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Wirtschaftsnobelpreis geht an US-Ökonomin: Claudia Goldin erklärt, wieso Frauen weniger verdienen

Die US-Ökonomin Claudia Goldin erhält für ihre Forschung über Frauen auf dem Arbeitsmarkt den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2023.

Der diesjährige Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften geht an die US-Ökonomin Claudia Goldin, die an der Harvard University lehrt. Wie die Königlich Schwedische Akademie am Montag in Stockholm bekannt gab, wird die 77-jährige gebürtige New Yorkerin, die an der University of Chicago promovierte, für ihre Forschungen zur Rolle der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgezeichnet. Die von ihr dargelegten Ursachen ermöglichten ein besseres Verständnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt, heißt es in der Begründung des Nobelpreiskomitees.

Auswertung von Daten aus mehr als 200 Jahren

Die Ergebnisse Goldins basieren auf der Auswertung von Daten aus mehr als 200 Jahren. Darin zeigt sich unter anderem, dass die Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt keinen kontinuierlichen Trend aufweist, sondern U-förmig verläuft. Die Teilnahme von Frauen am Erwerbsleben habe im Zuge des Wandels von der agrarisch zur industriell geprägten Wirtschaft im frühen 19. Jahrhundert abgenommen. Der Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt sei erst mit dem Wachstum des Dienstleistungssektors am Beginn des 20. Jahrhunderts gestiegen. Die Gründe für diese Entwicklung seien veränderte soziale Normen sowie die Zuständigkeit der Frauen für Haushalt und Familie.

Weltweit nur 50 Prozent der Frauen erwerbstätig

Im Lauf des 20. Jahrhunderts sei das Ausbildungsniveau von Frauen stetig gestiegen und liege in den meisten Ländern mit hohen Einkommen über dem von Männern. Laut Goldin kam der Antibabypille dabei eine wichtige Rolle zu, weil sie den Frauen neue Möglichkeiten bot, ihre Karriere zu planen. Dennoch gingen weltweit nur 50 Prozent der Frauen einer bezahlten Beschäftigung nach, bei Männern seien es 80 Prozent, sagte die Ökonomin Randi Hjalmarsson am Montag. Und wenn Frauen arbeiten, verdienten sie deutlich weniger, im Durchschnitt um 13 Prozent pro Stunde.

Frauen verzichten zugunsten der Familie auf Karriere

Trotz steigenden Frauenanteils an der Erwerbsbevölkerung und Wirtschaftswachstums habe sich die Einkommensschere lange kaum geschlossen. Dafür sind laut Goldin auch Entscheidungen verantwortlich, die Frauen als Mädchen treffen. Orientierten sie sich bei ihren beruflichen Erwartungen an Erfahrungen ihrer Mütter, die nach Geburten nicht ins Arbeitsleben zurückkehrten, schließe sich die Einkommenslücke nur langsam. Nachdem Einkommensdifferenzen lange mit der Berufswahl und der Ausbildung begründet werden konnten, ist laut Goldin mittlerweile die Geburt des ersten Kindes entscheidend. Wenn Jobs besonders gut bezahlt werden, in denen lang gearbeitet wird und Überstunden gemacht werden müssen, und Frauen diese deshalb nicht annehmen, gebe es nur Verlierer, schreibt Goldin: Männer verzichteten auf Zeit mit der Familie, Frauen auf Karriere.

Dritte Frau in der Geschichte des Wirtschaftsnobelpreises

Für Ulrike Famira-Mühlberger vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) ist die Auszeichnung für Goldin - sie ist erst die dritte Frau in der Geschichte des seit 1969 verliehenen Preises in der Kategorie Wirtschaft - eine Anerkennung für alle Ökonominnen. Auch wenn Goldins Forschung auf Daten aus den USA basiere, seien die Ergebnisse "zum allergrößten Teil" für Österreich gültig. Hier sei der Einkommensunterschied wegen des hohen Anteils an Teilzeitarbeit bei Frauen sogar noch höher.

Der Nobelpreis für Wirtschaft ging an Harvard-Professorin Claudia Goldin.
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging an Harvard-Professorin Claudia Goldin.