent; Mehrfachnennungen möglich). Wiederverwendbare Produkte finden sich seltener - wie Periodenunterwäsche (11,3 Prozent) oder Menstruationstassen (knapp 10 Prozent).

Einige können sich Tampons oder Binden schwer leisten: In der Studie gaben fünf Prozent an, dass sie jeden Monat Probleme damit hätten, die Artikel zu finanzieren. "In absoluten Zahlen sind das rund 130.000 Betroffene", sagte Gaiswinkler. 16 Prozent haben gelegentlich Probleme damit.

Menstruationsbeschwerden anerkennen und ernst nehmen

1,9 Millionen Frauen haben während ihrer Periode mittelstarke bis sehr starke Schmerzen (67 Prozent). "Das ist viel", kommentiert Gaiswinkler. Dazu nehmen gut 55 Prozent jeden Monat Schmerzmittel ein. Hier gebe es noch Forschungsbedarf, ergänzt die Studienautorin. Es sei etwa unklar, wer die Mittel verschreibe oder ob jemand den Konsum kontrolliere. Rund ein Drittel der Frauen hat eine ärztlich diagnostizierte menstruationsbezogene Erkrankung oder eine Zyklusstörung - das sind 740.000 Personen. Am häufigsten ist dabei Endometriose, eine gynäkologische Schmerzerkrankung. Bei sechs Prozent der Befragten wurde diese diagnostiziert, weitere 4,4 Prozent haben den Verdacht, dass sie darunter leiden. Allerdings dauert es der Studie zufolge im Schnitt fast sieben Jahre, bis die Erkrankung tatsächlich diagnostiziert wird.

"Erstmals repräsentative Daten."
Sylvia Gaiswinkler
Studienautorin

"All das zeigt uns, dass die Lebensumstände, in denen Frauen leben, anzuerkennen und auch ernst zu nehmen sind. Es gibt eine Verantwortung, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wovon Frauen betroffen sind", sagt Gaiswinkler. Der Bericht zeige den Bedarf an flächendeckender, niederschwelliger und qualitätsgesicherter Information und Aufklärung. Es brauche zusätzliche Bewusstseins- und Sensibilisierungsmaßnahmen.

Aline Halhuber-Ahlmann ist die Geschäftsführerin des Salzburger FrauenGesundheitsZentrums. Dort will man Mädchen und Frauen dabei unterstützen, "die rote Welle gut zu reiten. Ich möchte das bewusst so nennen, weil der Zyklus eine Kraft sein kann, die uns Frauen beflügelt", wie Halhuber-Ahlmann erklärt. Ihrer Erfahrung nach ist es schwierig, in Workshops an Schulen kostenlose Hygieneartikel mitzubringen - wenn, dann nur in neutralen Sackerln. Sonst würde von männlichen Mitschülern erkannt, dass sie die Regel haben. "Und das ist für die Mädchen sehr peinlich." Das wolle man ändern. Der Bericht sei ein wichtiges Instrument, um noch besser informieren zu können. Sie betonte auch die Wichtigkeit, kostenlose Monatshygieneprodukte bereitzustellen.

Faktenblatt und Videos sollen entstehen

Gesundheitsminister Rauch kündigte an, mit der Fachgesellschaft für Frauengesundheit die Leitlinie Endometriose zu überarbeiten. Außerdem soll ein Faktenblatt zu Wechseljahren neu entstehen und Videos in elf Sprachen sollen produziert werden, beispielsweise über die erste Menstruation, zu Abhilfe bei Beschwerden oder weiblicher Genitalverstümmelung.

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